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Die Tagebücher Julius Tandlers: Ein Schlüsseldokument der späten Zwischenkriegszeit | 26.11.2024

Aus der Forschungswerkstatt

Julius Tandler im-Zug 1935-36, aus: Nachlass Bill Tandler (hier Foto von: Katrin Pilz 2018), heute in: Wienbibliothek und Wien Museum

Ort und Zeit

Dienstag, 26. November 2024, 17.00 Uhr
Loos-Räume der Wienbibliothek
Bartensteingasse 9, 1. Stock
1010 Wien 
Vor Ort / Ihre Anmeldung erleichtert uns die Organisation.

Zur Veranstaltung

Julius Tandler gilt heute in seiner Doppelfunktion als Anatom, Politiker und Eugeniker als einer der zentralen Akteure der österreichischen Zwischenkriegszeit und insbesondere des Roten Wien bekannt. In der aktuellen Forschung sind Tandlers universitäre und politische Aktivitäten sowie seine öffentlichen Äußerungen und grundlegenden Interventionen in der Gesundheits-, Fürsorge-, Städtebau-, Wissenschaft- und Volksbildungspolitik bekannt. In bisherigen biographischen Arbeiten wurde Julius Tandler vor allem auf Basis seines Nachlassmaterials in seiner wissenschaftlichen und politischen Außenwirkung analysiert und als Architekt einer sozialpolitischen Konzeption, zum Teil auch einer entsprechenden Utopie, analysiert, die weit über die Grenzen Wiens hinaus wirkte.

Diese Spätphase in der Biographie Julius Tandlers ist bisher wenig bekannt. Ab den späten 1920er Jahren zog er sich vor dem Hintergrund politischer Spannungen und antisemitischer Gewalt zunehmend zurück, reiste und orientierte sich auch intellektuell international. Ein in der Forschung bisher unbekanntes Schlüsseldokument in diesem Zusammenhang sind Tandlers persönliche Aufzeichnungen aus dieser Zeit: fünf Tagebücher, beigelegten Briefen und Fotos, die er von 1929, dem Beginn seiner internationalen Orientierung und vermehrten Reisetätigkeit, bis 1934 und seiner letzten Station vor seinem Tod im Exil in Moskau/Russland 1936 verfasste.

Diese Tagebücher sind eine wertvolle Quelle und ein unglaublicher Fund, wenn man bedenkt, dass Tandlers Lebenslauf zwar größtenteils gut erforscht ist, aber die letzten Jahre, spätestens seit der austrofaschistischen Machtübernahme, und seine Auslands- und Exilaufenthalte historisch nur lückenhaft dokumentiert und rekonstruiert sind. Die Tagebucheinträge, die bisher nur Julius Tandlers Enkel Bill Tandler als Nachlassverwalter bekannt waren, eröffnen neue Perspektiven für eine kritische historische Rekonstruktion dieser Phase.

Zur Veranstaltungsreihe

Unsere Reihe „Aus der Forschungswerkstatt“ ist als Werkstattgespräch angelegt, das Einblick in Forschung „in progress“ gibt und Möglichkeiten zur Diskussion sowie zur Vernetzung bietet. Es holt jene Menschen vor den Vorhang, die sich forschend mit unseren Beständen befassen und anhand derer vielfältige spannende Fragen bearbeiten.

Programm

Im Gespräch
Katrin Pilz, Historikerin und Kulturwissenschaftlerin – Université libre de Bruxelles und Universität Wien
Birgit Nemec, Historikerin – Co-Leitung des Instituts für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin an der Charité Berlin, Professur für Geschichte der Medizin

Moderation
Franz Gangelmayer – Wienbibliothek im Rathaus