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DIGITALE LESUNGEN

„Komteß Mizzi“ – Snapshots mit Chris Pichler, Robert Reinagl und Walter Schübler

Ein beklemmendes Sittenbild aus dem Wien des Fin de Siècle

Die Wienbibliothek im Rathaus präsentiert den Fall der Wienerin Marie Veith, deren Geschichte im Zuge eines Sensationsprozesses in der gesamten k. u. k. Monarchie für Aufsehen sorgte. Auf Basis des soeben erschienenen Buchs "Komteß Mizzi" von Walter Schübler präsentieren Chris Pichler und Robert Reinagl mit 12 kurzen Lesungen ein erschütterndes Sittenbild aus dem Wien des Fin de Siècle – ab 4. April via Website und Facebook-Seite der Wienbibliothek im Rathaus. Für das "Facebook-Objekt des Tages“ werden als zusätzliches Angebot in Krisenzeiten regelmäßig die Archive der fünf Sammlungen geöffnet.

Anhand eines Sensationsprozesses im Wien der Jahrhundertwende rekonstruiert Walter Schübler den erschütternden Fall der Marie Veith: Am 28. April 1908 werden Marcell Veith, der einen nicht rechtmäßigen Grafentitel führte, und seine 18-jährige Tochter Marie festgenommen. Er wird der Kuppelei, sie der Geheimprostitution beschuldigt. Sie ertränkt sich noch am selben Tag in der Donau, er wird vor Gericht gestellt. Der "Skandal-Prozess" erregt weit über Wien hinaus Aufsehen – und zeichnet das beklemmende Sittenbild einer moralisch zerrütteten Gesellschaft. Umso mehr, als hohe Polizeibeamte, die Chefs des Sittenamts und des Sicherheitsbüros, im Tagebuch und in den Kassabüchern Maries als Kunden genannt werden. Kurz nach Verbüßung seiner Haftstrafe veröffentlicht Marcell Veith in einem Krawallblatt die Kundenliste, die er akribisch geführt hatte: 205 "Cavaliere", allesamt aus den besseren und besten Wiener Kreisen und der österreichischen Hocharistokratie. Aus einer Unmenge zeitgenössischer Quellen und Dokumente – darunter der tausendseitige Gerichtsakt mit dutzenden Zeugenaussagen von Fiakerkutschern, Hausmeistern, Nachtportieren, Kellnern, Dienst-, Stuben- und Blumenmädchen, Bordellwirtinnen und Prostituierten – rekonstruiert Walter Schübler "ein Panorama der Doppelmoral dieser Epoche" (Die Zeit).

"Ungemein spannend ist zum einen das Material", betont Walter Schübler. "In den Zeitungsberichten ist die Rede davon, dass der Staatsanwaltschaft als Belastungsmaterial unter anderem die Tagebücher von Mizzi Veith sowie die Rechnungsbücher ihres Vaters und ‚Kupplers‘ vorlagen, aus denen sie auch zitiert. Der Gerichtsakt ist zwar überliefert und auf dem Aktendeckel sind die Tagebücher und die Kassabücher als ‚Beilagen‘ angeführt ­– diese sind aber inzwischen verschwunden." "Beim Schreiben ging es mir vor allem darum, aus diesem ‚Stoff‘ eben nicht Kolportage zu machen. Vom ‚Fall‘, vom Personal, vom Milieu her wär’ das ja geradezu aufg’legt. Die zeitgenössischen Boulevardzeitungen tun genau das, sie machen die Causa zu einem Gegenstand ‚öffentlicher Erregung‘. Ich hingegen erzähle das Ganze unter Einsatz von sehr viel O-Ton chronikal, lakonisch, gleichsam in Schwarzweiß. Die Wienbibliothek im Rathaus mit ihrer Fülle an historischen Zeitungen und Unmengen von Dokumenten aus jener Zeit war eine wichtige Quelle für mich."

