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»Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben« – Die Familie des Satirikers Karl Kraus

Presseinformation 10. April 2024

Anlässlich des 150. Geburtstages von Karl Kraus (1874–1936) nimmt die Wienbibliothek im Rathaus diese zentrale Figur der europäischen Moderne in den Fokus. Die Foyer-Ausstellung »Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben« (26. April bis 18. Oktober 2024) zeigt Kraus mittels privater Postkarten, Briefe und Memorabilien erstmals als Teil einer faszinierenden jüdischen Großfamilie. Und auch der erste Band der neuen Publikationsreihe wiener hefte, die sich der Vermittlung und Präsentation der vielfältigen Bestände widmet, stellt Karl Kraus in den Mittelpunkt und geht der Bedeutung von Herkunft, Familie, Sprache und Erinnerung nach. Mit dem neuen, digitalen Karl Kraus-Portal im Wien Geschichte Wiki ist außerdem ein erweiterter, partizipativer Diskurs zu Leben und Wirken des Sprach- und Kulturkritikers, Satirikers, Publizisten und Schriftstellers möglich.

Karl Kraus begann sich bereits in jungen Jahren mit der Wiener Literaturszene, der österreichischen Gesellschaft und der gesamten deutschsprachigen Presse anzulegen. Mit seiner Zeitschrift »Die Fackel« sowie durch öffentliche Kampagnen und Auftritte wurde er schließlich zur gefeierten wie gefürchteten kritischen Instanz seiner Zeit. Zum privaten Kraus ist bisher nur wenig bekannt, hielt er doch seine Familie sowie seine Lieb- wie Freundschaften aus der Öffentlichkeit heraus – und postulierte: »Das Wort ›Familienbande‹ hat manchmal einen Beigeschmack von Wahrheit.«

Die mondäne und progressive Kraus-Dynastie, die sich vom böhmischen Jičín aus in der Welt des mitteleuropäischen Großbürgertums etablierte, blieb daher bis heute großteils im Verborgenen. Die Wienbibliothek im Rathaus, die mit dem Karl Kraus-Archiv einen bedeutenden Bestand zu diesem zentralen Vertreter der Wiener Moderne beherbergt, zeigt mit der Ausstellung »Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben – Die Familie des Satirikers Karl Kraus« in sieben Vitrinen, dass Kraus zeitlebens Teil einer faszinierenden jüdischen Großfamilie war, die ab 1938 Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wurde. Eine reiche und lebendige Familiengeschichte wurde fast völlig ausgelöscht.

Zum 150. Geburtstag von Karl Kraus präsentiert die Schau Briefe, Postkarten, Familienfotos, Memorabilien und Geschichten der Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen, die bisher hinter dem berühmten Sohn, Bruder und Onkel unsichtbar blieben. Zu entdecken gilt es eine ebenso liebevolle wie schwierige Familie, von der sich Momentaufnahmen erhalten haben – von den Geburten und Todesstunden ihrer Mitglieder, vom Umgang mit dem Familienvermögen, von gemeinsamen Sommerfrischen und Reisen und auch vom alltäglicheren Aufeinandertreffen bei Abendessen, in Telefonaten oder nach der Fackel-Lektüre.

»Karl Kraus hinterließ mit seinem umfangreichen Werk ein bedeutendes kulturelles Erbe: Nachdem das Karl Kraus-Archiv in der Wienbibliothek im Rathaus bereits im Jahr 2016 ins UNESCO-Welterberegister ›Memory of the World‹ aufgenommen wurde, ist die jüngste Erweiterung des Archivs durch zusätzliche Manuskripte, Essays und Korrespondenzstücke mit Irma Karczewska eine bemerkenswerte Bereicherung. Diese Originale können in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung neue Erkenntnisse und Perspektiven ermöglichen, die uns die Person Karl Kraus näherbringen«, so Veronica Kaup-Hasler, Amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft. »In diesem Sinne freue ich mich auf die kommende Ausstellung ›Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben – Die Familie des Satirikers Karl Kraus‹, die anhand der vorhandenen und ausgewerteten Memorabilien die private Seite des Wiener Autors und Medienkritikers beleuchtet.«

