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Objekt des Monats April 2021: Erstdruck eines der bekanntesten Wienerlieder – Das „Wiener Fiakerlied“

Zum 100. Todestag von Gustav Pick

Wiener Fiakerlied, Erstdruck [1886], Titelbild (Wienbibliothek im Rathaus, Mc-72343)

Mein Stolz is i bin halt an aechts Weanakind,
a Fiaker, wie man net alle Tag findt …

Tausende gutgelaunte und erwartungsfrohe Wiener und Wienerinnen strömten am Pfingstwochenende um den 24./25. Mai 1885 in den Wiener Prater. Ein zweitägiges Volksfest versprach Musik, Tanz, Spiel, Spektakel, viel gutes Essen, Bier und Wein. Und auch das Wetter spielte endlich mit: Nach vielen kalten und regnerischen Tagen löste das prachtvolle warme Maiwetter einen ungeheuren Ansturm auf das Wohltätigkeitsfest der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft aus und das zahlreiche Publikum freute sich auf Attraktionen wie die „Fiaker-Konkurrenz“ oder die „Kraftproben“ der stärksten Männer Wiens.

Den Höhepunkt des ersten Festtages bildete allerdings ein Auftritt des beliebten Schauspielers und Sängers Alexander Girardi (1850–1918), der anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Fiakerzunft ein eigens dafür komponiertes Lied vortrug – das Wiener Fiakerlied des Komponisten Gustav Pick (1832–1921):

Die Völkerwanderung, welche am Sonntag von ungefähr 1 Uhr Mittags an über den Praterstern hinaus sich in den frühlingsgrünen Hain ergoss, sendete immer neue Menschenwellen in die Rotunde, wo es um 2 Uhr schon lebhaft auf und nieder wogte. An dem Osttransept staute sich zu dieser Zeit die Menschenfluth in bedenklicher Weise, da sich hier das provisorische Concertlocal für Herrn Girardis Vortrag befand […] Um halb 3 Uhr sang Girardi sein Wiener Fiakerlied, geschrieben zur Feier des hundertjährigen Jubiläums der Wiener Fiaker, unter lebhaftem Beifall, der zum Schlusse in einen kleinen Begeisterungssturm überging.
(Die Presse, 26. Mai 1885, S. 3)

Das Titelbild des Erstdruckes beinhaltet viele Details zur Premiere dieses Liedes: Neben den Eckdaten zum Fest ist im Hintergrund auch die sogenannte Rotunde zu sehen, in der das Lied von Gustav Pick erstmals öffentlich vorgetragen wurde. Dieser beeindruckende Kuppelbau, der anlässlich der Weltausstellung 1873 im Wiener Prater errichtet worden war, hatte zu seiner Zeit mit einem Durchmesser von über 100 Metern die mit Abstand größte Kuppel der Welt.

Auf dem Titelblatt ist auch der damals außerordentlich beliebte Sänger Girardi in traditioneller Fiaker-Kleidung abgebildet, der auch in allen Pressestimmen zu diesem Fest herausgestrichen wird:

Girardi hat sich in seiner Leistung als Wiener Fiaker selbst überboten. Schon seine Erscheinung in der vortrefflich dem Original abgelauschten Maske eines alten Wiener Fiakers rief donnernde Applaussalven hervor, die sich noch bei jeder einzelnen Strophe des Fiakerliedes steigerten.
(Neues Wiener Tagblatt, 26. Mai 1885, S. 3)

Vielleicht erst auf den zweiten Blick auffallend ist das Fehlen eines wichtigen Details auf dem Titelblatt dieses erfolgreichen Wiener Liedes: Der Name des Komponisten und Textdichters Gustav Pick scheint nirgendwo auf. Auch in den ausführlichen Pressestimmen zu diesem Jubiläumsfest wird der Name Pick nicht erwähnt. Offensichtlich wurde dem Urheber des Textes und der Melodie im Zusammenhang mit diesen Festlichkeiten keine große Bedeutung zugemessen.

In den Nachdrucken des Liedes wurde dieses Versäumnis allerdings nachgeholt und der Name Gustav Picks ist fortan untrennbar mit dem Wiener Fiakerlied verbunden.

Die große Bekanntheit und Verbreitung dieses Liedes ist unzweifelhaft der Interpretation Girardis zu verdanken, von der man sich heute in der Österreichischen Mediathek bei einer Aufnahme aus dem Jahr 1908 selbst ein Bild machen kann:

Zum Mitlesen (oder Mitsingen) sind hier die erste Strophe und der Refrain aus dem abgebildeten Erstdruck übertragen. In Kurrent bewanderte Leser und Leserinnen können zudem auch den Strophentext mit der abgebildeten Musterstrophe von Gustav Pick vergleichen.

I führ‘ zwa harbe Rappen,
mein Zeug dös steht am Grab’n,
a so wie dö zwa trappen,
wer’ns net viel g’sehen hab’n,
a Peitschen a des gibt’s net
ui jesses nur net schlag’n,
das allermeiste wär tsch‘, tsch‘,
sonst z’reissens glei‘ in Wag’n,
Vom Lamm zum Lusthaus fahr‘ i’s in zwölf Minuten hin;
mir springt kanns drein net in Galopp,
da geht’s nur allweil trapp, trapp, trapp;
wann’s nachher so recht schiessen, da spür i’s in mir drin,
dass i die rechte Pratzen hab, dass i Fiaker bin.
A Kutscher kann a jeder wer’n,
aber fahren kinnans nur in Wean.

Refrain:
Mein Stolz is i bin halt an aechts Weanakind,
a Fiaker, wie man net alle Tag findt,
mein Bluat is so lüftig und leicht wie der Wind
i bin halt an aecht Weanerkind.

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Archiv der Objekte des Monats 2021

Studioporträt von Alexander Girardi [1883] (Wienbibliothek im Rathaus, ZPH 1697/3.1)
Wiener Fiakerlied, Musterstrophe von Gustav Pick, 1885 (Wienbibliothek im Rathaus, H.I.N.-228700)
 

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