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Objekt des Monats September 2021: Albumblätter von Peter Hammerschlag

Albumblätter, Selbstkarikatur und Aphorismus, Peter Hammerschlag, HIN-248542, Wienbibliothek im Rathaus

Als Peter Hammerschlag am 13. September 1941 Shakespeares Hamlet zitierte und deshalb seinen zweiten Vornamen, der eigentlich Hermann lautete, in William änderte, leistete er wohl schon Zwangsarbeit im der Wehrmacht unterstehenden „Ersatzverpflegungsmagazin Wien – Leergutsammelstelle“. Auf dem Weg dorthin – und auf anderen Wegen durch die Stadt – dürfte er an diesem Samstag nicht sehr aufgefallen sein, denn die Polizeiverordnung zum Tragen des „Judensterns“, der die jüdische Bevölkerung anwies, in der Öffentlichkeit auf der linken Brustseite einen fest angenähten gelben Stern zu tragen, trat erst sechs Tage später in Kraft. Womöglich traf er noch immer Menschen, die Hammerschlag wegen des markanten Äußeren, der hohen Stirn und der Brille mit den runden Gläsern, als den einstigen Star des Wiener Kabaretts der Zwischenkriegszeit erkannten und ihn sogar baten, sich in ihrem Einschreibebuch mit einem blitzgedichteten Autograph und einer Selbstkarikatur zu verewigen.

Wem er den Wunsch auf diesen beiden hier gezeigten Blatt, die Anfang Juni 2018 in einem Wiener Auktionshaus ersteigert werden konnten, erfüllt hat, ist leider nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass er sich mit derlei schriftlichen Hinterlassenschaften in Gefahr gebracht hat, zumal er in seinem verzerrenden Porträt („Wie ich mich sehe“) nicht nur auf die eigene Abgerissenheit hinwies, sondern auch den allgemeinen Mangel an Rasierklingen aufs Korn nahm. Mit Blick auf den obligatorischen diffamierenden dritten Vornamen – „Israel“ – wird zudem deutlich, dass sich Hammerschlag der Gefahr durchaus bewusst gewesen sein dürfte. Aber er ging eben davon aus, dass es das Schicksal gut mit ihm meinen würde. So sprach er der vielleicht berühmtesten Frage der Weltliteratur – „To be or not to be?“ – schlicht den Status einer Frage ab („That’s never a question“) und reduzierte sie auf die Antwort „To be!“ Endgültig wider den Shakespeare’schen Ernst wandte sich Hammerschlags finale Gegenfrage: „Nowasdenn?“

Sein dichterisches und zeichnerisches Talent hatte Hammerschlag zu diesem Zeitpunkt also genauso wenig verloren wie seinen Humor. Letzteres verwundert jedoch insofern, als er mit seinen Eltern Hedwig und Viktor Hammerschlag unter der Adresse Salzgries 16 gemeldet war, einer jüdischen Sammelwohnung, unter der nicht weniger als 58 Namen gelistet werden. Der Sohn hatte, wie auch die Eltern, vergeblich nach England zu entkommen versucht. Zwar gelang es Hammerschlag, im Sommer 1938 nach Belgrad zu fliehen, allerdings wurde er schon am 30. November wieder ausgewiesen und musste nach Wien zurückkehren. Dort vermochte er der 1939 eröffneten Kleinkunstbühne „Wiener Werkel“ Texte beizusteuern; doch darüber, wie er sein Leben in diesen Monaten wirklich fristete, ist wenig bekannt. Sicher scheint lediglich, dass Hammerschlag unter dem Eindruck der Deportation seiner Eltern, die am 20. Juni 1942 nach Theresienstadt verschleppt wurden, wo sie später zu Tode kommen sollten, in die Illegalität abgetaucht ist und versuchte, mit Hilfe des Komponisten Alexander Steinbrecher als „U-Boot“ zu überleben. Zum Versteck seines Schützlings existieren unterschiedliche Versionen. Eine besagt, Hammerschlag sei in einer am Schwedenplatz gelegenen Dachkammer untergebracht worden. An anderer Stelle heißt es, er sei in der Villa Schmutzer in der Sternwartestraße untergekommen, in der laut Meldezettel aus dem Wiener Stadt- und Landesarchiv auch Steinbrecher selbst wohnte.

Wie dem auch sei: Es war keine gute Idee, das Versteck zu verlassen. Schon Geräusche, die den Nachbarn die Anwesenheit eines Bewohners verraten konnten, galt es tunlichst zu vermeiden. Das „U-Boot“ entschloss sich aber zum Auftauchen. Sein Freund Friedrich Torberg überliefert, dass Hammerschlag eines Sommerabends im Jahr 1942 seinen Bau verließ, um sich in einem Gasthaus Zigaretten zu besorgen. Die SA-Greifer, die seiner habhaft wurden, dürften ob der fehlenden Papiere leichtes Spiel gehabt haben. In der Liste, die den Transport nach Auschwitz dokumentiert, der Wien am 17. Juli 1942 verließ, ist Hammerschlag an Nummer 160 gereiht. Seine Ankunft im Konzentrations- und Vernichtungslager ist allerdings nicht nachgewiesen. Trotz der sonst überaus peniblen NS-Bürokratie verliert sich nach dem Deportationsdatum seine Spur. Es ist aber davon auszugehen, dass er bald nach Ankunft in Auschwitz der dort seit rund einem Jahr unerbittlich laufenden Vernichtungsmaschinerie zum Opfer fiel. Denn am 3. September 1941 waren in Auschwitz erstmals Menschen mit Zyklon B getötet worden. Zehn Tage, bevor Peter Hammerschlag die Frage „Sein oder Nichtsein?“ so beantwortet hatte: „Sein!“

Archiv der Objekte des Monats 2021