
Objekt des Monats Juli 2018: Dazu geben wir unseren Grillsenf - Gebrauchsgrafiker Gerhard Reuter
Das Grillen erfreut sich in Österreich nicht nur zu Zeiten einer Fußball-Weltmeisterschaft großer Beliebtheit. Marinierte Steaks und knackige Bratwürste sind heutzutage aus dem sommerlichen Speiseplan kaum mehr wegzudenken. Obwohl das Grillen zweifellos zu den Ursprüngen der menschlichen Speisezubereitung zählt, wurde es als Freizeitbeschäftigung in den USA der 1920er Jahre populär. Nach Europa schwappte die Euphorie fürs Grillen erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg über. Dieser Trend wurde nicht zuletzt durch George Stephens Erfindung des Kugelgrills befeuert, welcher aufgrund seiner kompakten Form und leichten Handhabung zum Standardgrill avancierte. Stephens verwendete dafür die Unterseiten zweier Bojen und startete 1952 in der Firma seines Vaters "Weber Brothers Metal Works" mit der Massenproduktion.
Firma Ed. Haas - Senf und PEZ
Rasch etablierten sich länderspezifische Vorlieben in punkto Zubereitung der Grillspeisen, der Beilagen und Soßen, die von den heimischen Industriebetrieben umgehend aufgegriffen wurden. Ab den 1960er Jahren begannen einige Nahrungsmittelerzeuger mit der Produktion von Grill-Senf. So auch die Firma Ed. Haas aus dem oberösterreichischen Traun, welche sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst einen Namen als Produzent von hochwertigem Backpulver machte und schließlich mit ihren Pfefferminzbonbons "PEZ" und dessen patentierten "PEZ-Spendern" weltweite Bekanntheit erlangte.
Gerhard Reuters Entwürfe
Mit der Gestaltung der ersten Grillsenftuben wurde der Wiener Grafiker Gerhard Reuter (1933, Jormannsdorf – 2014, Wien) beauftragt. Sein Erstentwurf dafür wird in der Wienbibliothek im Rathaus aufbewahrt. Interessanterweise hat sich das Design dieses Entwurfes im Wesentlichen bis heute kaum verändert. Einzig die Form eines Pilzes wurde im Lauf der Jahrzehnte stilistisch verändert und der Spieß um ein weiteres Fleischstück ergänzt. Gerhard Reuter arbeitete als selbstständiger Grafiker jahrelang für die Firma Ed. Haas und zeichnete auch für viele PEZ-Werbungen und -Verpackungen verantwortlich. Auch die unzähligen Buchcoverentwürfe, wie zum Beispiel für "Damals war ich 14", "Wohin der Adler fliegt" oder "Mann ohne Waffen" für den Verlag Jugend und Volk, stammten aus seiner Hand. Und besonders diese prägten sich visuell ins kollektive Gedächtnis mehrerer Generationen ein.
GebrauchsgrafikerInnen in der Wienbibliothek
Heute zeugen Gerhard Reuters Entwürfe für Buchumschläge, Plakate, Firmenlogos, Verpackungen, Briefpapiere und Werbegrafiken, Probedrucke und Kinderbuchillustrationen von seinem vielfältigen Beschäftigungsfeld und von seinem handwerklichen Können. Sein Nachlass, welcher unter der Signatur "ZPH 1758" in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek archiviert worden ist und auch schon zur Benützung zur Verfügung steht, stellt eine wertvolle Bereicherung zu den immer wieder erworbenen Sammlungen von Gebrauchsgrafiker/innen der 1950er bis 1970er Jahre, wie etwa Eva Völkel, Karl Reißberger und dem Pinkhouse-Studio, in der Wienbibliothek im Rathaus dar.
Archiv der Objekte des Monats 2018:
- Juni 2018: Brief von Hermann Nitsch an Edith Adam, New York 1968
- Mai 2018: Karl Marx in Wien
- April 2018: Zum 100. Todestag von Alexander Girardi
- März 2018: Die (mutmaßlich) erste Hakenkreuzfahne auf dem Wiener Rathaus
- Februar 2018: Briefwechsel zwischen Oskar Kokoschka und Otto Winter
- Jänner 2018: Todesurteil Johann Georg Grasel