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Nachlass Peter Marginter

Porträtfoto von Peter Marginter (Nachlass Peter Marginter, ZPH 1577)

2013 konnte die Wienbibliothek im Rathaus den Nachlass des österreichischen Schriftstellers und Kulturdiplomaten Peter Marginter (1934–2008) aus Familienbesitz erwerben. Der Bestand umfasst 13 Archivboxen und steht nun den Leserinnen und Lesern zur Verfügung (ZPH 1577).

Aufgewachsen im niederösterreichischen Bad Fischau "als Enkel des Gemeindearztes und des Schuldirektors" (Marginter: Ich erschaffe (m)eine Welt, 1994), verbrachte Marginter seine Jugend in Vorarlberg, wohin er und seine Mutter – der Vater war noch vor der Geburt des Buben verunglückt – 1945 vor der sich nähernden Front geflohen waren. Marginter besuchte das Gymnasium in Bregenz und studierte danach Jus in Innsbruck und Wien. Nach dem Gerichtsjahr arbeitete er in der Wiener Handelskammer und absolvierte daneben ein zweites, staatswissenschaftliches Doktoratsstudium. Den Beginn seines literarischen Schreibens, das er als Gegengewicht zum Brotberuf verstand, datierte er selbst auf das Jahr 1962. Er blieb bis zur Pensionierung – seine letzte Karrierestation war London, wo er das Österreichische Kulturinstitut leitete – nebenberuflicher Schriftsteller. Den Direktor des Hofkammerarchivs Franz Grillparzer vor Augen hielt es der dichtende Beamte Marginter aber für geboten, klarzustellen, "daß während der Amtsstunden keine Literatur stattfindet. Ich schreibe in meiner Freizeit, in der Nacht, an Wochenenden, im Urlaub." (Marginter: Stand- und Spielbein, 1985)

Vor diesem Hintergrund ist seine schriftstellerische Produktivität beachtlich. Marginter veröffentlichte fünf Romane ("Der Baron und die Fische", 1966; "Der tote Onkel", 1967; "Königrufen", 1973; "Das Rettungslos", 1983; "Der Kopfstand des Antipoden", 1985), den Erzählband "Leichenschmaus" (1969), die große Erzählung "Zu den schönsten Aussichten" (1978), mehrere Geschichten in bibliophilen Ausgaben, Kinder- und Jugendbücher sowie zahlreiche Essays, die in diversen Periodika abgedruckt wurden. Dazu kommen Hörspiele, Drehbücher und eine große Anzahl von unveröffentlichten Vorträgen und Reden, die – so reizlos der Anlass auch sein mochte – stets von Marginters sprachlicher und gedanklicher Originalität zeugen.

Trotz seiner langjährigen und vielfältigen literarischen Produktion blieb das Debüt "Der Baron und die Fische" Marginters bekanntestes Werk; 1966 bei Langen Müller erschienen, erfuhr es in den 1980er Jahren innerhalb der "Hobbit-Presse" des Klett-Cotta Verlags zwei Neuauflagen. Das im Nachlass enthaltene Material zu diesem seltsamen Roman, in dem sich der Ichthyologe Baron Creutz-Querheim samt Sekretär und Diener auf die Suche nach den geheimnisvollen singenden Fischen begibt, ist wohl auch das literaturgeschichtlich wertvollste Ensemble des Bestandes. Da wäre einmal ein Notizbuch aus den frühen 1960er Jahren, in dem Marginter zwischen zahlreichen Exzerpten die ersten Skizzen und Entwürfe zum "Baron" festhielt. Drei Typoskript-Fassungen, mitunter intensiv eigenhändig redigiert, belegen die mehrstufige Ausarbeitung des Romans. Die überlieferte Korrespondenz mit dem Langen Müller Verlag Mitte der 1960er Jahre macht die Schwierigkeiten eines literaturbetrieblichen Neulings deutlich, der zwar wortstark bessere Werbe- und Vertriebsstrategien einfordert, aber insbesondere vom Verlagsleiter Joachim Schondorff immer wieder in die Schranken gewiesen wird. Darüber hinaus bezeugen einzelne Briefe namhafter Persönlichkeiten großes Interesse an dem Roman, so zum Beispiel Heimito von Doderer in einem zweiseitigen Schreiben an den FAZ-Redakteur Rolf Michaelis vom November 1965, das Marginter Jahre später geschenkt bekam. Unter den Sammlungen wiederum befindet sich ein Konvolut der unerwartet zahlreichen Rezensionen zu "Der Baron und die Fische" (ca. 100 Blatt).