„Komteß Mizzi“-Snapshots ab 4. April

Ab 4. April geben Walter Schübler sowie die Schauspieler*innen Chris Pichler und Robert Reinagl Einblicke in das umfangreiche Aktenmaterial, von Protokollen der Hausdurchsuchung, Zeugenvernahmen über den Abschiedsbrief von Marie Veith bis hin zur skandalisierenden Presseberichterstattung. Der umfangreiche Gerichtsakt wurde im Wiener Stadt- und Landesarchiv erhalten. Das Verfahren selbst wurde von Zeitgenossen heftig diskutiert, so widmete Karl Kraus (dessen Archiv ebenfalls in der Wienbibliothek im Rathaus liegt) dem "Prozeß Veith" eine Sondernummer seiner Fackel und prangerte die gesellschaftliche Doppelmoral an. Bereits zwei Jahre davor sorgte ein pornografischer Roman, der realitätsnah die Missstände von Prostitution und Pädophilie veranschaulicht, für Aufsehen: "Josefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt" erschien anonym, das Buch wird jedoch dem österreichisch-ungarischen Schriftsteller Felix Salten (1869–1945) zugeschrieben, der später mit seinem Kinderbuch "Bambi" Weltruhm erlangte. Aus Anlass des 150. Geburtstages 2019 und des 75. Todestages 2020 Saltens präsentiert die Wienbibliothek im Rathaus, die große Teile des schriftlichen Nachlasses und über 3.000 Bände aus dessen Bibliothek besitzt, in diesem Jahr gemeinsam mit dem Wien Museum eine Ausstellung zu Leben und Werk von Felix Salten (14. Oktober 2020–25. April 2021).

Walter Schübler: „Komteß Mizzi“
236 Seiten, ISBN: 978-3-8353-3624-7, € 25,70
Wallstein Verlag 2020

Walter Schübler, geboren 1963, Publizist mit Schwerpunkt Biografik, lebt in Wien. Arbeitet seit 2005 über Werk und Vita Anton Kuhs. Herausgeber der „Werke“ Kuhs (7 Bde., Göttingen 2016). Seine Biografie des „Sprechstellers“ erschien im Frühjahr 2018 ebenfalls im Wallstein Verlag.

Drehbuch: Walter Schübler
Regie: Suzie Wong
Lesung: Chris Pichler, Robert Reinagl, Walter Schübler
Kommentare: Walter Schübler
Technische Assistenz: Katrin Kühnert, Michael Burger
Mit freundlicher Unterstützung des Wiener Stadt- und Landesarchivs (MA 8)

FACEBOOK-OBJEKT DES TAGES

Die Wienbibliothek im Rathaus öffnet regelmäßig die Archive ihrer Sammlungen und präsentiert digital besondere Schätze zur Wiener Geschichte und Kulturgeschichte: Corona-krisenbedingt kann man jetzt auf Facebook mit den "Objekten des Tages", die den Sammelreichtum der Institution abbilden, seine Stadt entdecken. Darunter u. a. die Originalhandschrift zu Johann Nestroys Spektakelstück "Zu ebener Erde und erster Stock" von 1835 oder Pepi Treitls drei Millionen Einzelobjekte umfassendes und zu seinen Lebzeiten weltweit größtes Prominentenarchiv mit Künstlerautogrammen, Theaterprogrammen und Zeitungsausschnitten.

Wie gewohnt steht auch jetzt die Digitale Bibliothek zur Recherche oder einfach zum Schmökern unter www.digital.wienbibliothek.at zur Verfügung. Auch der Online-Katalog der Wienbibliothek im Rathaus ist weiterhin erreichbar. Weiters findet man Im WienGeschichteWiki umfangreiche Informationen zu allen Aspekten des historischen Wien.

 

Links

Presseaussendung: Digitale Lesungen - "Komteß Mizzi" (PDF)

Digitale Lesungen auf der Website: "Komteß Mizzi" - 12 Momente in 12 Snapshots

Facebook-Seite der Wienbibliothek im Rathaus

Pressekontakt:

vielseitig ||| Valerie Besl
t: +43 1 522 4459 10, m: +43 664 8339266, valerie.besl@vielseitig.co.at