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Objekt des Monats Dezember 2021: Eine U-Bahn für Wien

Eine U-Bahn für Wien, 1966, Cover, B-161271, Wienbibliothek im Rathaus

Vorgeschichte

Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Wien die ersten Ideen für eine U-Bahn, doch während andere vergleichbare Großstädte wie London, Budapest oder Paris den Schienenverkehr unter das Straßenniveau verlegten [1] sollte es in Wien noch mehr als ein Jahrhundert bis zur Umsetzung dauern. Im Rückblick stellt sich diese Verzögerung durchaus als Vorteil heraus, denn Wien hat eines der modernsten U-Bahn-Netze, das die großen stadtplanerischen Aspekte, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ergeben haben, mitberücksichtigt.

Das erste höherrangige kreuzungsfreie öffentliche Verkehrsnetz wurde mit der Stadtbahn und der Vorortelinie in der Ära Lueger in Wien errichtet. Mit der architektonischen Ausgestaltung beauftragte das zuständige Ministerium Otto Wagner, den Wiener Stararchitekten der vorletzten Jahrhundertwende. Die mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Verkehrsanlagen werden noch heute als Trassen für Teilstrecken der U-Bahnlinien 4 und 6 bzw. der S 45 genützt.

Die nächsten Jahrzehnte waren von wirtschaftlichen und politischen Krisen, den beiden Weltkriegen und dem Wiederaufbau geprägt, sodass der Bau einer U-Bahn lange Zeit kein Thema mehr war.

Die steigende Motorisierung in den Wirtschaftswunderjahren machte jedoch eine Entflechtung des öffentlichen und des Individualverkehrs notwendig. Da eine "echte" U-Bahn in den 1950er-Jahren zu kostspielig gewesen wäre, behalf sich die Stadt damit, Straßenbahnlinien in besonders verkehrsintensiven Bereichen wie dem Südtiroler Platz und der Strecke zwischen Secession und Landesgerichtsstraße ("Zweierlinie") unterirdisch zu führen. Doch waren diese Maßnahmen bald nicht mehr ausreichend.

Konkrete Planungen

Wie in der vorgestellten Broschüre "eine U-Bahn für Wien" ausgeführt wird, war Wien in den 1960er-Jahren auf dem Weg zur "Vollmotorisierung". Die Stadtplaner gingen davon aus, dass jeder Haushalt über ein Auto verfügen würde, was sowohl im ruhendem und dann wohl im nur noch zähfließenden Verkehr enorme Probleme verursacht hätte. Aber auch die am Stadtrand entstehenden Neubaugebiete verlangten eine Anbindung an effiziente öffentliche Verkehrsmittel. Deshalb wurde Mitte der 1960er-Jahre die Idee einer U-Bahn wiederaufgenommen und diesmal bis zum Abschluss verfolgt. Die Stadtverwaltung hat sich von Anfang an bemüht, die Wiener Bevölkerung einzubinden, wie eine Reihe von Publikationen, die alle in der Wienbibliothek vorhanden sind, beweist. Immerhin war der Bau der U-Bahn ein noch nie dagewesenes Großprojekt, das einerseits sehr kostenintensiv war und andererseits den Wienerinnen und Wienern durch alle Unannehmlichkeiten, die Baustellen mit sich bringen, wie Lärm, Staub und Umwege, den Alltag für Jahre unbequemer machten.

So schreibt der damalige Bürgermeister Bruno Marek im Vorwort zur Broschüre über den Planungsstand 1966: "Der Ausbau des Wiener U-Bahn-Netzes wird die Finanzen der Stadt jahrzehntelang belasten. Er wird das städtische Leben überhaupt wesentlich beeinflussen: Die Erkenntnis, daß der Gesamtverkehr einer Stadt nur durch hochleistungsfähige öffentliche Verkehrsmittel bewältigt werden kann, stellt sich als einzig mögliche Alternative der wachsenden Motorisierung entgegen." Im selben Text, lädt er die Bevölkerung ein, Kritik, Vorschläge und Anregungen einzubringen.

Die Publikation wurde von Dipl. Ing. Friedrich Pins, dem verantwortlichen Betriebsleiter für den Straßenbahn- und Stadtbahnbetrieb bei den Wiener Stadtwerken – Verkehrsbetrieben und Dipl.-Ing. Otto Engelberger, Oberstadtbaurat bei der Magistratsabteilung 18 (Stadt- und Landesplanung) verfasst. Für den Inhalt verantwortlich zeichnete Dr. phil. Helmut Krebs, der in der Stadtbauamtsdirektion die Schriftleitung der Zeitschrift "Der Aufbau" innehatte. Die bereits in dieser Schrift skizzierten Linienführungen wurden in weiten Teilen auch tatsächlich realisiert:

Das Grundnetz sollte aus vier Linien bestehen und die Möglichkeit zu weiteren Ausbauten bieten. Die Linie 1 sollte zunächst vom Praterstern über den Stephansplatz und Karlsplatz zum Reumannplatz führen, die Linie 2 vom Ringturm über die "Lastenstraße" unter Einbeziehung der Unterpflaster-Straßenbahn (USTRABA) über Karlsplatz und Rennweg nach St. Marx. Etwas nebulos scheint noch die Linienführung der U3 ("Ost-West-Durchmesser durch die Innenstadt") und für die Linie 4 schließlich sollte die Wientallinie der Stadtbahn genutzt werden.

Umsetzung

Am 26. Jänner 1968 war es dann so weit: Der Gemeinderat beschloss den Bau einer U-Bahn. In der Sonderreihe "RK – Wiener U-Bahn-Bau" berichtete der Presse- und Informationsdienst laufend über den Baufortschritt. Die ersten "erweiterten Testfahrten" mit Publikumsbeteiligung fanden bereits 1976 auf der U4-Strecke statt, am 25. Februar 1978 begann mit der Eröffnung der U1-Teilstrecke Karlsplatz – Reumannplatz offiziell das U-Bahnzeitalter in Wien.

[1] Z.b.  London 1863, Budapest 1896, Paris 1900

Links in den Katalog

Archiv der Objekte des Monats 2021

Eine U-Bahn für Wien, 1966, Vorwort von Bürgermeister Bruno Marek, B-161271, Wienbibliothek im Rathaus
Eine U-Bahn für Wien, 1966, USTRABA, B-161271, Wienbibliothek im Rathaus
Das öffentliche Verkehrsnetz 1966, Eine U-Bahn für Wien, 1966, B-161271, Wienbibliothek im Rathaus
Projektiertes öffentliches Verkehrsnetz nach dem U-Bahn-Bau, Eine U-Bahn für Wien, 1966, B-161271, Wienbibliothek im Rathaus