Die vorhandene Korrespondenz weist zwar nur vereinzelt Briefe großer Namen auf (außer Doderer sind Herbert Eisenreich, A. P. Gütersloh, Friedrich Torberg oder Robert Grave zu nennen), ist aber durchaus bemerkenswert. Das liegt zum einen daran, dass Marginter, der sich selbst als "guter, fleißiger Briefeschreiber" (Marginter: Ich erschaffe (m)eine Welt, 1994) gesehen hat, Durchschläge von rund 200 seiner Briefe aufbewahrte, die sich großteils auf die überlieferten Gegenbriefe beziehen lassen. Zum andern hat sich ein so umfang- wie inhaltsreicher Briefwechsel zwischen Marginter und dem niederösterreichischen Maler Franz Luby erhalten. Die Korrespondenz reicht von 1970 bis 1978 und besteht aus etwa 100 Briefen Lubys (immer mit brauner Tinte geschrieben) und 123 Gegenbriefen Marginters, die auf unbekanntem Weg wieder in dessen Besitz gelangt sind.

Während die Korrespondenz in weiten Teilen mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit in Beziehung steht, zeigen die im Nachlass enthaltenen Fotografien Marginter überwiegend als Privatmann und hier wiederum als Reisenden. Von den etwa 530 Fotos dokumentieren über 300 Stück Reisen nach Indien, China oder Südostasien, die Marginter in der Pension unternahm. Einzelne Fotos zeigen ihn als Geehrten, Vortragenden oder am Podium. Zu den kulturgeschichtlich besonderen Stücken zählen ein Porträtfoto, das Otto Breicha von Marginter aufgenommen hat und für den Schutzumschlag des Romans "Der tote Onkel" verwendet wurde, sowie ein Bild Marginters mit Peter Huchel und Alfred Andersch, die zusammen 1973 die 10. Darmstädter Lesung der Deutschen Buch-Gemeinschaft bestritten.

Eine Besonderheit befindet sich auch unter den Preisen und Ehrenzeichen, die Marginter im Lauf seiner Doppelkarriere als Beamter und Schriftsteller erhielt: die seltene Inklings-Medaille. Mit ihr zeichnete die Inklings-Gesellschaft im Jahr 1985 den begeisterten Tolkien-Leser Marginter als Autor hochrangiger Werke "auf dem Gebiete der phantastischen Literatur" aus.

Marginter, der in seiner Jugend Maler werden wollte, pflegte engen Kontakt zu bildenden Künstlern. Innerhalb des Nachlasses äußert sich das in mehreren Reden, die Marginter anlässlich von Ausstellungseröffnungen hielt, in Korrespondenzen wie dem bereits erwähnten Briefwechsel mit Franz Luby und – als Highlight der Gruppe "Sammlungen" – in Originalen darstellender Kunst: So bietet der Bestand fünf Porträts, die Herwig Zens von Marginter in Tusche und mit Bleistift anfertigte, sowie einen Zyklus von 27 Farblithografien Christoph Donins.

Als letztes Stück aus dem Nachlass sei ein sogenanntes Sonderformat erwähnt. Marginter beschreibt es so: "superproper, mattbeiger Schrumpflack, blitzendes Chrom und schwarzweiss spiegelnde Tasten". Gemeint ist seine "liebe alte Schreibmaschine", Modell Swissa piccola, mit der er schon den Roman "Der Baron und die Fische" zu Papier gebracht hatte und die ihn sein ganzes Autorendasein über begleitete.

Archiv der Neuerwerbungen 2015

"Wenn man aufsummiert, was alles bei mir aus dem Motiv 'Flucht vor der Jurisprudenz' entstanden ist, überwiegt wahrscheinlich sogar das Plus." Peter Marginter an Franz Luby, Brief vom 14. September 1970, S. 1.
Der Baron und die Fische, eh. überarbeitetes Typoskript, S. 4, getippt auf Marginters Schreibmaschine, Modell Swissa piccola.