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Objekt des Monats Juli 2013: Schwimmkunst für Menschenfreunde

Der philantropische [!] Schwimmmeister, oder: gründlicher theoretisch-praktischer Unterricht in der edlen Schwimmkunst. Wienbibliothek, Druckschriftensammlung, A-323256

"Ach, kann es eine größere Wonne, eine größere Lust wohl geben, als am Abende eines von Sonnengluth verzehrten Tages, nach vollbrachter Schwimmübung im Grünen zu lustwandeln, sich gleichsam neu geboren in dieses Erdenrund, in Gottes freye Natur versetzt zu fühlen !?"

Was nach einem Stoßseufzer aus dem sommerlichen Büro klingt, stammt aus der Einleitung des Schwimmlehrbuchs "Der philantropische [!] Schwimmmeister, oder: gründlicher theoretisch-praktischer Unterricht in der edlen Schwimmkunst" (der Rechtschreibfehler auf dem Titelblatt war dem Lektor übrigens tatsächlich entgangen) aus der Feder des ungarischen Kanzleibeamten und Schwimmpioniers Carl Csillagh, das dieser im Jahr 1841 bei Johann Nepomuk Fridrich in Wien publizierte.

Über den Autor ist wenig bekannt; auf dem Titelblatt seiner Schwimmschule bezeichnet er sich als "Concepts-Praktikant bei der kgl. ungar. Hofkanzlei, beeideter ungar. Landes- und Gerichts-Advokat, und diplomierter Schwimmer von der k. k. Militär-Schwimmanstalt zu Pest". Daneben könnte er auch mit einem Lateinlehrer und Komponisten geistlicher Musikwerke gleichen Namens identisch sein, der neben anderen Werken eine "Aesthetik der Tonkunst" (1854) hinterließ. In seinem Buch gibt Csillagh praktische Tipps für die richtige Vorbereitung, das Trockentraining, Dauer- und Intensität der Trainingseinheiten sowie Hinweise für Rettungsschwimmer.

Kopfsprünge, das Tauchen, Tänze und Purzelbäume im Wasser werden ebenso behandelt wie das Schwimmen bei Strömung, wobei Csillagh auf Seite 19 auch über seine eigenen Erlebnisse in der Preßburger Donau zu berichten weiß. An Schwimmstilen wurde zu Csillaghs Zeiten fast ausschließlich das Brustschwimmen gelehrt; daneben erklärt Csillagh aber auch die Technik des Rückenschwimmens (sog. Altdeutsch-Rücken) sowie die "italienische Schwimmart", offenbar eine Vorform des Kraulens, die besonders bei Wellengang empfohlen wird. Das moderne Kraulen war zu Csillaghs Zeiten auf dem Kontinent noch völlig unbekannt und galt auch später - vor allem aufgrund seiner nordamerikanisch-indianischen Wurzeln – noch lange als unfein.

Philanthropisch war an dem "Schwimmmeister" vor allem der "zivile" Zugang Csillaghs zum Thema Schwimmen, das in jener Zeit gemeinhin noch vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Ertüchtigung und militärischen Nützlichkeit gesehen wurde. Doch auch dieser Blick auf die Nützlichkeit des Schwimmens war nicht immer eine Selbstverständlichkeit. In der Frühen Neuzeit war die Fähigkeit zu schwimmen noch sehr wenig verbreitet und der Tod im Wasser dementsprechend häufig; in Christian Heinrich Spieß' Prosa "Biographien der Selbstmörder" (1785) beispielsweise ist der Sturz ins Wasser eine der häufigsten Suizidarten. Die schlechten Schwimmkünste waren jedoch kein mitteleuropäisches Spezifikum. Überraschenderweise konnten auch in den europäischen Küstenlandschaften nur die wenigsten schwimmen. Selbst unter Matrosen gab es viele Nichtschwimmer: angeblich wurden diese sogar bevorzugt angeheuert, da man davon ausging, dass Nichtschwimmer ihr Schiff im Ernstfall besser verteidigen würden. So häufen sich in der Frühneuzeit denn auch die Berichte, dass Matrosen nur deshalb ertranken, weil sie von Bord ins ruhige Hafenbecken stürzten. Mit der Aufklärung änderte sich der Blick auf die Bedeutung des Schwimmens. In Österreich, das 1797 ja auch das Erbe der Mittelmeergroßmacht Venedig angetreten hatte, fällt der Initialfunken für einen systematischen Schwimmunterricht in die Zeit der Napoleonischen Kriege, als man mit Verblüffen feststellte, dass französische Soldaten bei der Belagerung Wiens 1809 mehrfach die Donau durchschwommen hatten, woraus großer strategischer Nutzen gezogen wurde. Das Schwimmen wurde nun auch in Österreich zum festen Bestandteil der Rekrutenausbildung: schon 1810 wurde die erste Militärschwimmschule in Prag errichtet, 1813 folgte die k. k. Militärschwimmschule im Prater sowie zahlreiche vergleichbare Institutionen in den Provinzhauptstädten. Auch an entsprechenden Publikationen zur Theorie des Schwimmunterrichts fehlte es keineswegs. Vergleichsweise langsamer kam das Schwimmen als Freizeitvergnügung in Mode. Zentrum des frühen Schwimmsports war - wie könnte es anders sein – Großbritannien; es ist sicher kein Zufall, dass sich die bislang bekannten Exemplare unseres "philanthropischen Schwimmeisters" in englischen Bibliotheken befinden. Und schließlich versuchte sich auch die "furchtsame Damenwelt an den, früherer Zeit bloß im Monopol der abgehärteten Männer sich befindenden Schwimmübungen", wie Csillagh sich pointiert ausdrückt.

Wie auch immer, Csillaghs Ziel war nicht, ein umfassendes Kompendium oder gar normatives Lehrwerk des Schwimmens vorzulegen, was ihm auf den 43 Seiten des Bändchens auch kaum gelungen wäre. Vielmehr gedachte er, wie er in der Einleitung schreibt, "einige noch wenig gekannte Vortheile und Kunstgriffe Schimmliebhabern an die Hand zu geben"; im Übrigen aber - ganz philanthropischen Traditionen verhaftet - "dem Weisen immer noch Raum genug des Selbstdenkens" zu überlassen: Sapienti pauca!

Das Buch finden Sie im Volltext in der digitalen Bibliothek: Der philantropische [!] Schwimmmeister.

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