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Chronik der Pädagogischen Zentralbücherei

Beitragsbild: Titelblatt der Chronik der Pädagogischen Zentralbücherei der Stadt Wien, H.I.N.-246073.

von Reinhard Buchberger,
4. Dezember 2024

Vor über hundert Jahren, am 18. Oktober 1924, wurde im Beisein von Bürgermeister Karl Seitz und Stadtschulratspräsident Otto Glöckel die Pädagogische Zentralbücherei der Stadt Wien eröffnet. Im Geiste der Wiener Schulreform sollte die Bibliothek dem bereits im Vorjahr 1923 aus der Taufe gehobenen Pädagogischen Institut der Stadt Wien zur Seite gestellt werden und ihm das Rüstzeug sowohl für die Theorie als auch die pädagogische Praxis liefern. Zum feierlichen Anlass wurde auch eine „Chronik der Pädagogischen Zentralbücherei der Stadt Wien“ angelegt, die einen unvergleichlichen Einblick in die Geschichte dieser Bibliothek bietet. Heute befindet sie sich – wie der Großteil der Bücher der Pädagogischen Zentralbücherei – in der Wienbibliothek im Rathaus (WBR, Sign. H.I.N.-246073).

Zwischen Gästebuch und Pressespiegel, Fotodokumentation, Partezettelsammlung und Statistikbericht angesiedelt, begleitete die Chronik ihre Bibliothek vom ersten Tag an über die Zeit des Austrofaschismus und die NS-Diktatur hinweg bis ins Jahr ihrer Auflösung 2007, wobei der letzte Eintrag aus dem Jahr 1985 stammt. Gleich eingangs finden wir die kalligrafisch gestaltete Nachricht von der Eröffnung, gefolgt von der Liste der anwesenden Personen aus Politik, Wissenschaft und Lehre, die sich zu diesem feierlichen Anlass in der Chronik verewigten: der amtierende Direktor des Pädagogischen Instituts, Viktor Fadrus, sowie zwei seiner Nachfolger, Alfred Brommer und Albert Krassnigg – Letzterer war gleichzeitig auch mit der Leitung der Bibliothek betraut; Ministerialrat im Unterrichtsministerium Ludwig Battista, Stadtrat Julius Tandler, die Gemeinderätin Aline Furtmüller, die Kulturwissenschaftler Eduard Castle und Friedrich Kainz und viele andere mehr.

Liste der anwesenden Personen aus Politik, Wissenschaft und Lehre, die sich zu diesem feierlichen Anlass in der Chronik verewigten; H.I.N.-246073

Liste der anwesenden Personen aus Politik, Wissenschaft und Lehre, die sich zu diesem feierlichen Anlass der Eröffnung in der Chronik verewigten; H.I.N.-246073


Einen wichtigen Teil machen auch die pädagogischen und/oder bibliothekarischen Delegationen aus dem In- und Ausland aus, die sich während ihrer Bildungsreisen durchs Rote Wien in der Chronik verewigten. Den Reigen eröffnete im Frühjahr 1925 keine Geringere als Maria Montessori, es folgten Besucher*innengruppen aus Österreich und den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie ebenso wie aus Deutschland und der Schweiz, aus Polen und Lettland, aber auch aus dem fernen China und Japan. Bis ins Jahr 1934 kann man von einer äußerst hohen Frequenz an Besucherinnen und Besuchern sprechen. Mit dem autoritären Regime Dollfuß änderte sich dies aber markant, das Pädagogische Institut und seine Bibliothek verloren an Strahlkraft, um schließlich in den Jahren der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs in die Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Ebenfalls am Gründungstag anwesend war, wie seine Unterschrift in der Chronik belegt, Richard Goldhahn, seines Zeichens Direktor der Leipziger Comenius-Bibliothek. Aus den Beständen dieser und anderer Bibliotheken erhielt die neue Pädagogische Zentralbücherei großzügige Bücherspenden wodurch sie rasch von einem Grundstock von 25.000 auf 130.000 Bände anwuchs. Damit stellte sich aber auch bald die Platzfrage. Schon 1929 musste die Bibliothek aus dem Stadtschulratsgebäude ausziehen und übersiedelte in das Gebäude der Zentralsparkasse am Hernalser Elterleinplatz: Fotografien von den alten und neuen Bibliotheksräumen finden sich nicht nur in unserer Chronik, sondern auch in einem Fotoband des Regalherstellers Rudolf Tánczos, der aus Anlass der Magazineinrichtung hergestellt wurde (WBR, Sign. C-359837). Erst 1961 wurden alle Standorte in dem grundsanierten Gebäude in der Burggasse 14-16 wieder zusammengeführt.

Regalhersteller Rudolf Tánczos, WBR, Sign. C-359837

…aus dem Fotoband des Regalherstellers Rudolf Tánczos, WBR, Sign. C-359837


Über das letzte Kapitel der Pädagogischen Zentralbücherei weiß ihre Chronik nichts zu berichten: 2007 schlossen das Pädagogische Institut und die Bibliothek in der Burggasse für immer ihre Pforten. Die Bibliotheksräumlichkeiten und das Direktionszimmer, in dem die Rara- und die berühmte Fibel-Sammlung aufbewahrt wurden – beide nun ebenfalls in der Wienbibliothek verwahrt und im Jahr 2016 auch in der Ausstellung „Tafelkratzer, Tintenpatzer“ gewürdigt –, mussten dem dort errichteten Polytechnikum und Kindergarten weichen. Nur die über mehrere Geschoße verlaufenden Fenster der Büchermagazine sind von der Fassziehergasse aus noch zu erkennen.

Quellen und weiterführende Literatur

Weiterlesen im Wien Geschichte Wiki

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