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DIE HOCHZEIT VON AUSCHWITZ. Der Nachlass des Widerstandskämpfers Rudolf Friemel (1907–1944)

AUSSTELLUNG anlässlich der Übernahme des Nachlasses Rudolf Friemel durch die Wienbibliothek im Rathaus

Hochzeitsfoto Margarita Ferrer Rey und Rudolf Friemel, 18. März 1944 © Wienbibliothek im Rathaus, Nachlass Rudolf Friemel

Obwohl der Wiener Rudolf Friemel (1907–1944) zu den herausragendsten österreichischen Auschwitz-Häftlingen zählte und seine Biografie ein wichtiges Zeugnis des politischen Engagements gegen den Faschismus ist, war seine Geschichte lange nur wenigen bekannt. Erst 2002 wurde seiner Person durch Erich Hackls Buch »Die Hochzeit von Auschwitz. Eine Begebenheit« eine breite öffentliche Wahrnehmung zuteil. Vor kurzem wurde der Nachlass Friemels an die Wienbibliothek im Rathaus übergeben: Eine Ausstellung erinnert nun mit den wichtigsten Briefen, Fotografien und Lebensdokumenten an den kommunistischen Widerstandskämpfer.

»Dank der Recherchen des kuratorisch-wissenschaftlichen Teams der neuen österreichischen Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau gelangt eine Reihe von Dokumenten zum Leben von Rudolf Friemel in den Bestand der Wienbibliothek im Rathaus. Sie dokumentieren nicht nur die Hochzeit von Rudolf Friemel und Margarita Ferrer Rey – eine einmalige Begebenheit in der Geschichte von Auschwitz –, sondern zeugen auch von einer der letzten Inszenierungen nationalsozialistischer Gewalt und Willkür«, betont Bürgermeister Michael Ludwig.

Im Zuge der Neugestaltung der österreichischen Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau stieß das Ausstellungsteam über die Vermittlung des Schriftstellers Erich Hackl auf Rudolf Friemels in Frankreich lebenden Enkelsohn Rodolphe Friemel, der den Nachlass seines Großvaters verwahrte. Er überantwortete ihn 2018 der Wienbibliothek im Rathaus, die nun in einer von Albert Lichtblau, Hannes Sulzenbacher und Barbara Staudinger kuratierten Ausstellung die wichtigsten Briefe, Fotografien, Zeitungsartikel, Kassiber und Lebensdokumente zeigt. In der Broschüre zur Ausstellung zieht Hackl, der für sein Buch zehn Jahre mit der Lebensgeschichte Rudolf Friemels befasst war, Bilanz: »„Die Hochzeit von Auschwitz“ hat mich in meiner Auffassung bestärkt, dass die größte, jedenfalls nachprüfbare Wirkung von Literatur (einer auf Fakten gestützten, also politisch eingreifenden) auf diejenigen abzielt, von denen sie handelt.«

ANTIFASCHISTISCHER WIDERSTAND IN ÖSTERREICH UND SPANIEN

Der Wiener Rudolf Friemel wurde 1926 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) sowie ihrer paramilitärischen Organisation Republikanischer Schutzbund. Aufgrund der Teilnahme an den Kämpfen gegen das austrofaschistische Regime wurde er Ende 1934 verhaftet. Nach der Inhaftierung trat er 1936 der in Österreich verbotenen Kommunistischen Partei bei und nahm als Brigadist 1937 am Spanischen Bürgerkrieg teil. In dieser Zeit verliebte er sich in Margarita Ferrer Rey (1916–1987). Friemel war damals noch mit einer Wienerin verheiratet und hatte einen Sohn, Norbert (1932–2013). In Spanien ließ er sich mit Margarita Ferrer Rey kirchlich trauen.

Nach der Niederlage des antifaschistischen Kampfes in Spanien flohen Friemel und Ferrer Rey 1939 aus Spanien nach Frankreich, wo Friemel interniert wurde. Er leistete als Bergarbeiter Arbeitsdienst in einer Mine in Carmaux. 1941 wurde ihr gemeinsamer Sohn Edouard geboren.

