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Objekt des Monats Oktober 2020: „Hauer Practic“.

Ein Winzerkalender aus dem Jahre 1589

Johann Rasch "Hauer Practic, erster thail : Kalendar", Sig. A-12158, Wienbibliothek im Rathaus

„Land Osterreich, bist uberall (der Teutschen gmaines hospital) bekhant in alter löblichkait, trächtig von Saffran, Wein und Traid…“

Von Rebsorten wie Zierfandler, Zweigelt oder Gemischtem Satz konnte zwar noch lange nicht die Rede sein, als Johann Rasch (1540-1612) mit diesen Worten seinen Winzerkalender namens „Hauer Practic“ (1589) in einem kurzen „Lob auf Österreich“ abschloss. Aber auch damals schon war der Osten Österreichs für seine Weine bekannt, galt als bedeutende Weinbauregion und war einer der Hauptexporteure Mitteleuropas, namentlich donauaufwärts in den süddeutsch-bayrischen Raum.

So nimmt es auch nicht Wunder, dass der vielseitig begabte Autor Rasch – er trat nebenher noch als Kleriker, Mathematiker und Kalenderschreiber, Buchhändler und passabler Komponist in Erscheinung – die Ergebnisse seiner önologischen Forschungen zunächst in München publiziert hatte. Selbst gebürtiger Niederösterreicher, schielte er wohl auf den bayrischen Markt, wenn er den Vorläufer unseres Objekts des Monats Oktober 2020, sein berühmtes „Weinbuch“ (1580 und 1582), bei dem Druckerverleger Adam Berg in München herausbrachte. In dem Buch, das er dem Herzog von Bayern gewidmet hatte, begründete er dies unter anderem damit, dass „die hie zu Land [also in Österreich, Anm.] uns die Weingart arbait richten, am maisten Bayern sein, Schwaben welcher Jarlich gar vil zu uns herab fahren…“: Der österreichische Wein war also nicht nur Exportgut, dass die Donau hinauf geschifft wurde, er war auch Lebensgrundlage für Saisonarbeitskräfte, die zur Erntezeit aus Süddeutschland stromabwärts wanderten.

Wenige Jahre nach Erscheinen seines „Weinbuchs“ erachtete es Johann Rasch für angebracht, sein Wissen, das er sich von alten Weinbauern bzw. in der Bibliothek des Schottenstifts, wo er auch Orgel spielte, erworben hatte, zu komprimieren, auf österreichische Weinbauverhältnisse herunter zu brechen und in eine bündige, populäre Form zu gießen. Er verfasste also eine „Praktik“, einen volkstümlichen Kalender mit praktischen Handlungsanweisungen für das Arbeitsjahr. Entschieden trat er dabei schon vorweg der Kritik entgegen, dass er darin nichts als Aberglauben verbreite. Dem Katholiken Rasch, der dieses sein jüngstes Werk dem Probst von Klosterneuburg, damals wie heute einem der größten Weinherrn, widmete, saßen wohl schon beim Schreiben die protestantischen Kritiker im Ohr: Es musste ihm klar sein, dass in der aufgeheizten Stimmung der eben einsetzenden Gegenreformation kein gutes Haar an seinem Kalender gelassen würden, der ja nach dem neuen, katholisch-gregorianischen Kalender eingerichtet war und in dem Heilige wie Urban und Pankraz als Schutzpatrone des Weinbaus angerufen wurden.

Wie die meisten frühneuzeitlichen Kalender hatte auch diese Praktik nicht nur eine „aufklärerisch-belehrende“, sondern auch eine unterhaltsame Seite. So ist der bei Leonhard Nassinger in Wien im gängigen Quartformat erschienene Druck für seine Zeit überaus reich bebildert: nicht weniger als 22 verschiedene, zierliche Holzschnitte sind in der 20 Blatt starken Broschüre versammelt. Zwölf davon geleiten den Leser durch das Weinjahr: Der Weinmonat Oktober etwa zeigt die Arbeitsprozesse des Monats, von der Lese, über den Transport in der Rückentrage und das Weinstampfen bis hin zur Abfüllung in Fässer und deren Abtransport per Pferdefuhrwerk (Abbildung). Neben dem eingangs zitierten Lob Österreichs enthält der Band noch eine gereimte „Schlussred“ sowie – ebenfalls in Reimform – zwei Kapitel zu den Arbeitsabläufen im Weinjahr („Bestandbau“ und „Überbau“). Eine „Neue Zeitung“, deren Text auf eine Begebenheit aus dem Jahr 1568 zurückgeht und auch im „Weinbuch“ bereits enthalten war, erzählt von einem betrügerischen, flüchtigen Weinhauersgesellen und war wohl didaktisch gedacht; für uns Leserinnen und Leser von heute ist er vielleicht als einer der ältesten, mit Sicherheit aber witzigsten Belege für die Redewendung „jemandem einen Bären aufbinden“ interessant.

Das Exemplar der „Hauer Practic“ der Wienbibliothek im Rathaus ist ein Unikum, das sich in einem Kalender-Sammelband zu Johann Rasch (Sign. A-12158) erhalten hat und heute in der „Eisernen Kasse“, dem Zimelienschrank der Bibliothek, verwahrt wird. Hier finden Sie den Band in unserer digitalen Bibliothek.

Nachdem wir schon mit dem Objekt des Monats Oktober 2010 ein Augenmerk auf historische Weinbautechniken gelenkt und erst letztes Jahr mit hypertrophen Weintrauben den „stürmischen“ Herbst eingeläutet haben, möchten wir Ihnen auch heuer wieder mit dem Objekt des Monats 2020 einen weinkulinarischen Herbst wünschen.

Archiv der Objekte des Monats 2020: