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Objekt des Monats Dezember 2012: Einblattkalender des Jahres 1603
Der Advent ist jene Zeit im Jahr, in der der Wandkalender – in seiner Ausprägung als Adventkalender für Kinder mit bunten Bildern, kleinen Geschenken oder Schokolade gefüllt – alljährlich seine weiteste Verbreitung in unseren Wohnzimmern findet. Abgesehen von dieser saisonalen Funktion fristen gedruckte Wandkalender heute aber eher ein kärgliches Dasein, sieht man vielleicht von den individuell gestalteten Fotokalendern ab: längst wurden sie von Outlook-Kalender, Filofax und Smart-Phone ersetzt. Umso erstaunlicher ist es, dass großformatig gedruckte Einblattkalender bereits eine lange Geschichte haben; schon seit Jahrhunderten werden sie parallel zu den (freilich viel beliebteren) Schreibkalendern in unseren Landen gedruckt.
Ein gutes Beispiel für einen solchen Kalender ist unser aktuelles Objekt des Monats. Es handelt sich dabei um den Einblattkalender mit dem Titel „Almanach auff das Jahr […] M.DC.III.“, der im Wien des Jahres 1602 vermutlich in der Druckerei der Margarete Formica gedruckt wurde. Er stammt aus der Feder des Wiener Doktors der Philosophie und Medizin, des kaiserlichen Mathematikers und Professors an der Universität Wien, Wilhelm Rechberger, auch Guilielmus Rechperger genannt, von dem vor allem einige Schreibkalender und Prognostiken erhalten geblieben sind. Die Einblattkalender Rechbergers sind indes rar; in der Bibliographie von Josef Seethaler sind bislang nur drei Ausgaben aus der Zeit von 1608 bis 1612 verzeichnet, was unseren, leider nur fragmentarisch erhaltenen Kalender von 1603 immerhin zu deren ältesten bekannten Prototypen macht.
Der Kalender liegt uns in zwei, ca. 22 x 32 cm großen Einbanddeckelfragmenten vor, die etwa zwei Drittel des ursprünglichen Blattes ausmachen. Den oberen Teil des Kalenders ziert eine große Vedute von Wien, die auf Darstellungen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zurückgeht. Der dem Druck zugrunde liegende Holzstock zeigt bereits deutliche Gebrauchsspuren, was sich in einigen Korruptelen - vor allem bei den Gebäudebeschriftungen - bemerkbar macht. Kein Wunder, fand der Druckstock doch, wie Josef Wünsch in seiner Arbeit über die Wiener Kalender-Einblattdrucke (1911) feststellte, schon im Jahr 1574 für den Druck eines Wandkalenders Verwendung und war zu jener Zeit auch noch deutlich „frischer“.
Unter dem von zwei habsburgischen Wappenadlern flankierten Titel ist der eigentliche Kalender mit den einzelnen Monaten angeordnet. Kleine Holzschnittvignetten zu den einzelnen Sonntagen des Kirchenjahres lockern das Layout auf.
Rechperger, Guilielmus: Almanach auff das Jahr nach der Mensch-werdung vnsers eynigen Heylands vnd Seligmachers Jhesu Chri-sti M.DC.III. das dritte nach dem Schaltjahr. Von Erschaffung der Welt 5565. Von der Sündfluß 3909. Die Gulden Zahl ist VIII. Der Sonnen Circkel XVI. Epactae oder Zusatz XVIII. Der Römer Zinßzahl I. Sontags Buchstab E. Zwischen Weyhenachten und Faßnacht VI. Wochen IIII. Täg. Andere bewegliche vnd vnbewegliche Fest werden im Calender angezeygt / sampt beygezechneten roten Creutzlein/ auff welche Täg man fasten sol. [Wien]: [Formica ?], [1602]. Sign. E-323522.
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