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Hoch hinauf: Joseph Binders bahnbrechendes Plakat für die Raxbahn

Raxbahn, Joseph Binder, ca. 1928. Wienbibliothek im Rathaus, P-65208

von Theresa Steinwendtner,
2. Oktober 2023

„Die im Juni 1926 eröffnete RAXSEILBAHN bedeutet für die Großstadt Wien und für den internationalen Reiseverkehr etwas nie Dagewesenes. Nach anderthalbstündiger Schnellzugsfahrt vom Wiener Südbahnhof nach Payerbach Reichenau, anschließender Autobusfahrt von 15 Minuten in die Talstation der Raxbahn, schweben wir in geräuschloser Fahrt mit der Seilbahn zum Gipfel. […] Wir atmen die reine würzige Gebirgsluft und genießen die Höhensonne, deren ultraviolette Strahlen die Krankheitskeime zerstören, den Körper neu beleben und den Organismus verjüngen. – Der Spaziergänger unternimmt weite Wanderungen, den Touristen locken die zahlreichen Klettersteige und der Wintersportler findet auch im vorgeschrittenen Frühjahr ideales Skigelände. So kann man eine Fahrt auf die Rax mit Recht als den bequemsten und herrlichsten Ausflug ins Hochgebirge bezeichnen.“

Mit diesen Worten bewirbt 1928 ein Wiener Hotel die Raxseilbahn für ihre Hotelgäste (Hotel Meissl & Schadn, 1928).

Ungefähr zeitgleich entwirft der Gebrauchsgraphiker und Maler Joseph Binder sein berühmtes Plakat für die Raxbahn. Angesprochen werden soll damit vor allem das Wiener Großstadtpublikum. In nur „zwei Stunden [von] Wien-Südbahnhof“ – so wird es am Plakat beworben – ist man am beliebten Wiener Hausberg.

Abstrahierte Bahn

Eine dunkelblaue Berglandschaft mit weißen Gipfeln nimmt den gesamten Plakatraum ein. Am dunklen Fuße des Berges dominiert ein roter Schriftzug, der keine Zweifel an dem Sujet des Plakates aufkommen lässt: hier geht es um die Raxbahn. Die Bahn selbst wird aber nur in abstrahierter Form dargestellt. Binder verlängert das B des Raxbahn-Schriftzuges zu einem roten Pfeil, der steil durch den dunklen Bildraum aufsteigt und am Gipfel endet. Die Form der Bahn als Pfeil und der Einsatz der Farbe Rot suggerieren ein schnelles, bequemes Ankommen auf dem Berg.

Die Idylle des Ausflugsortes wird im Plakat selbst nicht vermittelt, sondern vorausgesetzt. Ein Blick auf andere Raxbahn-Plakate aus der Sammlung der Wienbibliothek im Rathaus verdeutlicht mit welchem Kontrast Binder hier arbeitet. Während bei den anderen Plakaten die Bahn in eine harmonische Naturlandschaft eingebettet wird, verzichtet Binder auf eine detaillierte Darstellung und naturalistische Farbwahl und reduziert das Plakat auf das Wesentliche: die Bahn, die auf den Berg führt.

Raxbahn, Otto Brandhuber, 1927                                     Raxbahn, Rudolf Raimund Ballabene, 1936
Wienbibliothek im Rathaus, P-37217                                    Wienbibliothek im Rathaus, P-37148


Panhans Hotel Semmering, Joseph Binder, 1926. Wienbibliothek im Rathaus, P-65186

Bereits zuvor gestaltete Binder ein Plakat für die Region: auch das romantisch gelegene Panhans-Hotel am Semmering wird durch den Einsatz von Rot, Weiß und Schwarz in Szene gesetzt. Von einer erhöhten Perspektive blickt man auf den verschneiten Gebäudekomplex. Gerahmt wird die Szenerie von einem Viadukt im Vordergrund.

„Harmony of contrasts“

Die Plakate für die Raxbahn (ca. 1928) und das Panhans-Hotel (1926) markieren einen frühen künstlerischen Höhepunkt in Joseph Binders beachtenswerter Karriere. In seinem 1934 erschienenen Buch „Colour in Advertising – The Harmony of Contrasts“ setzt sich der Gebrauchsgrafiker auf werbetheoretischer Ebene mit der Wirkung von (seinen) Plakaten auseinander. Darin spricht er von einer „harmony of contrasts“, die als Rezeptur der hier beschriebenen Plakate gelesen werden kann. Von einer harmonischen Farbgestaltung ausgehend folgert er: „if they [the colours, Anm.] were not harmonious, people would be repulsed instead of attracted to the poster. But this harmony must not give a restful effect, for a rousing effect is the essence of a poster. It must challenge people to take interest in something; that is to say it must contain an inner tension which radiates out onto the contemplator.” (Binder 1934, S. 12.)

Es sind die roten, dreiecksförmigen Pfeiler des Viaduktes im Panhans-Plakat, sowie der rote Pfeil im Raxbahn-Plakat, die die Aufmerksamkeit der Rezipient*innen erregen. Durch den Einsatz dieser Gestaltungsmittel soll das in der Großstadt affichierte Plakat herausstechen und zu dem neu erschlossenen Berg locken: ein modernes Plakat für einen modernen Wiener Ausflugsort.


Weiterführende Information

Seit 100 Jahren sammelt die Wienbibliothek im Rathaus mittlerweile Plakate und verfügt mit über 400.000 Exemplaren über eine der weltweit größten Sammlungen dieser Art. Dazu ist aktuell das Buch „Das Plakat in der Stadt. 100 Jahre Plakate sammeln“ erschienen, das in der Wienbibliothek im Rathaus und im Buchhandel erhältlich ist.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Quellen

Link in die Wienbibliothek Digital

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