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Neuerwerbung: Teilvorlass Joseph Peter Strelka (ZPH 1700)

Joseph Peter Strelka auf einem New Yorker Skyscraper, August 1966. Aufnahme: vermutlich Alfred Gong. WBR, HS, Vorlass J. P. Strelka, ZPH 1700, Archivbox 1, 2.1.36. © Wienbibliothek im Rathaus

Mit dem neuesten Teil des Vorlasses von Joseph Peter Strelka (ZPH 1700) geht der nunmehr vierte Teilbestand in die Benützung, nachdem die ersten Tranchen des persönlichen Archivs in den Jahren 2005 und 2007 an die Wienbibliothek gelangt waren. Sie enthielten mehr als 100 Briefe Friedrich Torbergs aus der Zeit von 1945 bis 1979. Auch das neue Material besticht durch seine Briefhaltigkeit, enthält es doch rund 800 Korrespondenzstücke, die knapp 200 Schreiberinnen und Schreiber aus aller Welt an den Germanisten und Hochschullehrer J. P. Strelka gerichtet haben. Darunter befinden sich prominente Absender wie der britische Autor, Historiker und Holocaustüberlebende H. G. Adler (1910–1989), der belgische Dichter Herwig Hensen (1917–1989), der polnische Philosoph Roman Ingarden (1893–1970), der deutsche Starjounalist Thilo Koch (1920–2006), der ostdeutsche Autor Günter Kunert (1929–2019), der russische Exilschriftsteller Yuri Mamlejev (1931–2015), der zeitweilige Aufbau-Lektor Gerhart Pohl (1902–1966) oder der US-Erfolgsschriftsteller Robert Penn Warren (1905–1989).

Der am 3. Mai 1927 in Wiener Neustadt geborene Joseph Peter Strelka strebte nach Ende des Krieges die Karriere als Literaturwissenschaftler an, promovierte und habilitierte erfolgreich an der Universität Wien. Europa tauschte er 1964 gegen die USA, wo er an der University of Southern California in Los Angeles, der Pennsylvania State University und schließlich an der State University of New York in Albany lehrte. Es kann daher nicht verwundern, dass er mit etlichen Exilgermanisten einen engen Austausch pflegte, wie etwa mit Hans Eichner (1921–2009), Erich Heller (1911–1990), Werner Vordtriede (1915–1985) und René Wellek (1903–1995). Dazu zählte auch der in Israel wirkende Karl-Kraus-Experte Werner Kraft (1896–1991). Strelka stand zudem mit zahlreichen Schriftstellerinnen und Schriftstellern in Kontakt, die vor Hitlers Herrschaft geflohen waren. Wie sehr ihm der Ruf als Doyen der Exilforschung vorauseilt, lässt sich etwa an einem Brief von Hans Sahl (1902–1993) ablesen. Der gebürtige Dresdner, der deutsch schreibend in New York lebte, suchte händeringend nach Lesern in Europa. Sein Band „Wir sind die Letzten“, der 1976 erschien, enthält auch das titelgebende Gedicht, eines der berühmtesten des Nachexils, weil es die Verzweiflung der Vertriebenen in erstaunliche Verse goss: „Wir sind die Letzten. / Fragt uns aus. / Wir sind zuständig. / Wir tragen den Zettelkasten / Mit den Steckbriefen unserer Freunde / wie einen Bauchladen vor uns her. / Forschungsinstitute bewerben sich / um Wäscherechnungen Verschollener, / Museen bewahren die Stichworte unserer Agonie / wie Reliquien unter Glas auf.“ Am 27. Mai 1976 wünschte sich Sahl mit einem kurzen Satz einen Rezensenten für dieses Buch: „Strelka und kein anderer.“ Dieser fühlte sich zuständig und besprach den Band für die New Yorker Wochenzeitung „Aufbau“. Auch ansonsten kümmerte sich Strelka um Exilanten und deren Werk, korrespondierte beispielsweise mit Martha Feuchtwanger (1891–1987), Alfred Gong (1920–1981), Fritz Hochwälder (1911–1986), Ludwig Marcuse (1894–1971), Stella Rotenberg (1916–2013), Will Schaber (1905–1996) oder Albert Theile (1904–1986).

Das größte Konvolut des Bestands bilden freilich die rund 160 Korrespondenzstücke des am 8. September 1939 in Hall in Tirol geborenen Dichters Karl Lubomirski. Andere zahlreiche Korrespondenzen führte Strelka mit Ilse Brem (*1945), György Sebestyén (1930–1990), Erich Wolfgang Skwara (*1948), Karl E. Trauttmansdorff (*1927) und Paul Wimmer (1929–2008). Die ebenfalls an Zahl und Inhalt umfänglichen Briefe von Ernst Schönwiese liegen lediglich in Kopie vor.

Ein besonderes Korrespondenz-Konvolut beinhaltet Briefe von den Beiträgerinnen und Beiträgern zur Festschrift für Friedrich Torberg, die Strelka zu dessen 70. Geburtstag im Jahr 1978 herausgegeben hat. Hierzu zählen knapp 40 Schreiben, u. a. von Ephraim Kishon, Arthur Koestler, Leopold Lindtberg, Marcel Reich-Ranicki, Brigitte Schwaiger, Manès Sperber oder Hans Weigel.

Abschließend sei ein besonderes „Schmankerl“ des Bestands erwähnt, der eine verblüffende Verbindung zu einem anderen bedeutenden Bestand der Handschriftensammlung aufweist, namentlich zum Nachlass von Paula von Preradović. Denn durch Notenmaterial und Text ist anhand von schönen Originalen belegt, dass auch der 19jährige Joseph Peter Strelka 1946 am Preisausschreiben für die neue Bundeshymne teilgenommen hat – im Vergleich zu Preradović freilich erfolglos.

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