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Objekt des Monats Oktober 2018: Fake-News anno 1848 - Flugblätter zur Revolution 1848

Aufruf des Sicherheitsausschusses an die Bevölkerung Wiens vom 13. Juli 1848 ([Wien]: Hof- und Staatsdruckerei 1848). WBR, Sign. Rb-2349/1.Ex.

Die Revolution von 1848 kann als Meilenstein auf dem Weg Österreichs zu einem demokratischen Verfassungsstaat angesehen werden. Obwohl damals wenige Forderungen längerfristig durchgesetzt wurden, war das erste Aufflackern des Parlamentarismus ein wichtiger Wegbereiter für die friedliche und feierliche Ausrufung der Republik Österreich am 12. November 1918.

Revolution in Wien 1848

Im Jahr 1848 erhoben sich in weiten Teilen Europas Frauen und Männer, um für politische Freiheit und nationale Selbstbestimmung zu kämpfen und eine Verbesserung ihrer sozialen Lage zu erreichen. Auch Wien wurde im März 1848 vom revolutionären Feuer ergriffen, das zum Sturz des Staatskanzlers Metternich und zur Proklamation einer Verfassung führte. In weiterer Folge konnten die feudalen Strukturen durch die Aufhebung der Grunduntertänigkeit der Bauern reformiert und die Pressefreiheit zumindest bis zur blutigen Niederschlagung der Revolution im Oktober 1848 garantiert werden.

Das langersehnte Ende der Kommunikationsdiktatur Metternichs mit ihrer strengen Zensur kam faktisch über Nacht. Zwar initiierten Literaten, Journalisten und Künstler immer wieder Beschwerden und Petitionen gegen die staatliche Zensur, diese blieben jedoch ungehört. Nicht anders erging es einer Petition von Studenten für Presse- und Redefreiheit Anfang März 1848, die letztlich mit ein Anlass für die Erstürmung des Landhauses am 13. März 1848 war und damit zum Ausbruch der Revolution in Wien führte.

Bereits einen Tag später erließ Kaiser Ferdinand I. ein neues Pressegesetz ohne Zensurbestimmungen, welches eine Flut von Druckwerken auslösen sollte. Dabei ließen die oft anonymen Autorinnen und Autoren ihrem aufgestauten Frust publizistisch freien Lauf und setzten die Aufhebung der Zensur mit vollständiger Presse- und Meinungsfreiheit gleich, weshalb bereits zwei Wochen später das Pressegesetz um ein Verbot von Schmähungen und Beleidigungen des Landesfürsten, seiner Familie, der Verwaltung und der Beamten, aber auch der Religion erweitert werden musste.

Anschläge und Flugzettel als "Fake-News"

Besonders unangenehm für die Staatsautoritäten wirkte sich die Verbreitung von Gerüchten via Maueranschläge und Flugzettel aus. So affichierte der für die öffentliche Ordnung verantwortliche Sicherheitsausschuss am 13. Juli eine Kundmachung, in der die Gerüchte über eine Entwaffnung der Nationalgarde in Olmütz, Brünn und Graz als "böswillige Erfindungen" bezeichnet wurden. Zusätzlich sah sich der Sicherheitsausschuss noch am selben Tag veranlasst, in einer Proklamation Maßnahmen gegen die "Verletzungen der öffentlichen Sittlichkeit, so wie die Aufreizung und Beunruhigung der Gemüter durch Plakate und Flugschriften" an die Bevölkerung Wiens anzukündigen.

Dies sollte wohl auch die Straßenkolportage in die Schranken weisen, welche durch die Pressefreiheit ebenfalls legalisiert worden war und aufgrund ihres Überhandnehmens bereits zum öffentlichen Ärgernis avancierte, wie ein zeitgenössischer Kommentar zeigt: "Das ärgerliche Übel dieser literarischen Krätze der Maueranschläge, Plakate und Straßenblätter erstickt nun (da weder die Regierung durch ein Pressgesetz noch die Sicherheitsbehörde durch eine normgebende Maßregel demselben steuert, wie auch längst der empörende Flugschriftenhandel auf der Straße hätte unterdruckt werden sollen) im eigenen Schmutze". (Der Österreichische Zuschauer vom 12. Mai 1848, S. 2.)

Dies sollte sich nach der Niederschlagung der Revolution schnell ändern: Bereits am 8. November war das "Aufrufen und der Verkauf von Zeitungsblättern und Flugschriften auf den öffentlichen Straßen und Plätzen" wieder aufs Strengste untersagt.

Revolutionara in der Wienbibliothek

Die Wienbibliothek im Rathaus verwahrt eine umfangreiche Flugblattsammlung zur Wiener Revolutionsgeschichte, die sich aus über 5000 verschiedenen Flugschriften zusammensetzt. Diese Amtsdruckschriften, kaiserlichen Patente, Revolutionslieder, Pamphlete, agitatorischen Schriften und Abbildungen wurden ursprünglich in Sammelmappen nach den Monaten des Revolutionsjahres abgelegt und als Konvolute, später nach den Regeln für die Alphabetische Katalogisierung als Einzelblätter, bibliografisch erschlossen.

Heute sind die Flugblätter über die Suchmaschine des Österreichischen Bibliothekenverbundes weltweit recherchierbar. In der Digitalen Bibliothek der Wienbibliothek können die Drucke zudem als Digitalisate angesehen und als PDF-Dokumente gespeichert werden. Dies erleichtert einerseits erheblich den Zugang zu den Beständen und trägt andererseits den bestandserhaltenden Anforderungen an Bibliotheken und Archive Rechnung, indem die fragilen historischen Zeitobjekte vor einer ständigen Manipulation bewahrt werden und fachgerecht archiviert werden können.

Foyer-Ausstellung

Einige dieser Flugblätter werden zur Illustration verschiedener Aspekte des Revolutionsjahres 1848 in einer kleinen Ausstellung im Foyer der Wienbibliothek im Rathaus von 18. Oktober 2018 bis 15. März 2019 gezeigt. Es gilt hier weniger die Geschichte, die Ereignisse, die Politik, die Gesellschaft und die sozialen Fragen zu interpretieren, als vielmehr die Herstellung und den Vertrieb dieser Druckerzeugnisse zu beleuchten.

Weiterführendes

Digitale Bibliothek: Flugschriften zur Revolution 1848

Archiv der Objekte des Monats 2018: