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Ausstellung: Die Zerstörung der Demokratie. Österreich, März 1933 bis Februar 1934

23. Mai 2023 bis 16. Februar 2024

Die Wienbibliothek im Rathaus widmet in Kooperation mit dem Wien Museum dem Gedenken an die Jahre 1933/1934 die Ausstellung »Die Zerstörung der Demokratie« (23. Mai 2023 bis 16. Februar 2024). Die Schau zeigt in minutiöser Auseinandersetzung, dass die Umwandlung Österreichs in einen autoritären Staat mit faschistischem Zuschnitt keineswegs plötzlich kam. Vielmehr schaltete die Regierung Dollfuß zwischen März 1933 und Februar 1934 schrittweise und stets unter dem Anschein der Legalität Parlamentarismus, Sozialstaat, Grundrechte, Verfassung und das ‚Rote Wien‘ aus. In der mehr als 50 Beiträge umfassenden Begleitpublikation gehen die Autor*innen dieser Chronologie, ihren Ursachen und ihren Folgen vertiefend nach. Der aktuelle demokratiepolitische Bezug wird während der Ausstellungsdauer in öffentlichen Veranstaltungen laufend vertieft.

»Es gibt gewichtige Gründe, das Ende der österreichischen Demokratie heute zu thematisieren«, betonen Anita Eichinger, Direktorin Wienbibliothek im Rathaus, und Matti Bunzl, Direktor Wien Museum. »Denn die autoritäre Versuchung ist in unserer politischen Gegenwart angekommen. Auf nahezu allen Kontinenten greifen Regierungen zwecks Machterhalts in die Gelenkstellen der Demokratie ein – versuchen Einfluss auf die Justiz zu gewinnen, die Medien zu domestizieren, Wahlen zu delegitimieren, Kulturkämpfe um ‚wahre Werte‘ zu führen, Feinde auszumachen, nostalgische Stimmungen zu instrumentalisieren, die Nation exklusiv zu definieren oder die Gesellschaft zu spalten.«

Die von Bernhard Hachleitner und Werner Michael Schwarz kuratierte Ausstellung »Die Zerstörung der Demokratie« in der Wienbibliothek im Rathaus zeigt, dass die Umwandlung Österreichs in einen autoritären Staat mit faschistischem Zuschnitt keineswegs plötzlich kam und vorerst weder laut noch kämpferisch verlief.

Mit der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 löste die Regierung unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1892–1934) schrittweise und stets unter dem Anschein der Legalität mittels mehr als 300 Verordnungen und unter permanentem Verfassungsbruch die Einrichtungen der Demokratie auf. »In Ruhe und Ordnung« wurden so Parlamentarismus, Sozialstaat, Grund- und Freiheitsrechte, Verfassung und das ‚Rote Wien‘ ausgehebelt. Wie eine übermächtige Exekutive die politische Opposition mit administrativen Mitteln, staatlicher und letztlich auch Waffengewalt ins Abseits drängen und sie schließlich ganz ausschalten konnte, zeigt dieses knappe Jahr als durchaus aktuelles Lehrstück.

Der Fokus der Ausstellung liegt auf dem Zeitraum zwischen März 1933 und Februar 1934 und präsentiert eine minutiöse Auseinandersetzung mit den einzelnen Akten der Zerstörung der Demokratie. Es beginnt mit der Wiedereinführung der Zensur, den Einschränkungen des Versammlungs-rechts, setzt sich mit dem Verbot von Organisationen und Parteien, dem Verbot von Wahlen, der Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs, Angriffen auf den Sozialstaat und die Rechte der Arbeitnehmenden, dem Kampf gegen das ‚Rote Wien‘, der Wiedereinführung der Todesstrafe, Verhaftungen Oppositioneller fort und führt schließlich in den Februar 1934.

Die Chronologie wird mit Positionen, Erfahrungen und Schicksalen von Akteur*innen und Betroffenen verwoben und soll die Gewalt in Erinnerung rufen, mit der politisches Handeln, persönliche Freiheitsrechte und sozialer Schutz sukzessive eingeschränkt und schließlich weitgehend außer Kraft gesetzt wurden.

»Die Darstellung der einzelnen Schritte der Zerstörung der Demokratie zeigt, was Demokratie ausmacht, wie die einzelnen Elemente ineinander verwoben sind und welche Warnsignale es gibt, die zeigen, dass eine Regierung einen autoritären Kurs einschlägt. Am Beginn stehen nicht Maschinengewehre und Panzer, sondern bürokratische Verordnungen, von denen manche allein harmlos erscheinen mögen, in der Summe aber fatale Wirkung haben. Der Bürgerkrieg war nicht der Beginn, sondern der Endpunkt der Zerstörung der Demokratie in Österreich«, zeigen sich die Kuratoren der Ausstellung Bernhard Hachleitner und Werner Michael Schwarz überzeugt.

Ergänzt wird die Ausstellung mit einer von Bernhard Hachleitner, Alfred Pfoser, Katharina Prager (Wienbibliothek im Rathaus) und Werner Michael Schwarz (Wien Museum) herausgegebenen, umfangreichen Begleitpublikation mit mehr als 50 Beiträgen, in welchen die Autor*innen dieser Chronologie, ihren Ursachen und ihren Folgen vertiefend nachgehen. Der aktuelle demokratiepolitische Bezug wird während der Ausstellungsdauer in öffentlichen Veranstaltungen laufend vertieft.

