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„Sonst versäumen Sie was“!

Albert Drach zum 120. Geburtstag

Einladung zu einer Lesung Albert Drachs aus „Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum“ am 22. Oktober 1964, beworben von Heimito von Doderer. Wienbibliothek im Rathaus, H.I.N. 249524

Kürzlich haben wir ein dreiteiliges Korrespondenzstück aus der Feder Heimito von Doderers erworben, das mit Nachdruck auf einen wichtigen Termin im Wiener Literaturkalender des Jahres 1964 hinweist. Es gibt uns die Gelegenheit, an einen großen Autor der österreichischen Nachkriegsliteratur zu erinnern: Albert Drach, vor 120 Jahren am 17. Dezember 1902 in Wien geboren, gestorben 1995 in Mödling, wo sich der nach seiner Familie benannte Drach-Hof befindet.

Vom Talent zur Sensation in 45 Jahren

Albert Drach galt im Wien der Ersten Republik als vielversprechendes Talent, nachdem er als 17-jähriger mit dem Gedichtband „Kinder der Träume“ (Amalthea 1919) die literarische Bühne betreten hatte. Es folgten bis 1938 vereinzelte Publikationen in Zeitungen sowie Autoren- und Schauspielerlesungen seiner Texte; der Durchbruch wollte aber – neben juristischer Ausbildung und Tätigkeit als Anwalt – nicht gelingen. Dennoch arbeitete Drach beharrlich an seinem Werk, selbst im Exil in Frankreich, das er als Jude unter den gefährlichsten Umständen überlebte.

Drachs literarisches Gewicht

Nach dem Krieg zögerte die ablehnende Haltung der Verlage die Entdeckung des Schriftstellers Drach noch bis ins Jahr 1964 hinaus. Dann aber wurde er für seinen Debütroman „Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum“ als Sensation gefeiert. Das literarische Gewicht Albert Drachs blieb dem damals berühmtesten österreichischen Romancier, Heimito von Doderer, nicht verborgen. Und so empfahl Doderer dem Bibliothekar Walter Grossmann angesichts eines anstehenden Wienbesuchs im Oktober 1964: „Sie sollten schon am 22. hier sein – sonst versäumen Sie was“! Der Briefkarte in typisch mehrfarbiger Handschrift legte Doderer eine Einladung bei, deren Eckdaten er mittels dickem Rotstift markierte: Albert Drach las am 22. Oktober 1964 in der traditionsreichen Buchhandlung J. Berger am Kohlmarkt aus dem „Großen Protokoll gegen Zwetschkenbaum“.

Heimito von Doderer, Briefkarte an Walter Grossmann, Wien 19.10.1964. Wienbibliothek im Rathaus, H.I.N. 249524


 

 

 

 

Umschlag zu Doderers Briefkarte an Walter Grossmann. Wienbibliothek im Rathaus, H.I.N. 249524


Aufforderung zum kritischen Lesen

Das Publikum war sicherlich gespannt, als „Wiens ältester junger Dichter“, wie Drach von einem Kritiker genannt wurde, im Saal der Buchhandlung J. Berger seinen Platz einnahm. „In dem sehr zweifelhaften Schatten eines sogenannten Zwetschkenbaumes saß ein Mann, der hieß auch Zwetschkenbaum, aber er war es nicht.“ So beginnt „Das große Protokoll“ gegen einen galizischen Juden, der aufgrund eines vermeintlichen Obstdiebstahls in die Mühlen von Exekutive und Justiz gerät. Der „sehr zweifelhafte Schatten“ gibt die Linie des Drach’schen Erzählens vor. Es ist bis in die Details darauf angelegt, Misstrauen und Widerstand gegen das Erzählte zu wecken, und damit eine ständige Aufforderung zum kritischen Lesen. Dem gesamten künstlerischen Programm Albert Drachs kann man sich mit der zehnbändigen Studienausgabe annähern, die bis auf einen Band vollständig vorliegt.

Literatur

  • Gerhard Hubmann: „Bis hierher und nicht weiter“. Textkritische, gattungs- und rezeptionsgeschichtliche Anmerkungen zu Albert Drachs „Amtshandlung gegen einen Unsterblichen“. In: Susanne Eichhorn u.a. (Hg.): Aufgehoben? Speicherorte, -diskurse und -medien von Literatur. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017, S. 229–246
  • Michael Rohrwasser: Stachel der Lektüre. Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum. In: Klaus Kastberger / Kurt Neumann (Hg.): Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945. Wien: Zsolnay 2007 (= Profile. Magazin des österreichischen Literaturarchivs 14), S. 240–248
  • Eva Schobel: Albert Drach. Ein wütender Weiser. Salzburg, Wien, Frankfurt a. M.: Residenz 2002

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