Am Mittwoch, 20. März, ist die Benützung unserer Bestände nur bis 16 Uhr möglich. Der Lese- und Lernbereich ist bis 19 Uhr geöffnet.

Sie sind in:

Sie sind hier

Objekt des Monats September 2018: "K. Elis. zu Haarpflege" - Kopfwäsche und Frisiersitzungen am kaiserlichen Hof

"K. Elis. zu Haarpflege", Hs. Notiz aus dem Nachlass von Brigitte Hamann, undatiert. WBR, HS, Nachlass Brigitte Hamann, ZPH 1705. [nicht rechtefrei]

Stephan Maroszys Biographie zu Kaiserin Elisabeth mit dem zugkräftigen Titel "Die Märtyrerin auf dem Kaiserthrone", die 1900 anonym im Zürcher Verlag Caesar Schmidt erschien, vertraute ihrer Leserinnenschaft ein vorgeblich wohl gehütetes Schönheitsrezept an, genauer: "ein Geheimnis der Kunst, das Haar zu konservieren". Freilich ging es um die Haarpracht der Kaiserin selbst, die in allen Lebensaltern der Trägerin zu aufwendigen Frisuren verarbeitet wurde. Diese berühmten Haare übten auf die Zeitgenossen eine enorme Strahlkraft aus und stellen bis zum heutigen Tag ein Faszinosum dar, man denke nur an das Stichwort "Sisi-Brautfrisur".

Die Haarpflege der Kaiserin Elisabeth

Bei dem in der erwähnten Biographie preisgegebenen "Geheimnis" handelt es sich um die Anleitung zu einer "Generalreinigung" des Kopfhaares, die im Falle Elisabeths Zutaten in großen Mengen erforderte: "Das Gelbe von dreißig ganz frischen Eiern wurde, nachdem das Haar aufgelöst und möglichst gleichmäßig ausgebreitet worden war, mit der Hand aufgestrichen, und nachdem es einige Minuten aufgelegen hatte, mit einem in lauwarmes Wasser getauchten, sehr weichen Schwamm wieder entfernt. Dann wurden die Haare mit feinen Mousseline-Tüchern abgetrocknet und noch so lange offen getragen, bis keine Spur von Feuchtigkeit mehr an ihnen zu bemerken war."

Diese Kopfwäsche wurde, wie Brigitte Hamann in ihrer überaus erfolgreichen populäre Biographie "Kaiserin wider Willen", die 1982 erstveröffentlicht wurde, festhält, im Abstand von zwei bis drei Wochen durchgeführt, sie "dauerte einen ganzen Tag lang, an dem die Kaiserin für alles andere unansprechbar war". Das Fazit der 2016 verstorbenen Historikerin, deren Nachlass und Sammlungen in der Wienbibliothek verwahrt werden, lautet: "Der Aufwand für diese berühmten Haare war riesig."

Das Frisieren der Haare

Wie die zeitraubende Haarwäsche, so oblag auch das tägliche Frisieren nach dem Frühstück in der Hauptsache der Haarkünstlerin Franziska Angerer (1842–1911), der Tochter eines Friseurs am Wiener Spittelberg und einer Hebamme, die ab 1863 zum Hofpersonal gehörte. Die Erfinderin von Elisabeths legendärer "Steckbrieffrisur" wurde gegen ein stattliches Gehalt von 2000 Gulden am Hofburgtheater abgeworben, wo sich ihr Stars wie Helene Gabillon (1857–1946) anvertraut hatten. Wie anspruchsvoll die Herstellung einer geflochtenen Haarkrone war, schildern am eindrucksvollsten die 1983 von Verena von der Heyden-Rynsch herausgegebenen Memoiren von Constantin Christomanos (1867–1911), der 1891 bis 1894 Elisabeths Hauslehrer war.

Der Sohn eines Chemieprofessors an der Universität von Athen und der Tochter des bayrischen Leibarztes König Ottos von Griechenland war regelmäßig bei Frisiersitzungen anwesend und beschrieb die Prozedur als eine "heilige Handlung", also gleichsam als kultisches Ritual, das "die Friseuse in schwarzem Kleide mit langer Schleppe" auszuführen pflegte, wobei sie Handschuhe trug: "Mit weißen Händen wühlte sie in den Wellen der Haare, hob sie dann in die Höhe und tastete darüber wie über Samt und Seide, wickelte sie um Arme wie Bäche, die sie auffangen möchte, weil sie nicht rinnen wollten, sondern fortfliegen, teilte die einzelne Welle mit einem Kamm aus goldgelbem Bernstein in mehrere und trennte dann jede von diesen in unzählige Fäden, die im Sonnenlicht wie golden wurden und die sie behutsam auseinanderzog und über die Schultern hinlegte, um ein anderes Gewirr von Strähnen wieder in Goldfäden aufzulösen. Dann wob sie aus allen diesen Strahlen, die aus erloschenem Gold zu Blitzen dunklen Granatrots aufflammten, neue ruhige Wellen, flocht diese Wellen zu kunstvollen Geflechten, die in zwei schweren Zauberschlangen sich wandelten, hob die Schlangen empor und ringelte sie um das Haupt und band daraus, mit Seidenfäden dieselben durchwirkend, eine herrliche Krone."

Die letzte Haarwäsche

Doch zurück zur hohen "Kunst, das Haar zu konservieren": Nicht nur die Rituale der Haarpflege gehörten für Brigitte Hamann zu den Inhalten einer ernstzunehmenden Biographie, sie stellte sich darüber hinaus auch die Frage nach dem Datum der letzten Haarwäsche vor der Ermordung der Kaiserin. In ihrem Nachlass ist eine handschriftliche Notiz von Josef Korzer-Cachée, dem 1987 verstorbenen Autor der "Hofküche des Kaisers" (erschienen 1985 bei Amalthea), überliefert. Der Beamte Cachée, der für die Verwaltung von Schlössern und ehemaligen kaiserlichen Residenzen zuständig war, sammelte umfänglich Material aus dem Hause Habsburg bei sich an und hatte seinerzeit notiert: "K. Elis. zu Haarpflege: letzter großer Haarwaschtag am 7.9.1898 in Caux b. Montreux". Unter den Zeilen findet sich der Vermerk "Erl[edigt]."

Ausstellung im Wien Museum

Wer sich für den Haarkult, die vielschichtige Symbolik von Haar und Frisur im Wandel der Zeit und für Wien als historischen Schauplatz der Ausübung diverser Schönheitspraktiken interessiert, sei hingewiesen auf die aktuelle Ausstellung im Wien Museum am Karlplatz unter dem Titel "Mit Haut und Haar. Frisieren, Rasieren, Verschönern". Die von Susanne Breuss kuratierte Ausstellung läuft bis 6. Jänner 2019.

Archiv der Objekte des Monats 2018: