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Objekt des Monats August 2020: Hundert Jahre Salzburger Festspiele

Programmbroschüre inkl. Unterschriften der 1. Salzburger Festspiele, Vorderseite, 1920, ZPH-1825

"Die Wahrheit ist, dass ich durch meine Anfängerzeit in Salzburg (um das Jahr 1895) mit der Stadt seit Jahrzehnten verbunden, kurz nach Beginn des Krieges die Idee der Salzburger Festspiele ausdachte und von diesem Augenblick an eigentlich unablässig verfolgte". Auf diese Art widersprach Max Reinhardt in einem typischen Arbeitsbrief, den er am 7. Oktober 1937 an Bord der SS Normandie für seine rechte Hand Gusti Adler formulierte, etlichen, den politischen Entwicklungen geschuldeten gegnerischen Täuschungsmanövern, die seine Rolle am Zustandekommen des heute weltweit bedeutendsten Festivals für klassische Musik und darstellende Kunst marginalisieren sollten.

Nach der Erwerbung von Schloss Leopoldskron im Jahr 1918, wo Reinhardt seine Sommer zu verbringen pflegte, nahmen diese Gedanken allmählich Gestalt an. Gemeinsam mit Hugo von Hofmannsthal plante der Theaterimpresario – wie immer – in großen Dimensionen und entwickelte die Idee, die ganze Stadt in die Festspiele einzubinden und zur Bühne zu machen. Neben den bekannten Spielstätten wie der Kollegienkirche oder der Winter- und der Sommerreitschule rückte vor allem der Domplatz ins Zentrum des Interesses. Hier sollte Hofmannsthals Mysterienspiel „Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ in einer Neufassung gegeben werden. Die eigentliche Uraufführung des Stücks hatte bereits am 1. Dezember 1911 im Berliner Zirkus Schumann stattgefunden, selbstverständlich unter der Regie von Max Reinhardt. Der Salzburger „Jedermann“ ging am 22. August 1920 erstmals über die Bühne. Wie akribisch Autor und Regisseur an der Inszenierung, deren alljährliche Wiederaufnahme indessen zum Markenzeichen der Festspiele geworden ist, und an ihrer Besetzung gefeilt, ja wohl auch darüber gestritten haben, macht ein Brief Hofmannsthals an Gusti Adler vom 20. Juli 1920 klar. Darin heißt es: „Sollten Sie bald Gelegenheit haben, ihn [MR] zu sprechen, so bitte bringen Sie Folgendes vor: dass mich bezüglich der Besetzung von Jedermann alles befriedige bis auf den leidigen Punkt, dass nun abermals den Teufel ein Charakterschauspieler geben soll an Stelle eines Komikers; wenn auch ein sehr guter Charakterspieler, nämlich Kraus[s]. Der Teufel ist nun aber einmal der Hanswurst und gar in einer naiveren Sphäre wie es das katholische und ländliche Salzburg ist“.

Das hier abgebildete Programm samt der elf Signaturen prominenter Akteure der Premiere lässt keinen Zweifel: Alle Einwände des Autors gegen die Besetzung des Teufels mit Werner Krauss blieben ohne Erfolg. Reinhardt überließ dem Schauspieler sogar eine Doppelrolle, denn Krauss übernahm sowohl den „Tod“ als auch den „Teufel“. Als „Jedermann“ brillierte Alexander Moissi, der diese Figur bis 1931 verkörperte. Auch Johanna Terwin, die „Buhlschaft“, setzte ihr Autogramm auf das Blatt. Sie blieb bis 1925 im Amt. Gleich unter Moissi verewigte sich besagter Werner Krauss – trotz zweier Rollen nur einmal. Es folgen Wilhelm Dieterle („Guter Gesell“), Frida Richard („Mutter“), Fritz Richard („Armer Nachbar“), Emil Rameau („Schuldknecht“) und unten links Hedwig Bleibtreu („Glaube“). Darüber sieht man die Signatur von Helene Thimig („Gute Werke“), der Lebensgefährtin und späteren zweiten Gattin des Regisseurs, dessen Namenszug an zweiter Stelle von oben rangiert. Einzig die Eröffnungsunterschrift von Wilhelm Diegelmann gibt Rätsel auf, denn dieser war erst im Jahr darauf als „Dicker Vetter“ im Salzburger „Jedermann“ zu sehen. Aber womöglich hatte sich der Kollege unter die interessierten Premierenzuschauer gemischt.

Ein Blick in die Dramatis Personae belehrt, dass auf der Broschüre, die die Wienbibliothek im Rathaus Anfang Juni 2020 nach intensivem Bietergefecht beim Dorotheum ersteigern konnte, von den ganz berühmten Schauspielern der Salzburger Erstaufführung lediglich die eigenhändige Unterschrift von Heinrich George fehlt. Das schmälert freilich kaum die Bedeutung dieses durch die Signaturen unikal gewordenen Drucks, dessen Äußeres an die Holzschnitte gemahnt, die den Stücken des Meistersingers Hans Sachs im 16. Jahrhundert beigegeben wurden.

 

Archiv der Objekte des Monats 2020:

Programmbroschüre inkl. Unterschriften der 1. Salzburger Festspiele, Rückseite, 1920, ZPH-1825