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Objekt des Monats September 2019: 150. Geburtstag von Felix Salten und 80 Jahre Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

Kriegsausbruch zum 70. Geburtstag von Felix Salten

Felix Salten: Taschenkalender für das Jahr 1939. WBR, HS, Nachlass Salten, ZPH 1681.

Nur ein knappes halbes Jahr durfte sich Felix Salten, der Hitlers Wien erst am 7. März 1939 in Richtung Schweiz verlassen hatte, im Züricher Exil sicher fühlen. Immerhin vermochte er in dieser Zeit mit "Bambis Kinder" die Fortsetzung des bis heute berühmten Romans "Bambi" abzuschließen, deren Erlöse in Dollar und Franken ihn und seine Familie fürs Nötigste über Wasser hielten. Aber bald schon gab es erneut schlechte Nachrichten. "Krieg!", heißt es am 1. September 1939 im Taschenkalender. "Wir hören die Hitlerrede (??) / Generalmobilisierung in der Schweiz / Frankreich, England ?? / Besorgnis, ob Frankreich in die Schweiz eindringen will, von mir nicht geteilt."

Diese Zuversicht klingt ein bisschen wie das Pfeifen im Walde, denn hätte man sich in der Schweiz wirklich keine Gedanken zu machen brauchen, würden die Eidgenossen kaum die Mobilisierung veranlasst haben. Dass sich zu diesem Zeitpunkt alle Welt große Sorgen machte, zeigen zahllose Zuschriften, die Felix Salten knapp nach Hitlers Überfall auf Polen erreichten. Denn Salten, der am 6. September 1869 in Pest geboren worden war, beging nur fünf Tage später seinen 70. Geburtstag. Selbstverständlich wurden die aus allen erdenklichen Himmelsrichtungen eintreffenden Glückwünsche vom Kriegsausbruch überschattet. Häufig versuchten die Gratulanten wenig überzeugend von den Geschehnissen abzulenken, wie Hans Müller-Einigen, der Bruder des Schriftstellers Ernst Lothar, der am 4. September 1939 schrieb: "Vergessen Sie ein paar Stunden lang das Grauen; überblicken Sie in ruhiger Genugtuung Ihr grosses, unvergängliches Lebenswerk! Daraus werden Sie Kraft schöpfen zu neuen Dichtungen; und diese Dichtungen werden mehr bedeuten als das furchtbare Geschrei, als das Hassgebrüll der Demagogen. Gott schütze Sie!"

Der Krieg in Saltens Notizen

Dieser Zuruf schien angesichts der dramatischen Lage mehr als angebracht. "Schlechte Nachrichten vom Krieg!", liest man bei Salten am 19. September 1939. Tags darauf heißt es etwas hoffnungsvoller: "Gestern Hitler-Rede im Westen wirkungslos / Heute Nachrichten über die heroische Verteidigung d. Polen". Doch damit dürfte Salten einer Falschmeldung aufgesessen sein – die polnische Führung war bereits nach Rumänien geflohen und dort interniert worden. Die allgemeine Ratlosigkeit der Welt über das Stillhalten der Briten und Franzosen spiegelt sich auch in den Briefen an Salten wider.

Der Verleger Gottfried Bermann Fischer versuchte am 27. September 1939 die Situation zu analysieren, ohne Salten zu beunruhigen – doch Zuversicht klingt anders: "Mittlerweile hat man sich aber auch an das Warten etwas gewöhnt und die Hauptsorgen richten sich auf die Frage der Neutralität, in erster Linie Hollands u. der Schweiz. Eine Verletzung dieser Neutralität dürfte, abgesehen von vielem anderen, auch strategisch sich so ungünstig für D. auswirken, dass ich nicht recht daran glaube, obwohl man auf alles gefasst sein muss. – Wenn man nur sähe, wohin das Zögern und das Schweigen der Alliierten eigentlich zielt. Es lässt sich absolut kein Vers darauf finden."

Ist die Neutralität des Exillandes Schweiz bedroht?

Bekanntlich folgte dem Zusammenbruch Polens der Drôle de Guerre, dessen trügerischer Stillstand nicht nur Salten zu täuschen vermochte. "Ich lebe hier in Zürich sehr ruhig", teilte er Lincoln Schuster am 7. November 1939 mit, der einen Hälfte des namhaften Verlegerduos "Simon & Schuster" aus New York. "Die Aufregung, es könne die Neutralität der Schweiz gebrochen werden, habe ich nie geteilt. Jetzt, da Mussolini besonders und nachdrücklich auf die Wichtigkeit der Schweizer Neutralität hingewiesen hat, ist wieder allgemein einige Beruhigung eingetreten." Doch uns Nachgeborenen wird das dünne Eis der Aussage schnell deutlich, auf das sich schon die Österreicher begeben hatten, als sie Mussolini zum Garanten für das Bestehen ihres Staates erkoren.

Am 30. November 1939 marschierte zudem die Rote Armee in Finnland ein – ein Konfliktherd, der im an Konfliktherden nicht armen Europa zu neuerlicher Beunruhigung führte. Dies vor allem bei Saltens gesundheitlich angeschlagener Frau Ottilie, wie er am 26. Dezember 1939 der nach Schweden geflohenen Hedwig Fischer, Witwe des Verlegers Samuel Fischer, schilderte: "Solange die Schweizer Neutralität nicht gebrochen wird, leben wir hier ziemlich ruhig, wenn auch durch die permanente Unsicherheit etwas nervös. Ottis Befinden ist infolgedessen mehr als labil. Sie nimmt an jedem Ereignis, nimmt an dem finnländischen Schicksal solchen Anteil, dass sie schlaflose Nächte verbringt, wodurch sie natürlich noch mehr herunterkommt."

Archiv der Objekte des Monats 2019:

Felix Salten: Taschenkalender für das Jahr 1939. WBR, HS, Nachlass Salten, ZPH 1681.