Auf Empfehlung der Kommunistischen Partei an ihre Mitglieder stellte Friemel im Sommer 1941 einen Antrag zur Rückstellung ins Deutsche Reich. Dies stellte sich als schwerer Fehler heraus, da die französischen Behörden bereits an der Grenze Rudolf Friemel, Margarita Ferrer Rey und Edouard der Gestapo übergaben. Friemel wurde in Wien erkennungsdienstlich erfasst und im Jänner 1942 in das KZ Auschwitz (Stammlager) überstellt. Marga und ihr Sohn wurden in ein Heim für ledige Mütter nach Kirchheim unter Teck verbracht.

HOCHZEIT UND HINRICHTUNG IN AUSCHWITZ

Im KZ Auschwitz arbeitete Rudolf Friemel als sogenannter »Funktionshäftling« als Mechaniker in der Fahrbereitschaft der SS. Als politischer Häftling war es ihm erlaubt, regelmäßig – zensurierte – Briefe nach Hause zu schicken, die ein Teil der Ausstellung sind.


Brief von Rudolf Friemel an Margarita Ferrer Rey, 17. Oktober 1943 © Wienbibliothek im Rathaus, Nachlass Rudolf Friemel

Friemel schloss sich im KZ der österreichischen Widerstandsgruppe an, die eine wichtige Rolle in der international zusammengesetzten »Kampfgruppe Auschwitz« einnahm, und der u. a. auch andere Österreicher wie Heinrich Dürmayer, Alfred Klahr, Hermann Langbein, Ludwig Soswinski, Ernst Burger und Ludwig Vesely angehörten. Wegen seiner französischen Sprachkenntnisse war Friemel wichtig für die Kontakte zur französischen Widerstandsgruppe.

Seine erste Ehe wurde 1941 rechtskräftig geschieden und bereits kurz nach seiner Inhaftierung verfolgte Rudolf Friemel den Plan, seine Ehe mit Margarita Ferrer Rey legalisieren zu lassen, um ihr und seinem Sohn einen rechtmäßigen Aufenthalt im Deutschen Reich zu verschaffen. Seine Bemühungen hatten Erfolg: Aus nicht nachvollziehbaren Gründen durften Friemel und Ferrer Rey am 18. März 1944 im sonst ausschließlich für das Ausstellen von Totenscheinen zuständigen Standesamt des KZ Auschwitz-Birkenau heiraten. Es war die einzige im KZ Auschwitz geschlossene Ehe.


Telegramm des Standesamts Auschwitz, 6. März 1944 © Wienbibliothek im Rathaus, Nachlass Rudolf Friemel

Neben der Braut und dem gemeinsamen Sohn Edouard durften auch der Vater und der Bruder des Bräutigams zur Zeremonie nach Auschwitz kommen. Für die Hochzeit durfte sich Rudolf Friemel die Haare wachsen lassen und Zivilkleidung tragen. Davon zeugen die Hochzeitsfotos, die der Lagerfotograf Wilhelm Brasse anfertigte und die ebenso in der Ausstellung zu sehen sind wie Glückwunschbilletts und ein Hochzeitsgedicht von Mitgefangenen. Für die Hochzeitsnacht wurde dem Brautpaar ein Zimmer im ersten Stock des Blocks 24a, dem Lagerbordell, zur Verfügung gestellt.

   
Glückwunschbilletts von Mithäftlingen, 18. März 1944 © Wienbibliothek im Rathaus, Nachlass Rudolf Friemel

Im Oktober 1944, wenige Monate vor der Befreiung von Auschwitz half Friemel bei den Vorbereitungen für einen vom Lagerwiderstand organisierten Fluchtversuch einiger Häftlinge. Der Fluchtversuch scheiterte und Friemel wurden wegen »Fluchtbegünstigung« gemeinsam mit den österreichischen Widerstandskämpfern Ernst Burger und Ludwig (Vickerl) Vesely sowie den polnischen Widerstandskämpfern Piotr Piąty und Bernard Świerczyna am 30. Dezember 1944, nur knapp ein Monat vor der Befreiung, in Anwesenheit der zu diesem Zeitpunkt noch verbliebenen Häftlinge gehängt. Im Gegensatz zu den anderen Delinquenten, die Häftlingskleidung trugen, schritt Friemel in seinem mit Rosen bestickten Hochzeitshemd zum Galgen.

