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Objekt des Monats Jänner 2018: Todesurteil Johann Georg Grasel

Todesurteil Grasel, "Auszug aus dem am 28. Jänner publizirten kriegsrechtlichen Urtheile, den Räuber Johann Georg Grasel, und dessen 6 Mitschuldige vom Soldatenstande betreffend“, 1818, WBR, C-39975/1818,4

Johann Georg Grasel, ein berühmt-berüchtigter Räuberhauptmann, wurde am 28. Jänner 1818 nach einem zwei Jahre dauernden Prozess "mit dem Tod durch den Strang" in Wien verurteilt und am 31. Jänner 1818 mit zwei seiner Komplizen auf dem "Glacis vor dem Neutor" (Nähe Rossauerlände) hingerichtet. Unser Objekt des Monats zeigt das Todesurteil zum Fall Grasel aus dem Jahr 1818, betitelt: "Auszug aus dem am 28. Jänner publizirten kriegsrechtlichen Urtheile, den Räuber Johann Georg Grasel, und dessen 6 Mitschuldige vom Soldatenstande betreffend“. Das Dokument beinhaltet eine kurze Biographie der Delinquenten Johann Georg Grasel, Jakob Fähding und Ignaz Stangl, eine Zusammenfassung der begangenen Delikte, deren Ahndung nach dem Strafgesetzbuch sowie die Art der Hinrichtung.

Räuberhauptmann Grasel

Johann Georg Grasel, auch genannt Hansjörgl, wurde am 4. April 1790 in Neu-Serowitz im heutigen Tschechien geboren. Sein Vater war als Abdeckerknecht (auch Schinder oder Wasenmeister genannt) für die Beseitigung und Verwertung von Tierkadavern im nördlichen Waldviertel und in der Gegend von Südmähren tätig. Am unteren Ende der sozialen Hierarchie stehend, war ein Abgleiten in kriminelles Milieu in dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Die Familie Grasel hatte keinen festen Wohnsitz und keinen ständigen Erwerb, sie wohnten zeitweise in Behausungen bei Wasenmeistereien oder Verwandten. Grasels Vater, selbst des Öfteren wegen Diebstahls verhaftet, soll seinen Sohn bereits als kleinen Buben das "Handwerk" des Stehlens beigebracht haben. Der erste nachgewiesene Einbruch fand am 17. März 1806 in Raabs a.d. Thaya statt, bei dem Grasel und sein Freund Bettwäsche stahlen. Eine dreijährige Freiheitsstrafe des Vaters und die daraus entstandene Not der Familie hatten Betteln und weitere Diebstähle zur Folge.

Seine kurzzeitige "anständige" Arbeit als Fuhrknecht gab Grasel bald wieder auf und widmete sich fortan verstärkt dem Räuberdasein. Nach und nach scharte Johann Georg Grasel eine in der Anzahl variierender Diebskameraden um sich, die in der Gruppe oder auch alleine kleinere und größere Diebstähle organisierten. Zu den Diebstahlsopfern zählten vorwiegend Kleinbauern, verwitwete Frauen oder wohlhabende Personen, von denen vor allem Kleidung, Pferde, Uhren, Geschirr, Lebensmittel und kleinere Geldsummen erbeutet wurden. Das Diebesgut wurde an Händler und Gastwirte weiterverkauft. Ein großer Coup gelang ihm im Jahr 1812 mit einer Beute von Seide und wertvollen Stoffen im Wert von 4000 Gulden. Teilweise legte Grasel große Entfernungen zu Pferd oder zu Fuß in kürzester Zeit zurück, somit dehnte sich sein Aktionsradius vom Waldviertel übers Weinviertel bis ins Grenzgebiet Südmährens und in die Umgebung Wiens aus. Sein Ruf als allgegenwärtiger, brutaler Räuber festigte sich allmählich.

1813 und 1814 können als seine "erfolgreichsten" Jahre des Räuberlebens betrachtet werden. Viele Überfälle wurden unter Alkoholeinfluss und mit brutaler Gewalt ausgeführt. Eine Wirtshausschlägerei 1811 führte  zum ersten Todesopfer. Als schwerstes Verbrechen Grasels befand später das Gericht den räuberischen Totschlag der verwitweten Anna Maria Schindlerin im Mai 1814 in Zwettl. Da die Grundherrschaften zur Zeit des politischen und sozialen Wandels Anfang des 19. Jahrhunderts den polizeilichen Agenden kaum gewachsen waren, war eine Ahndung der Verbrechen fast unmöglich. Grasel baute sich von Anfang an ein dichtes, verlässliches Netzwerk auf. Unterschlupf fanden die Räuber meist in Wäldern oder bei befreundeten und verwandten Schinderfamilien, was seine Verfolgung entsprechend erschwerte. Die Gerüchte über die unglaubliche Größe der Räuberbande begünstigten im Laufe der Jahre den Ruf des Räuberhauptmannes Grasel. Im ländlichen Raum wuchs die Unsicherheit unter der Bevölkerung an, wobei viele Verbrechen gegenstandslos Grasel zugeschrieben wurden. Im Oktober 1815 wurde der Wiener Magistrat mit dem "Fall Grasel" betraut. Es folgten Ausrufe für hohe Belohnungen, zahlreiche Steckbriefe, Hausdurchsuchungen sowie eine berittene Militärstreife, die zahlreiche Festnahmen seiner Kameraden nach sich zog. Am 18. November 1815 kam es in  einem Gasthaus in Mörtersdorf bei Horn schließlich zur Verhaftung von Grasel.

