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Objekt des Monats Februar 2022: Sphärenklänge im Café

Musik-Nachricht, von Cleopha Lechner, ca. 1795, C-129399/3, Wienbibliothek im Rathaus

Die gebürtige Münchnerin Cleopha Lechner (ca. 1756-1832) besticht nicht nur durch ihren extravaganten Vornamen, sondern gilt auch als eine der bedeutendsten Kaffeehausunternehmerinnen im alten Wien. Dass in ihrem mondänen Café am Fischhof aber nicht nur nach erlesenstem Geschmack Kaffee serviert, sondern auch Konzerte auf mitunter recht ungewöhnlichen Instrumenten zum Besten gegeben wurden, erzählt unser Objekt des Monats Februar: die „Musik-Nachricht“ der Kaffeeprinzipalin, ein kleiner, undatierter Einblattdruck mit einem Satzspiegel von nur 17,5 x 13,8 cm aus der Zeit um 1795, der eine Soiree auf dem Salterio ankündigt.

Das Café Bellevue

Das Kaffeehaus der Cleopha Lechner stand in der Tradition des 1782 von Martin Wiegand unweit des Kärntnertors gegründeten Café Bellevue. Das mehrgeschossige Kaffeehaus mit Balkon war nicht nur eines der elegantesten seiner Zeit, sondern es fügte der Wiener Kaffeehauskultur des 18. Jahrhunderts – mit seinen Leckereien, Erfrischungen und Tabakpfeifen, Billardtischen und Zeitungsangeboten – eine ganz neue Komponente hinzu: erstmals wurden nun auch Musikkonzerte bei Kaffee und Kuchen zum Besten gegeben.

Was Cleopha Lechner, junge Witwe eines bayrischen Buchhaltungsbeamten, dazu bewegte, nach Wien zu übersiedeln und in der Gastronomie ihr Glück zu versuchen, ist nicht bekannt. Als sie 1792 die Lizenz des verschuldeten Wiegand übernahm und das Etablissement an den Hohen Markt, Ecke Fischhof verlegte, stand jedenfalls bereits fest, dass sie dessen musikalisches Konzept übernehmen würde. Trotz zahlreicher Proteste der Kaffeesiederkonkurrenz konnte sie 1793 ihr neues Kaffeehaus nicht nur planmäßig aufsperren, sondern auch die erste Konzertsaison eröffnen. Die Konzerte fanden dabei im ersten Stock statt, wo – wie wir auch unserem Zettel entnehmen können – zwar eine der 15 aufliegenden Zeitungen gelesen, nicht aber geraucht werden durfte. In den Sommermonaten wurde zudem im Freien gespielt, was vermutlich vor allem auf größere Ensembles zugetroffen haben wird: Wir hören da etwa von Streichquartetten und –quintetten; besonderer Beliebtheit dürften sich auch Solos und Duette auf Blasinstrumenten (Horn und Fagott) erfreut haben.

Das Salterio – ein Exote im Wiener Kaffeehaus

Sicher zu den Konzerten der „exotischeren“ Art gehörte jenes auf dem Salterio, von dem unsere „Musik-Nachricht“ berichtet. Das Instrument gehört zur Familie der Kastenzithern und wird mit Fingern bzw. Fingerringen gezupft oder alternativ mit Schlägeln gespielt. Es ist somit sowohl mit der Zither als auch mit dem Hackbrett verwandt und stammt – ebenso wie das griechische Santouri, auf dem Nikos Kazantzakis‘ Romanfigur Alexis Sorbas brillierte – historisch wie auch etymologisch vom mittelalterlichen Psalterium ab. Der Klang des Instruments hat etwas Sphärisches; vielleicht auch deshalb wurde es lange Zeit überwiegend in der Kirchenmusik eingesetzt. Im 18. Jahrhundert scheint es in Italien, aber auch in Spanien schon weit verbreitet gewesen zu sein, wo es – im Gegensatz zu seinen alpenländischen Verwandten – in bescheidenem Umfang auch zum Instrument der klassischen Musik aufstieg. Nördlich der Alpen und in Wien ist es hingegen nur sehr selten belegt, was unsere Ankündigung zur kleinen Rarität macht. In diesem Kontext ist letztlich auch das „fremde Frauenzimmer“ zu sehen, das auf unserem Einblattdruck als Solistin genannt wird: Höchstwahrscheinlich handelte es sich bei ihr um eine italienische Musikerin, die in der Musikstadt Wien auf Tournee oder in einem der zahlreichen Orchester beschäftigt war und sich mit abendlichen Auftritten etwas dazu verdienen wollte.

Aktualität erhält die Erwähnung eines Salterio-Konzerts im Wien der 1790er-Jahre aber auch deshalb, weil genau zu jener Zeit, dem ausgehenden 18. Jahrhundert also, die alpenländische Schwester des Salterio, die Zither, allmählich ihren Weg in die Donauresidenzstadt fand. Zunächst noch auf rustikale Vorstadtgasthäuser und Kirchtage beschränkt, avancierte sie gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zum Modeinstrument, das ganze Konzertsäle füllen konnte und dessen stählerner Klang spätestens mit Anton Karas‘ „Harry Lime Theme“ für „Der dritte Mann“ den Soundtrack zur Stadt lieferte. Vom aktuellen Objekt des Monats ausgehend liegt die Vermutung nahe, dass anonyme, weibliche Musikerinnen an dieser Entwicklung einen größeren Anteil hatten, als uns die Musikgeschichte bisher glauben machen wollte.

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