Mithäftlinge erinnerten sich später an unterschiedliche Parolen, die die Verurteilten unmittelbar vor der Hinrichtung gerufen haben. In einem Interview mit Franz Danimann, der wegen seiner kommunistischen Widerstandstätigkeit von 1942 bis zur Befreiung im Stammlager inhaftiert war, heißt es: »Und noch unter dem Galgen haben sie ihre gefesselten Hände gehoben. Ernst Burger, … ‚Es lebe ein freies Österreich!‘ Rudi Friemel, ‚Nieder mit der braunen Mordpest!‘ Und [Vickerl] Vesely, … ‚Heute wir, morgen ihr!‘ Und die Polen in ihrer Sprache: ‚Niech żyje wolność, niech żyje Polska.‘ Es lebe die Freiheit, es lebe Polen!«

Ein Abschiedsgedicht von Rudolf Friemel an seinen Sohn Edouard ist in einer Abschrift von Margarita Ferrer Rey erhalten. In diesem appelliert er an den Sohn: »Folge dem Weg / deines Vaters / Mit jeder Faser deines Willens. / Fest und kompromisslos. / Kämpfe, wie dein Vater gekämpft hat. / Für unsere Idee / und den Fortschritt der Menschheit. / Dieser Weg ist hart: / Aber das Ziel lohnt den Einsatz / Des Menschen, der du sein musst.« (Übersetzung aus dem Spanischen: Erich Hackl)

Im Nachlass findet sich eine Abschrift von Rudolf Friemels letztem Brief, der abrupt endet: »Ich habe meine Aufgabe vollständig beendet, ich sterbe standhaft für meine heilige Sache. Die wird siegen, weil sie die Idee der Menschheit ist und deren Fortschritt. Nur ist es schwer sehen schon die Menschheit gerettet von Leiden so nah und doch nicht können uns erreichen und teilnehmen an den Neuaufbau der Welt und gemeinsam mit Euch genießen das Ergebnis vieler Menschenopfer.«

Ausstellungseröffnung

Donnerstag, 30. Juni 2022, 18.30 Uhr
**Hybrid**Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus**

Foyer-Ausstellung, Wienbibliothek im Rathaus
1., Rathaus, Eingang Felderstraße, Stiege 6, Glaslift, 1. Stock, T: +43 (0)1 4000 84915
Montag bis Freitag, 9.00 bis 19.00 Uhr, Eintritt frei
Sommerschließzeiten: Vom 1. bis 19. August ist die Ausstellung nach Voranmeldung zu besichtigen.
Führungstermine zur Ausstellung hier.

Ausstellungskurator*innen: Hannes Sulzenbacher, Albert Lichtblau, Barbara Staudinger
Ausstellungsgrafik: Tatjana Gram-Krebs, Studio Krebs
Ausstellungsarchitektur: Sanja Utech, Irina Koerdt / koerdtutech

Kooperationspartner*innen:
Zukunftsfonds der Republik Österreich
Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus

Nähere Informationen:

Mehr Informationen und honorarfreies Bildmaterial als Download hier.

Links

Presseaussendung: Die Hochzeit von Auschwitz - Der Nachlass des Widerstandskämpfers Rudolf Friemel (1907–1944) (PDF)

Pressekontakt und Bildmaterial-Anfragen:

vielseitig ||| Mag.a Valerie Besl
t: +43 1 522 4459 10, m: +43 664 8339266, valerie.besl@vielseitig.co.at

Wir bitten Sie, im Rahmen Ihrer Berichterstattung auf das jeweilige Projekt der Wienbibliothek im Rathaus und/oder die Wienbibliothek im Rathaus hinzuweisen.