Insgesamt waren 214 Personen in die Affäre Grasel verwickelt. Ihm selbst wurden 205 Delikte mit zwei Todesfällen nachgewiesen, die er in einem Zeitraum von 10 Jahren verübte. Nach einem langwierigen Prozess und einem 1400 Bögen starken Aktenmaterial verkündete das Militärgericht am 28. Jänner 1818 das Todesurteil über Grasel und seine engsten Gefährten Fähding und Stangl.

Mythos Grasel

Bereits zu Grasels Lebzeiten rankten sich viele Geschichten um seine Gestalt, seine "Räuberbande" und ihre Verbrechen. Er bot vielen Schriftstellern und Geschichtsschreibern ausreichend Stoff für belletristische Werke und Theaterstücke. 200 Jahre nach seiner Hinrichtung ist der Name Grasel immer noch lebendig, egal ob in der Wissenschaft, in der Literatur oder im Film. Posthum wurde er zum Volkshelden stilisiert, er gilt sowohl als "Waldviertler Robin Hood", als auch als skrupelloser Raubmörder. In manchen Orten des Wald- und Weinviertels sind noch sogenannte "Graselhöhlen" zu finden, in denen die Räuber Zuflucht gefunden habe sollen, diese wurden 2002 in ein 214 km langes Wanderwegenetz, den sogenannten "Graselwegen", integriert. Bekannt ist auch das Gasthaus "Zur Graselwirtin" in Maria Dreieichen. Die mit Grasel in Verbindung stehenden Orte tragen anhaltend zu seiner Legendenbildung insbesondere im niederösterreichischen Raum bei.

Spezialsammlung

Das Objekt des Monats ist eines von 250 Todesurteilen und Moritaten aus den Jahren 1735 bis 1903, die sich in einer Spezialsammlung im Bestand der Druckschriftensammlung der Wienbibliothek befinden. Diese historischen Dokumente stellen eine wertvolle Quelle unter anderem für sozial-, rechtsgeschichtliche sowie linguistische Forschungen dar. Es handelt sich dabei um Flugblätter und Flugschriften, die zeitgenössisch über Kolportage- und Hausierhandel in Umlauf gebracht wurden. Neben literarischen Werken zum Fall Grasel verwahrt die Wienbibliothek im Rathaus einen Kupferstich von 1816 vom Räuberhauptmann Grasel (E-348857) sowie das zweiseitige Moritat "Ein neues Lied von dem Haupträuber Graßl" (E-90521) aus dem Jahr 1816. Im Wiener Stadt- und Landesarchiv befinden sich die Gerichtsakten und Verhörprotokolle zum Fall Grasel aus den Jahren 1815 – 1817. Gerichtsakten bieten eine der wenigen Möglichkeiten, Einblicke in die "Alltagswelt" von Menschen in unteren sozialen Schichten und in deren Denk- und Handlungsweisen zu gewinnen.

Literatur

Richard Bletschacher: Der Grasel, Chronik eines Räuberlebens (Wien 1995).
Harald Hitz: Johann Georg Grasel. Räuber ohne Grenzen, in: Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes, Bd. 24 (Horn 1999).
Cecilie Nováková: Der Räuber ohne Grenzen - Johann Georg Grasel (Bachelorarbeit, Brünn 2012).
Winfried Platzgummer/Christian Zolles: J.G.Grasel vor Gericht. Die Verhörsprotokolle des Wiener Kriminalgerichts und des Kriegsgerichts in Wien, in: Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes, Bd. 53 (Horn/Waidhofen an der Thaya 2013).

Weiterführende Links in die Digitale Bibliothek

Todesurteil Grasel
Leben und Treiben des berüchtigten Räuber-Hauptmannes Johann Georg Grasel
Johann Georg Grasel: Historisches Volksschauspiel in 4 Aufzügen, frei für Kindertheater bearbeitet
Ein neues Lied von dem Haupträuber Graßl
Ein Gefangennahme des Räubers Grasel

Todesurteil Grasel, "Auszug aus dem am 28. Jänner publizirten kriegsrechtlichen Urtheile, den Räuber Johann Georg Grasel, und dessen 6 Mitschuldige vom Soldatenstande betreffend“, 1818, WBR, C-39975/1818,4
Kupferstich "Der Räuberhauptmann Grasl", 1816, WBR, E-348857
Moritat über Grasel, "Ein neues Lied von dem Haupträuber Graßl", 1816, WBR, E-90521