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Objekt des Monats Oktober 2009: Hirnhäusl. Zum 70. Geburtstag von Joe Berger

Hirnhäusl, Notizen. Manuskript, 1 Blatt, DIN A 4, ca. 1985. Wienbibliothek, Handschriftensammlung, ZPH 775

Am 22. Oktober 2009 wäre Joe Berger 70 Jahre geworden. Hinterlassen hat der 1991 im Alter von nur 51 Jahren verstorbene Schriftsteller, Schauspieler, Maler und Musiker vier Bücher, zahlreiche Erzählungen, Essays und journalistische Texte. Sein literarischer Nachlass, der in mehreren Tranchen in den Jahren 1992, 1994 und 1995 von der Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus erworben wurde, umfasst fünf Archivboxen und viele weitere Mappen mit Prosaarbeiten (darunter auch eine Vielzahl an Kunstmärchen, für die Berger zeitlebens bekannt war und dem erst posthum veröffentlichten Roman das Narrengericht), Lyrik, Liedern, Theaterstücken, einem Filmtreatment und feuilletonistischen Texten, die Bergers immense Phantasie und Schärfe in der Beobachtung gesellschaftspolitischer Zustände abbilden.

Berger war "ein Multimediatalent der Sonderklasse“, wie ihn Gerhard Jaschke bezeichnete, bei dem jeder Versuch der Etikettierung zu kurz greifen würde. Er gründete neben seiner schriftstellerischen Arbeit die mit Auftritten in ganz Europa für Aufsehen sorgende Aktionstheatergruppe first vienna working group: motion (vormals Arbeitsgruppe Bauernschnapsen; zu den Mitgliedern zählten u. a. Wolfgang Bauer, Gunter Falk, Reinhard Priessnitz, Franz Ringel), er war Schauspieler, zeichnete, malte und fertigte Collagen an. Als Kuriosum der Wiener Literatur- und Künstlerszene der 1970er und 1980er Jahre ist er bis heute vielen als Großzelebrator des Spontanen, Querkopf und Anarchist, Poseur und Provokateur in Erinnerung.

Hirnhäusl bezieht sich auf eine gleichnamige Aufzeichnung innerhalb einer Sammlung lose notierter Begriffe und Ideen. Das Blatt beginnt mit den Worten: ende des monologs: sagt er, wieder einmal eine erzählung schreiben, die vorliegt. Den Begriff hirnhäusl hat Berger neben die Notiz offizielle kunst wamme platziert, und so begreift er seine Arbeit als spiel mit klassifikationen, bei dem es sich um einen semiotische[n] körperakt handle.

In seinen Notizen bezieht sich Berger auf die metaphorische Funktion des Schreibens als körperlichen Akt mit der dafür notwendigen schmatzhaftigkeit für den Gestus des Denkens. Hirnhäusl drückt Bergers konkretistischen, pragmatischen Zugang zu komplizierten kunsttheoretischen und (gesellschafts)politischen Themen aus. Der gewählte Titel verkörpert so gleichermaßen unterschiedliche Schreibansätze (samt den Reflexionen darüber) dieses originellen Dichters und Zeitkritikers, der mit den Mitteln des Trivialen arbeitete und hochliterarische Ansätze entwickelte.

Ab 22. Oktober präsentiert die Wienbibliothek im Katalogzimmer des Handschriftenlesesaals repräsentative Exponate aus dem Nachlass von Joe Berger.

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