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Loos-Räume
Wohnung Bartensteingasse 9/5, 1010 Wien
1907 Wohnung Boskovits 1 von Adolf Loos
Der ursprünglich aus Temeswar stammende jüdische Industrielle Friedrich Boskovits ließ um 1907 seine neue Wohnung in Wien IX., Frankgasse 1/12 vom bekannten Architekten und Designer Adolf Loos (1870 – 1933) gestalten. Ein Speisezimmer mit Kamin, großer Anrichte sowie massiver Mahagoni-Wandvertäfelung und dekorativem Stuckfries wurde eingerichtet, daran reihten sich ein gestalteter Musiksalon und ein Herrenzimmer mit Kaminnische.
Als Friedrich Boskovits und seiner Frau Charlotte aufgrund der Heirat ihrer Tochter Alice mit dem Schweizer Unternehmersohn H. O. Wessner die Wohnung in der Frankgasse zu klein wurde, übersiedelte die Familie in die weit größere Wohnung im Mezzanin des Hauses Bartensteingasse 9 in der Nähe des Rathauses. Das Loos'sche Speisezimmer wurde gemeinsam mit vielen Kunst- und Einrichtungsgegenständen aus der Frankgasse in die Bartensteingasse transferiert.
1927 Wohnung Bartensteingasse 9/5
Von Juli bis Oktober 1927 fanden aufwendige Umbauarbeiten statt, die sich durch erhaltene Handwerkerrechnungen minutiös belegen lassen. Besonderer Wert wurde auf die Übertragung des Speisezimmers gelegt. Die grünsamtigen Sitzmöbel, das große Buffet, Teile der Lambrien, der Stuckfries, der Kamin, der Luster, ja sogar die Teppichböden oder Textiltapeten und Einrichtungsgegenstände für Herrenzimmer und Musiksalon wurden 1927 mitübersiedelt. Die Wohnung von Friedrich Boskovits in der Frankgasse wurde noch im Jahr 1927 vom Loos-Schüler Felix Augenfeld für die Psychiaterin und spätere Widerstandskämpferin Muriel Gardiner umgebaut. Die Familie Boskovits-Wessner lebte bis in die Mitte der 1980er Jahre in der Bartensteingasse 9, wo sich das Architekturjuwel der Wiener Moderne bis heute erhalten hat.
2013 Die Musiksammlung
Nachdem die Wohnung von der Stadt Wien erworben und restauriert worden war, bezog 1991 die international renommierte Musiksammlung der Wienbibliothek die ehemalige Privatwohnung. Seit 2013 ist ein musealer Rundgang durch die Wohnung möglich: in der für Ringstraßenbauten typischen großzügigen Raumaufteilung bildet das Speisezimmer von Adolf Loos aus 1907 den eindrucksvollen Höhepunkt. Herrenzimmer und Musiksalon werden heute als Veranstaltungsräume genutzt. Eine ausführliche Dokumentation der Bauherren- und Wohnungsgeschichte, sowie von Leben, Werk und Schriften von Adolf Loos ergänzen das Genuine des prächtigen Raumensembles. Zudem bereitet die heutige "Bewohnerin" der Räumlichkeiten, die Musiksammlung der Wienbibliothek, ihre Zimelien und Pretiosen von Schubert, Lanner und Strauss, Wolf, Krenek und vielen anderen auf. Wechselnde Ausstellungen sollen hier zukünftig auch auf die vielfältigen Bestände der Musiksammlung aufmerksam machen.
Öffnungszeiten
Ausstellungs- und Loos-Räume:
Jeder 1. Donnerstag im Monat, 13.00 bis 19.00 Uhr und auf Anfrage (post@wienbibliothek.at und +43 1 4000-84920)
Führungen: Termine entnehmen Sie bitte unserem Führungskalender.
Die Benützung von Musikhandschriften und -drucken erfolgt zentral im Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus.
Publikation
Anhand der Geschichte der Wohnung Bartensteingasse 9, Tür Nummer 5, im ersten Wiener Gemeindebezirk, entsteht ein Gesellschaftsporträt Wiens zwischen 1890 und 1938 – eine Stadt der Migration, der wirtschaftlichen Initiative und kulturellen Dynamik. Im Mittelpunkt stehen der Bauherr der Wohnung, der jüdische Industrielle Friedrich Boskovits, und das von Adolf Loos geschaffene Interieur. Ursprünglich für Boskovits' Wohnung in der Frankgasse 1 entworfen, ließ der Bauherr die Möbel 1927 in die Bartensteingasse transferieren, in der heute die Musiksammlung der Wienbibliothek untergebracht ist. In der Geschichte der beiden Wohnungen und ihrer Loos’schen Einrichtung werden repräsentative großbürgerliche Familien- und Freundschaftsbeziehungen, überraschende Nachbarschaften und intellektuell-künstlerische Netzwerke in ihrer engen Verflochtenheit lesbar.
Sylvia Mattl-Wurm (Hg.)
"Jeder sei sein eigener Dekorateur". Zur Geschichte der Loos-Räume in Wien I, Bartensteingasse 9
120 Seiten, 24,6 x 27 cm
Metro Verlag 2013
978-3-99300-141-4