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Objekt des Monats März 2020: 250 Jahre Hausnummern in Wien

Titelblatt "Verzeichniß der in der k. k. Haupt- und Residenz-Stadt Wien befindlichen Gassen ...", 1773, G-39740

Ob über Toreinfahrten, auf Briefköpfen oder umgangssprachlich als Synonym für beliebig aus der Luft gegriffene Zahlen: Die "Hausnummer" ist in unserem Alltag derart präsent, dass wohl kaum jemand auf den Gedanken kommen würde, dass auch sie einen konkreten Entstehungs- bzw. "Geburtstag" haben könnte. Genau das ist aber dieser Tage der Fall: Am 10. März 1770 wurde per Patent Maria Theresias der Startschuss zu dem Großprojekt der Nummerierung aller Häuser in der gesamten Habsburgermonarchie und somit auch in ihrer Residenzstadt Wien gegeben – wir feiern also den 250. Geburtstag der Hausnummern in Wien.

Mit der Nummerierung der Wiener Häuser bekamen auch die Häuserverzeichnisse, deren erstes in Wien bereits 1701 erschienen war und die später als "Häuser-Schemata" weit verbreitet und zu Vorläufern der modernen Adressbücher werden sollten, ein neues, "objektives" Ordnungskriterium: Die Hausnummern, die auf den Häusern in den Vorstädten in schwarzer, in der Innenstadt aber in roter Farbe aufgetragen waren, bildeten ab jetzt den Ariadnefaden, der durchs Häuserdickicht der Hauptstadt führte.

Das erste "Häuserverzeichnis" mit Konskriptionsnummern

Das älteste dieser "neuartigen" Häuserverzeichnisse möchten wir als Objekt des Monats März 2020 vorstellen. Es erschien 1773 unter dem etwas sperrig anmutenden Titel "Verzeichniß der in der K. K. Haupt- und Residenz-Stadt Wien befindlichen Gassen, Hausinnhabern, deren Schildern und numerirten Häusern".  Beginnend mit Hofburg (Nr. 1) und Reichskanzlei (Nr. 2) führt es uns in Schlagenlinien durch die gesamte Stadt, hält sich oft nur an einer Straßenseite, um – nach einigen Haken durch diverse Seitengassen – auf der anderen Straßenseite wieder zurückzukehren und schließlich beim "Wachthaus" (Nr. 1340) anzukommen. Fast möchte man mit dem Buch in der Hand heute noch auf Touristenpfaden durch die Stadt spazieren, wären da nicht uns befremdlich erscheinende Toponyme wie die "Elendsbastey" oder das "Hundsfuttgassel", die man im heutigen Stadtbild vergeblich sucht. Vielleicht war das Buch damals auch tatsächlich für diesen Zweck gedacht, worauf das handliche Format und die hübsche Aufmachung hinweisen könnten. Aber auch als Hilfsmittel für Briefträger, Lieferanten oder städtische Beamte hätte das Bändchen mit seinem kurzen Straßenregister am Schluss äußerst nützliche Dienste erwiesen.

Verlegt wurde das Häuserverzeichnis, das in zierlichem Duodez-Format über ein Kupfertitelblatt samt Vedute von Wien verfügt, bei Johann Thomas von Trattner (1719-1798). Trattner war einer der herausragenden Unternehmer des aufgeklärten Merkantilismus in Österreich. In seinem weit verzweigten Unternehmen waren praktisch alle Sparten der Buchbranche vereint: von der Papier- und Letternproduktion über Verlag, Druckereien und Buchhandlungen bis hin zu Leihbibliotheken und Lesekabinetten – ein wahrer "Medienmogul" seiner Zeit! Trattners "Verzeichniß" aus dem Jahr 1773 erlebte im darauffolgenden Jahr eine erweiterte Neuauflage, danach traten auch andere Wiener Verleger wie etwa Joseph Kurzböck oder Joseph Gerold mit eigenen Häuserverzeichnissen auf den Markt.

An der Neuauflage des Jahres 1774, in der bereits drei Häuser mehr verzeichnet waren als im Jahr zuvor, lässt sich bereits das Problem der Häusernummerierung im Ansatz erkennen. Bürokratischer Hintergrund für die Nummerierung war nämlich weniger die Orientierung in der Stadt als die neu eingeführte Militärpflicht und die damit verbundene "Seelenkonskription" – weshalb die neuen Nummern ja auch als "Conscriptions-Nummern" bezeichnet wurden. So erfolgte die Durchnummerierung der Häuser recht willkürlich, die Beamten spazierten durch die Stadt und nahmen die Häuser links und rechts des Weges in ihre Liste auf. Für Neubauten, Häuserabrisse oder Parzellenzusammenlegungen war in diesem System jedoch kaum Freiraum vorgesehen, sodass neue Häuser – unabhängig von ihrer tatsächlichen Lage – ans Ende der Liste gesetzt wurden. Das Ordnungsprinzip, das eigentlich die Orientierung im Raum gewährleisten sollte, geriet in Unordnung und wurde "tendenziell zu einer Ordnung der Zeit" (Anton Tantner).

Infolgedessen mussten in Wien immer wieder Teil- oder Gesamtneunummerierungen vorgenommen werden, bis man schließlich 1860 zum System der Orientierungsnummern, wie wir sie heute kennen, überging: Jede Straße oder Gasse wird seither gesondert nummeriert, die geraden Hausnummern links und die ungeraden rechts.

Weiterführende Links

Archiv der Objekte des Monats 2020: