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Objekt des Monats August 2014: Stefan Zweig schickt eine Karte aus Przemysl

handschriftliche Postkarte von Stefan Zweig an Franz Karl Ginzkey vom 17. Juli 1915. Wienbibliothek, Handschriftensammlung, H.I.N. 166798

"Die Gerüchte verdichten sich, daß es in Przemysl nicht gut stünde. Wir sollen unzulänglich versorgt sein, der 1. April ist der letzte Termin, den Kusmanek gegeben haben soll. Es herrscht Skorbut dort vom vielen Conservenessen". Stefan Zweig (1881–1942) zeigt sich in seinem Tagebucheintrag vom 17. März 1915 alarmiert, da die seit 28. September 1914 von russischen Truppen eingekesselte Festung Przemysl vor dem Fall stehe. In der Tat kapitulierte die Garnison nur fünf Tage später. Zweig notiert am 22. März: "Schwarzer Tag! Abends ein Donnerschlag: Przemysl gefallen. Eine Schmach sondergleichen: durch Hunger, durch Schlamperei". Erst am 3. Juni 1915 wurde Przemysl von deutschen Truppen befreit. Zweig schreibt am selben Tag in Wien: "Mittags Jubelschreie – Przemysl genommen. Die Stadt in Begeisterung. Abends Fackelzüge und Serenaden vor dem Kriegsministerium. Es ist nicht sosehr der militärische Erfolg als die Tatsache, daß man den Namen Przemysl in Österreich wieder aussprechen kann, daß dieser Makel getilgt ist".

Rund sechs Wochen später ging es für Zweig "unter der Flagge des Kriegsarchivs", wie es in einem Brief an Franz Karl Ginzkey heißt, ins zurückeroberte Kronland Galizien. Zweig hatte es dem Oberoffizial zu verdanken, dass er mit 1. Januar 1915 zur "Literarischen Gruppe" des in der Stiftskaserne beheimateten Kriegsarchivs kommandiert worden war. Diese Zuteilung des mit 1. Juli 1915 zum Einjährig Freiwilligen Feldwebel beförderten Zweig war nicht selbstverständlich, weil es dort nur Posten für Offiziere gab. Die galizische Front bereiste er also "in uncombattentem Dienst", um vor Ort zu recherchieren: "Ich habe nämlich für das bekannte Buch den Teil über die russische Invasion im politischen Sinne zu schreiben und erklärte (was auch vollkommen stimmt), daß ich Zerstörungen, Verwüstungen etz. nicht schildern könne, unzweifelhafte Nachrichten nicht übernehmen wolle, ohne sie kontrolliert zu haben und daß es daher unbedingt notwendig sei, daß ich persönlich die Dinge in Augenschein nehme". Die Reise trat Zweig am 14. Juli 1915 an, drei Tage später erreichte er "unsere eiternde Narbe" Przemysl, von wo er Ginzkey die hier abgebildete Karte schickte: "Lieber Freund, ich grüsse Sie von Herzen aus P. Ich habe Wunderbares gesehn und gestern in Zurawice ihr Feuileton gelesen. Wie eng und weit ist jetzt die Welt. Herzlichst Ihr Stefan Zweig".

Zweigs Tagebucheinträge und der später publizierte Reisebericht unterscheiden sich ganz markant. Heißt es im privaten Heft noch "Die Stadt ist langweilig, ein Gefängnis", so singt der Kriegsberichterstatter unter dem Titel "Galiziens Genesung" den offiziell erwarteten Hymnus: "Da ist Przemysl, die Stadt, die monatelang unter den feurigen Meteoren der Geschosse stand, bestürmt, verlassen, bestürmt, erobert – und doch: lebendiges Leben flutet durch Straßen und Cafés, neben dem Fort, wo Zehntausend ihr Grab fanden, schaukelt sich auf einer Hängematte lachend ein Kind und Tauben gurren verliebt auf einem efeuumsponnenen Dach".

Weitere Informationen

Archiv der Objekte des Monats 2014

eigenhändiger Text von Stefan Zweig. Postkarte an Franz Karl Ginzkey vom 17. Juli 1915. Wienbibliothek, Handschriftensammlung, H.I.N. 166798
 

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