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Objekt des Monats November 2010: Über die lange Tradition des Stammbuchschreibens
"Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heit'ren Stunden nur!" Kurzgedichte wie dieses sind charakteristisch für Poesiealben oder Stammbücher, die wir alle noch aus unserer Schulzeit kennen und die sich auch heute noch – nach dem Fragebogenprinzip gestaltet bereits unter Kindergartenkindern – größter Beliebtheit erfreuen.
Lange Tradition des Stammbuchschreibens
Dabei ist wenig bekannt, dass die Tradition des Stammbuchschreibens im deutschen Sprachraum bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Im Gegensatz zu heute waren die "Alba Amicorum" (Freundesalben), die später auch "Philotheken" genannt wurden, aber zum Gebrauch durch Erwachsene bestimmt.
Beim vorliegenden Stammbuchdruck handelt es sich um "Ein new vnnd künstlich schönes Stamm oder Gesellen Büchlein", das 1579 bei den Buchdruckern David und Hercules de Necker in Wien erschien. Das Buch besteht aus insgesamt 97 Eintragselementen, die sich jeweils aus einem emblematischen Holzschnitt, einem Inskriptionsblatt mit vorgedrucktem, blankem Wappenschild sowie einem 22zeiligen Gedicht in deutscher Sprache zusammensetzen.
Die handschriftlichen Einträge sind im allgemeinen recht kurz und wenig kunstvoll ausgeführt und stammen aus der Zeit zwischen 1587 und 1599; typisch für die Zeit sind die nur aus Initialen bestehenden, abgekürzten Sprüche, die auch aus anderen Stammbüchern bekannt sind und die sich der Interpretation durch die moderne Forschung meist weitestgehend entziehen.
Nicht eindeutig zu datieren ist ein karierter Schild mit dem Monogramm "FJG", der sich unter der Muse "Thalia" findet. An einer weiteren Stelle wurde ein Wappenentwurf nicht fertig durchgeführt, und auf der Seite des Apostel Matthias lesen wir in winziger Schrift den lapidaren Eintrag "Mantes" - vermutlich eine sog. "Respektseite", die der Stammbuchhalter für einen Freund namens Matthias freihalten wollte.
Unbekannter Stammbuchhalter
Die Frage, wer dieser erste Stammbuchhalter eigentlich war, muss vorerst offen bleiben; da die Einträger allesamt dem steirisch-österreichischen Herrenstand angehörten, werden wir wohl auch ihn in diesen Kreisen zu suchen haben – der auf der Titelseite des Buches eingetragene "P[ater] Gumbertus" kommt als Primärhalter somit eher nicht in Frage. Anlass zu Spekulationen gibt in diesem Zusammenhang auch der Eintrag eines gewissen Franz Gatt vom 1. April 1855, bei dem es sich um einen bibliophilen Nachbesitzer handeln könnte. Der von eigener Hand gezeichnete Wappenschild zeigt einen Soldaten, der einen Schwertkampf mit einer gekrönten Raubkatze ausficht – zusammen mit dem MARIA-Monogramm und dem Emblem "Justitia" vielleicht Hinweis auf religiös motivierte Kriegshandlungen oder auch einen inneren Konflikt, den der Tiroler ausgetragen haben könnte.
Literaturangabe
Necker, David de: Ein new vnnd|| künstlich schönes Stam[m] oder|| Gesellen Büchlein/ mit dreyzehen Hi=||storien/ darinnen hundert guter wolgestelter|| Figuren/ sampt jhren darzugehörigen guten|| Reymen erklert / allen Kunstliebenden|| dienstlich vnd nützlich/ wie in der|| Vorred vnd Register zuuer=||nemmen ist. - Gedruckt zu Wienn in Osterreich : durch Hercules de Necker Formschneider, [1579]. - [199] Bl.
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