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Im Lesesaal mit Eva Berger

Wo Milch und Wein fließen: Eine historisch-lukullische Gartenreise

Eva Berger

ein Portrait von Tanja Paar

"Da floss tatsächlich Wein statt Wasser im Brunnen", erzählt die Kunsthistorikerin Eva Berger. Sie ist a.o. Professorin an der TU Wien am Fachbereich Landschaftsplanung und Gartenkunst. 2012 veröffentlichte sie ihr Buch "Menschen und Gärten im Barock", für das sie, wie schon für viele wissenschaftliche Arbeiten davor, in der Wienbibliothek recherchierte. "Die historischen Reisebeschreibungen und Wientopografien aus dem Barock sind für meine Recherche unendlich hilfreich", sagt Berger. "Ich bin hier in der Druckschriftensammlung praktisch seit 1974 Dauergast."

"Mich hat vor allem die Nutzung der Barockgärten interessiert", fährt sie fort. "Wem waren diese Gärten zugänglich? Für mich steht immer auch die Sozialgeschichte im Fokus, nicht ausschließlich die reine Formgeschichte, wie sie in der Kunstgeschichte oft betrieben wird." Hilfreich für ihre Arbeit waren zum Beispiel Kupferstiche aus der Zeit, auf denen die diversen Lustbarkeiten in den Parks dargestellt wurden. "Ringelspiele, Kegelbahnen und die besagten Brunnen, die an Feiertagen schon einmal mit Wein gefüllt wurden."

Dabei war es – wie früher oft angenommen – nicht so, dass nur die Auftraggeber der Schlossparks, also die höchsten Stände, diese nutzten: "Teil ihres Standes ist es ja, zu repräsentieren, zu zeigen, wie Jürgen Habermas es nennt. Der ganze Prunk hinter hohen Mauern macht ja keinen Sinn", sagt Berger. Also durften auch die einfachen Stände die Parks nutzen. Da deren Arbeitszeit aber in der Regel vom Morgengrauen bis zur Dunkelheit reichte, konnten sie dies meist nur an Feiertagen nutzen. Davon gab es im Barock aber rund doppelt so viele wie heute.

Viel mehr Feiertage

"Vom Fußwaschungsritual am Gründonnerstag bis zu diversen Feiertagen, an denen das Kaiserhaus und mit ihm das Volk zu diversen Wallfahrtskirchen pilgerte – an Feiertagen war kein Mangel", erzählt Berger. Erst die strenge Maria Theresia kürzte die auf die Hälfte. "Sie war ja streng religiös und verfügte z.B., dass die Vergnügungseinrichtungen im Prater am Sonntag erst am Nachmittag öffnen durften. Am Vormittag sollten die Leute in die Kirche gehen." Ansonsten sei man im Barock durchaus lustfreundlich gewesen: "Wer gesund und fit war, hatte ein wunderbares Leben. Die Stadt war ja noch viel luftiger und weiter mit großen Freiflächen, nicht so dicht und laut wie heute. Allerdings gab es auch schreckliche Seuchen, gegen die man kein Mittel kannte."

Flaniert wurde in Wien am Glacis zwischen Innerer Stadt und den Vorstädten. Die Befestigungsanlage war noch erhalten, durfte aber begangen werden: "Es gab da Viehhandel, Holzlagerplätze, aber auch Kaffehäuser. Man konnte promenieren, das Glacis war ein Ort, wo sich die Stände vermischten. Es gibt da sehr unterhaltsame Beschreibungen von Johann Pezzl, wann am Tag welche Stände auftreten. Und natürlich die so gennannten 'Eipeldauer-Briefe' von Johann Richter, die stehen auch hier in der Wienbibliothek."

Daneben forschte sie mit Zeremonienbüchern und Hofordnungen, die regelten, wer wo wie auftreten und eintreten durfte: "Zum Beispiel die beiden Bücher von Julius von Rohr aus den Jahren 1728 und 1729 waren dabei sehr wertvoll."

