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Objekt des Monats Juni 2014: Louis Treumann posiert im Land der Skipetaren

Photographie aus einem privaten Album. Wienbibliothek, Handschriftensammlung, Teilnachlass Louis Treumann, ZPH 1519

Nein, es handelt sich nicht um ein Rollenfoto. Sowohl die Uniform als auch die Kleidung der Männer, die Karl Mays Roman »Durch das Land der Skipetaren« (1892) entsprungen sein könnten, ist echt. Die Aufnahme stammt aus dem privaten Album eines überaus populären Kriegsteilnehmers: Es handelt sich um den Operettenstar Louis Treumann (1872–1943), der am 29. August 1916 als Einjährig-Freiwilliger beim k. k. Schützenregiment Nr. 1 einrückte. Gemustert wurde er erstmals 1915 mit stolzen 43 Jahren.

Dass Treumann bis dato nicht für das Militär berücksichtigt worden war, lag an seinem Beruf und an seinen prominenten Fürsprechern. Ende 1915 hatte er versucht, mit Hilfe des überaus einflussreichen "Deutschen Bühnenvereins" eine Befreiung vom Militär zu erreichen. Zudem bemühten sich mehrere Theaterdirektoren in Berlin und Wien gleichzeitig, über den Bühnenstar verfügen zu können. Der Direktor des Carltheaters etwa ersuchte die offiziellen Stellen um Enthebung Treumanns, "um mein Unternehmen künstlerisch und finanziell erhalten zu können". Der Leiter eines nicht genannten Berliner Hauses formuliert die Lage in einem Schreiben vom 25. November 1915 an das Königliche Polizei-Präsidium in Berlin, Abteilung VIII Theater, noch drastischer:
"Wie mir Herr Treumann nun glaubhaft versichert, hätte er sich auf Grund der in den Wiener Zeitungen veröffentlichten Bekanntmachungen am 6. Dezember 1915, in Wien XIII, Kaiser Franz-Josef-Landwehr-Kaserne, einzufinden, sofern es nicht gelingen sollte, Herrn Treumann mit Hilfe des hiesigen österreich-ungarischen General-Konsulates zu reklamieren. Es erübrigt sich wohl meinerseits die Bemerkung, dass ich, falls Herr Treumann tatsächlich zu dem genannten Zeitpunkt sein Gastspiel bei mir abbrechen müsste, kurzerhand mein Theater zu schliessen gezwungen wäre, wodurch ca. 120 Existenzen auf dem Spiel ständen. Wie der verehrlichen Behörde bekannt sein dürfte, steht Herr Treumann beim Berliner Publikum im Vordergrund des Interesses und bin ich ausser Stande, einen passenden Ersatz für ihn zu finden."

Alle Bemühungen blieben erfolglos. Für Treumann ging es in die Offiziersschule in der Reinlgasse. Es verwundert aber nicht, dass in seinen Militärpapieren die Profession "Schauspieler" stets besonders hervorgehoben ist.

Treumann war es nicht nur gewohnt, im Rampenlicht zu stehen, er war es auch gewohnt, in Fotoateliers zu posieren. Das Medium Fotografie war ihm also bestens vertraut, er griff sogar selbst zur Kamera, um sein Leben zu dokumentieren. Sein Fotoalbum aus der Kriegszeit steht prototypisch für viele Sammlungen privater Provenienz, in denen sich die bisweilen weit entfernten Dienstorte oft in Aufnahmen der einheimischen Bevölkerung widerspiegeln. Im weitesten Sinne tragen diese Art von Fotografien touristischen Charakter, schließlich dürften die wenigsten dorthin, wohin man sie zum Kämpfen schickte, zuvor schon einmal auf eigene Initiative gereist sein. Treumann war längere Zeit mit der 3. Kompagnie des k. k. Landsturm Etappen Bataillons Nr. 233 im albanischen Skutari (heute Shkodra) stationiert. Ob er sich dort wirklich wie im Urlaub gefühlt hat, steht dahin. Von den Leiden der Front, von Kampf und Zerstörung fehlt jedenfalls bei seinen Schnappschüssen jede Spur. Ja, trotz der Präsenz vieler Uniformierter der k. u. k. Truppen scheint das zivile Leben in der Stadt wenig gelitten zu haben. Treumann genießt sein Dasein im besetzten Land anscheinend in vollen Zügen, auch Berührungsängste waren ihm – nach den Aufnahmen zu schließen – fremd. So bietet sein Album einen wahren Schatz an Fotografien, die das meist muslimische Alltagsleben zeigen. Zu sehen sind Straßen- und Marktszenen, Menschen in exotischen Trachten, bettelnde Alte, verschleierte Frauen, klapprige Fuhrwerke und gerne mittendrin: Louis Treumann, der gemeinsam mit einem Kameraden auch versuchte, sich mit einer landesüblichen Eselsstärke fortzubewegen.

Sicher hat er vor Ort auch seine Anonymität genossen. Schließlich war Treumann, seitdem er 1905 in der Weltpremiere von Franz Lehárs Operette "Die lustige Witwe" die Rolle des Danilo verkörpert hatte, zu einem der größten Publikumsmagnete im Wiener, ja im ganzen deutschsprachigen Kulturleben geworden. So frei hätte sich der umschwärmte Bühnenheld zu Hause kaum durch die Straßen bewegen können. Auch wenn das Fremde, Andere und Exotische den fotografischen Blick in den Bann gezogen hat, scheint die Fotografie im Falle Treumanns nicht als ein "Medium des Nationalismus und Rassismus" zu fungieren, wie dies ansonsten bei Aufnahmen der offiziellen Fotografen des Kriegspressequartiers nicht selten der Fall gewesen ist.

Archiv der Objekte des Monats 2014

 

Photographie aus einem privaten Album. Wienbibliothek, Handschriftensammlung, Teilnachlass Louis Treumann, ZPH 1519