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Sensation im Volkstheater

Katharina Schratt als Kaiserin

Katharina Schratt als Maria Theresia im gleichnamigen Theaterstück, 1903. HIN-229684, Wienbibliothek im Rathaus

von Isabella Wasner-Peter,
3. November 2023

Vor 120 Jahren erlebte Wien eine Theatersensation: Katharina Schratt spielte bei der Uraufführung der Komödie "Maria Theresia" am 17. Oktober 1903 im Volkstheater die Titelrolle.

Das Theaterstück „Maria Theresia“ und die aufsehenerregende Besetzung

Es soll ihr Freund und Kollege, der Komiker Franz Tewele, gewesen sein, der Schratt dazu bewegen konnte, die Rolle der Maria Theresia im Volkstheater anzunehmen. Franz von Schönthan hatte sie ihr auf den Leib geschrieben. Ursprünglich sollte das Stück "Die Kaiserin" heißen, doch das wurde schließlich doch als zu anzüglich empfunden und in "Maria Theresia" abgeändert. In das fertige Drama schrieb Schönthan für Tewele noch die Rolle des Hofofenheizers hinein – aus "Dankbarkeit", wie die Presse wusste. (Prager Tagblatt, 11.10.1908, S. 11)

Bereits im August 1903, als bekannt wurde, dass Katharina Schratt in Ischl einen Gastvertrag mit dem Volkstheater abgeschlossen hatte, berichteten einige Zeitungen über die Besetzung. Kaiser Franz Joseph I. hatte man über das Vorhaben offensichtlich nicht informiert, denn in einem mit 26. August 1903 datierten Brief an Katharina Schratt fragte er nach: "In der Zeitung habe ich gelesen, daß Sie im Oktober im deutschen Volkstheater die Kaiserin Maria Theresia spielen werden. Ist das wahr?" (Zit. bei Brigitte Hamann [Hrsg.]: Fast jede Nacht träume ich von Ihnen, S 487)

Je näher die Aufführung rückte, umso dichter berichteten die Zeitungen über die erwartete Theatersensation. Katharina Schratt verstand es geschickt, das Interesse des Publikums und der Medien zusätzlich anzuheizen, indem sie verkündete, auf der Bühne ihren privaten Schmuck tragen zu wollen. Es war völlig klar, dass es sich dabei nur um Geschenke des Kaisers handeln konnte. Zur Bewachung der wertvollen Juwelen soll die Polizei allabendlich zwei Beamte abgestellt haben. (K. Kraus: Die Fackel, 28.10.1903, S. 20)

Neben Katharina Schratt spielte Viktor Kutschera die zweite Hauptrolle und verkörperte Maria Theresias Gatten Franz Stefan von Lothringen. Was das Publikum nicht wusste: die 50-jährige ehemalige Hofschauspielerin und den um zehn Jahre jüngeren verheirateten Familienvater verband nicht nur das gemeinsame Theaterprojekt, sondern auch eine stürmische Affäre.

Besetzungszettel 17.10.1903, Volkstheater. C-71229, Wienbibliothek im Rathaus


Die Uraufführung

Den Rummel um die Uraufführung der Komödie am 17. Oktober 1903 ließ auch Karl Kraus nicht unkommentiert: "Dies wertvolle Stück Privatleben könne, so hoffte man, eine in gesellschaftlichen Höhen lebende, durch erlauchten Verkehr geadelte Künstlerin der Kulissensensation nicht opfern, allem Spieldrang zum Trotz nicht eine Spekulation auf die widerlichste Anzüglichkeit unterstützen, nicht die schlechteste Gelegenheit ergreifen, um vor einem nach Klatsch, nicht nach Kunst geilen Publikum die leeren Kassen eines Geschäftstheaters füllen zu helfen". (K. Kraus: Die Fackel, 28.10.1903, S. 19)

Wie nicht anders zu erwarten, war der Ansturm des "distinguierten Publikums" (Wiener Luft. Beiblatt zum "Figaro", Nr. 43, 1903, [S. 3]) enorm, oder in den Worten von Karl Kraus: "Was Wien an Schäbigkeit der Gesinnung und Noblesse der Erscheinung, an Glanz und Schwindel aufzuweisen hat, war erschienen, um dem seltenen Spektakel beizuwohnen, und die Zeitungen verliehen dem Abend eine besondere Weihe, indem sie  ausnahmsweise auch die Zuschauer aufzählten und Individuen, deren Anwesenheit schon bei gewöhnlichen Premieren unangenehm auffällt, besonders hervorhoben." (K. Kraus: Die Fackel, 28.10.1903, S. 20)

Vom Publikum wurde die Uraufführung der "Maria Theresia" begeistert, von der Kritik immerhin wohlwollend aufgenommen. Dabei fiel die Beurteilung des Theaterstücks selbst schlechter aus als die üppige, an der Rokokoästhetik orientierte Ausstattung. Am besten wurden die schauspielerischen Leistungen bewertet. Auch die weiteren Aufführungen waren gut besucht.

Von Maria Theresia zurück zur Volksschauspielerin

Im Dezember 1903 hatte sich die Aufregung um "Maria Theresia" gelegt, das Stück wurde ins Repertoire übernommen und Katharina Schratt war neben ihren Auftritten als Kaiserin zu ihrem ursprünglichen Metier als Volksschauspielerin zurückgekehrt. Zwischen den Zeilen einer Kritik der Österreichischen Zeitung meint man fast so etwas wie Erleichterung darüber herauslesen: "Im Deutschen Volkstheater spielte Frau Kathi Schratt nach langer Zeit wieder die Vroni im 'Meineidbauer' [sic.]. Sie hat sich ihrer Bühnenmajestät entkleidet, um wieder ganz als schlichte, herzgewinnende Künstlerin vor uns zu stehen". (Österreichische Illustrierte Zeitung, 27.12.1903, S. 12 f.)

Weiterführende Informationen

In unseren Crowdsourcing-Projekt „Wiener Theaterzettel 1930–1939“ können Sie die Theaterwelt der 30er-Jahre entdecken und uns bei der Erfassung unserer Theaterzettel unterstützen. Diese spannenden Quellen ermöglichen Einblicke in eine zunächst international vielbeachtete und lebendige Wiener Theaterwelt, die durch antiliberale und antidemokratische Tendenzen mit einer zunehmenden Einschränkung des kreativen Spielraums konfrontiert war. Machen Sie mit und schreiben Sie Geschichte!

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