Bereits bevor sich Eva Berger auf Barockgärten und Gartenanlagen insgesamt spezialisierte, forschte sie an der Wienbibliothek: "Ich begann während meines Studiums und arbeitete hier zu einem Jugendstilgebäude im 1. Bezirk, dem Zacherlhaus, dann zu Wiener Barockpalästen. Schnell stieß ich auf Gustav Gugitz und dessen 5-bändiges Werk der Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien, erschienen 1947-1958. Da finden sich alle Signaturen der Wienbibliothek von Beginn des Drucks an. Ein Eldorado!" Suchte sie zum Beispiel Informationen zum Stadtpalais der Familie Liechtenstein: Treffer mit Seitenangabe! Auch bei ihrer Dissertation zu barocker Schlossbaukunst war ihr der "Gugitz" eine große Hilfe.

Der Lehmann

Ab 1984 arbeitete Berger mit KollegInnen an einem Forschungsprojekt an der TU Wien zur Inventarisierung der Gartenanlagen ab dem 16.Jahrhundert bis um 1930 in Österreich. "Besonders in Wien gab es ja eine reiche Villen- und Baukultur, von Seiten des Bundesdenkmalamtes wurde die Erfassung damals erst begonnen", erzählt sie. "Ich habe also historische Garten- und Architekturzeitschriften durchforstet, die sich ebenfalls in der Wienbibliothek finden. Besonders hilfreich war der so genannte Lehmann, wo alle Adressen seit 1859 notiert sind, ab 1925 bis 1942 wurden sogar die einzelnen Bewohner der Häuser verzeichnet – bereits vor dem Anschluss 1938. Früher stand der Lehmann im Bearbeiterzimmer des Lesesaals, heute ist das alles digitalisiert, sehr praktisch."

Berger arbeitete an dem Riesenprojekt, das von der Renaissance bis in die 1930er-Jahre reicht, bis 2004. Der dritte Band der Publikation ist Wien gewidmet und umfasst über 400 öffentliche und private Gartenanlagen. "Ungefähr vier Fünftel der Anlagen waren davor nicht erfasst gewesen. Bei den Freiflächen, da ist der Kunsthistoriker ja oft zögerlich", sagt sie lachend. Dabei gäbe es zum Beispiel noch aus dem Biedermeier erhaltene Gärten mit bezaubernden Pavillons: "In der Greinergasse im 19. Bezirk habe ich einen solchen Garten fast unverändert vorgefunden."

"Adressen ohne Ende" jedenfalls habe sie auf Karteikarten "in kleiner Fitzelschrift" gesammelt. "Manchmal sind die Angaben so, dass es auch mit dem Lehmann fast unmöglich ist, sie zu finden. Zum Beispiel: Villa des Herrn Doktor W. Kierling, Klosterneuburg. Oder nur: Klagenfurt." Da gäbe es noch sehr viel zu erforschen, gerade viele Werke der Wiener Gartenarchitekten seien noch nicht so beachtet: "Ich habe über Josef Oskar Wladar (1900 – 2002) und Albert Esch (1883- 1954) publiziert, v.a. auch über Wohngärten der Zeit nach 1918 im Unterschied zu historistischen Ziergärten. Bei all dem sind natürlich auch historische Stadtpläne sehr wertvoll. Die sind inzwischen großteils digitalisiert".

Die Themen gehen ihr jedenfalls nicht aus: Derzeit arbeitet sie an einem Artikel für die Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für historische Gärten über die einstige Mineralwassertrinkanstalt aus 1818 am Wasserglacis nahe des heutigen Stadtparks. Dort, wo heute der Kursalon steht, wurden "in großen Gefäßen Mineralwässer aus der gesamten Monarchie angeliefert, z.B. aus Karlsbad und Radkersburg, die vor Ort geöffnet und ausgeschenkt wurden". 1867 wurde im Stadtpark der Kursalon eröffnet. 1788 war in der kleinen ersten Erfrischungsanstalt am Wasserglacis von Ziegenmilchmädchen hier noch frische Milch aus der mitgeführten Ziege ausgeschenkt worden.

Infos:

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