AUSGANGSLAGE vor 1933/34

Beleuchtet wird auch die Ausgangslage in den Jahren davor, die schließlich zu den Ereignissen 1933/34 führte: die internationale Situation, in der europaweit Demokratien unter Druck standen, die ökonomische Krise, der drastische Schrumpfungsprozess der österreichischen Wirtschaft, die extrem hohe Arbeitslosigkeit, die Verödung ganzer Industrielandschaften, der drohende Zusammenbruch der öffentlichen Finanzen, die sich weiter zuspitzende Polarisierung zwischen den beiden großen politischen Lagern und die besondere Bedeutung des ‚Roten Wien‘, insbesondere seiner Wohnbau-, Bildungs- und Wohlfahrtspolitik.

Dem Inkraftsetzen der Verfassung des »christlichen, deutschen Bundesstaates auf ständischer Grundlage« im Mai 1934 ging weiters die Stärkung paramilitärischer Milizen wie der Heimwehr, die 1930 mit dem Korneuburger Eid explizit den »westlich demokratischen Parlamentarismus« und den »Parteienstaat« verwarf, voran. Maßgeblich für die Entwicklungen 1933/34 waren im Vorfeld außerdem die Wahlergebnisse, die ab 1930 der christlichsozialen Partei und ihren Koalitionspartnern schwere Niederlagen einbrachten und einen baldigen Machtverlust als wahrscheinlich erscheinen ließen.

Zu dieser Vorgeschichte zählen aber auch die Kulturkämpfe, die insbesondere seit Mitte der 1920er-Jahre um Geschlechterrollen, Körperkulturen, Sexualität, Familienplanung, Kunst oder schlicht nur um Geschmack geführt wurden, und in denen die Propagierung reaktionärer Geschlechter- und Rollenbilder sowie die katholische Kirche als Gegnerin liberaler und sozialistischer Ideale eine herausragende Rolle spielten.

AUSBLICK

Die Publikation zur Ausstellung schließt mit einem Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Tamara Ehs und dem Historiker Stefan Benedik über die Folgen von 1933/34 für den ‚Anschluss‘ 1938, das Weiterwirken der österreichischen Diktatur in der Zweiten Republik, in Österreich-Konstruktionen und -Bewusstsein sowie über die demokratiepolitischen Lehren, die aus der Zerstörung der Demokratie gezogen werden können. Für Tamara Ehs ist die Zerstörung der Demokratie in Österreich ein »Playbook des Autokratismus«, das mit der Diskreditierung von Demokratie und Parlamentarismus beginnt, mit dem Kulturkämpfe angezettelt oder angeheizt, mit dem die Gesellschaft gespalten, Minderheiten gesucht und konstruiert werden, um ein scheinbar homogenes Volk zu behaupten. Schließlich wird der Rechtsstaat direkt angegriffen, die Richterinnen, Richter und Gerichte, wie in Österreich die Geschworenengerichtsbarkeit 1933, das Parlament und die Verfassung. »Man kann zwar nicht einfach aus der Geschichte lernen, aber man kann zumindest hellhörig sein«, so Ehs.

Publikation zur Ausstellung

Die Zerstörung der Demokratie
Österreich, März 1933 bis Februar 1934

Bernhard Hachleitner, Alfred Pfoser, Katharina Prager, Werner Michael Schwarz (Hg.)
328 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
ISBN: 978-3-70-173587-7
EUR 35,-

Eröffnung & Buchpräsentation

Montag, 22. Mai 2023, 18.30 Uhr
Vor Ort und Live-Stream
Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus
Rathaus, Eingang Lichtenfelsgasse, Stiege 6 (Glaslift), 1. Stock, 1010 Wien
Eine Kooperation mit dem Wien Museum

PROGRAMM

Begrüßung und Einführung
Anita Eichinger, Direktorin der Wienbibliothek im Rathaus
Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums

Im Gespräch
Bernhard Hachleitner, Kurator und Herausgeber
Thomas Olechowski, Autor
Alfred Pfoser, Herausgeber
Katharina Prager, Herausgeberin – Wienbibliothek im Rathaus
Werner Michael Schwarz, Kurator und Herausgeber – Wien Museum

Moderation
Barbara Tóth, Historikerin und Journalistin

Lesung aus Originaldokumenten
Sandra Cervik, Schauspielerin

Begleitprogramm und Führungen zur Ausstellung

Nähere Informationen zu allen Veranstaltungen finden Sie hier.

Links

Ausführliche Presseinformation: Die Zerstörung der Demokratie. Österreich, März 1933 bis Februar 1934 (PDF)

Pressekontakt und Bildmaterial-Anfragen:

vielseitig ||| Mag.a Valerie Besl
t: +43 1 522 4459 10, m: +43 664 8339266, valerie.besl@vielseitig.co.at

Wir bitten Sie, im Rahmen Ihrer Berichterstattung auf die Wienbibliothek im Rathaus hinzuweisen.
Weiteres Bildmaterial finden Sie hier.

Polizist vor dem abgeriegelten Parlamentsgebäude, 15. März 1933. Foto: Albert Hilscher Aus: Der Kuckuck, 26. März 1933 © Wienbibliothek im Rathaus
Eduard Ludwig, Leiter des Bundespressedienstes, und Bundeskanzler Engelbert Dollfuß Aus: Das Interessante Blatt, 16. März 1933 © Wienbibliothek im Rathaus
Schlagzeile zur Streikverordnung, Arbeiter-Zeitung, 22. April 1933 © Wienbibliothek im Rathaus
Titelblatt der Arbeiter-Zeitung am 30. April 1933 © Wienbibliothek im Rathaus
Maschinengewehrstellung und Absperrungen an der Zweierlinie beim Wiener Volkstheater am 1. Mai 1933 © Wienbibliothek im Rathaus
Das zerstörte Café Goethehof im gleichnamigen Gemeindebau, Februar 1934 Foto: unbekannt. © Wienbibliothek im Rathaus