»Das Karl Kraus-Archiv der Wienbibliothek im Rathaus fasst rund 150 Briefe und Postkarten von Mitgliedern der Familie an den Satiriker und 50 von Karl Kraus an seine Verwandten. Diese Dokumente veranschaulichen, dass Kraus in einem familiären Netzwerk verankert war«, führt Wienbibliothek-Direktorin Anita Eichinger aus. »Wichtig ist es uns, Kraus’ Familie und seine Umgebung aufzuarbeiten, auch um Mystifizierungen entgegenzuwirken. Im neuen Kraus-Portal im Wien Geschichte Wiki wird dieses Netzwerk lebendig, vor allem auch durch Unterstützung der internationalen Forschung, die gemeinsam mit uns Kraus’ Umgebung beleuchtet und damit für die aktuelle Einordung seines Lebens und Wirkens sorgt.«

KINDHEIT

Karl Kraus wurde am 28. April 1874 in der böhmischen Kleinstadt Jičín (Gitschin) geboren. Die Familien seiner Großeltern mütterlicherseits hatten durch Handel großen Wohlstand erwirtschaftet. Einige ihrer Mitglieder waren, teils durch Heirat, teils durch Aufstieg, Teil des großbürgerlichen Wiens geworden. Und die Eltern von Karl Kraus übersiedelten mit ihrer Großfamilie 1877 in die Metropole Wien.

Seine Mutter Ernestine Kraus (1839–1891), eine gebürtige Kantor, und sein Vater Jacob Kraus (1833–1900) hatten da bereits neun Kinder, die sie inmitten von Krieg, Epidemien und wirtschaftlichen Einbrüchen großzogen. Nur ein Sohn, Gustav, war 1871 mit eineinhalb Jahren gestorben.

Die besonders enge Verbindung des jüngsten und oft kränklichen Sohnes Karl zu seiner Mutter fiel schon früh auf – von Schulkollegen wie Hugo Bettauer wurde er später als »Hätschelkind seiner guten, lieben, mütterlichen Mutter« beschrieben. Entsprechend heftig entlud sich Karls Trauer, als Ernestine 1891 an einem Luftröhrenkatarrh starb. Karl war damals siebzehn Jahre alt und bewahrte Andenken an sie – ihr Haar, ein Blatt von ihrem Grab sowie ihren letzten Brief in einem Kuvert mit der Aufschrift »Familiensache«.

Wie viele Söhne um 1900 hatte auch Karl Kraus eine durchaus spannungsreiche Beziehung zu seinem Vater Jacob Kraus. In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dieser nicht von Anfang an jenem kleinstädtischen Handels- und Bildungsbürgertum angehörte, in dem seine Frau Ernestine fest verwurzelt war. Jacob Kraus arbeitete sich erst vom umherziehenden Händler zum Großindustriellen hoch. Kurz nach Karls Geburt begann er – neben seiner bereits florierenden Produktion von Papiersackerln, die er in Mitteleuropa neu eingeführt hatte –, den Vertrieb von Ultramarin oder Waschblau als zweiten großen Geschäftszweig aufzubauen.

Karl Kraus bezog zeitlebens eine Leibrente aus dem Familienunternehmen, in das er sich als einziger Sohn nicht beruflich einordnete – was ihm erst seine Position als Herausgeber der Fackel ermöglichte. Bereits der Vater unterstützte ihn finanziell und nahm Anteil am Leben seines Sohnes, wenn er ihn anlässlich einer Lesung herzlich ermahnte, sich »beim Vortragen Miner[a]lwasser bereit [zu] halten«. Das durchaus ambivalente Verhältnis zum Vater fasste Karl Kraus später in dem Aphorismus: »Die verkommenste Existenz ist die eines Menschen, der nicht die Berechtigung hat, ein Schandfleck seiner Familie und ein Auswurf der Gesellschaft zu sein.«

Da beide Eltern relativ früh in Karls Leben starben, lohnt ein Blick auf die Geschwister – denn um sie geht es, wenn er in seinem Testament erklärt, dass sein Leben »der Arbeit wegen« keine »Familienangelegenheit« sein konnte. Karl Kraus heiratete nie und hatte keine Kinder – beides hielt er für unvereinbar mit der Existenz eines Schriftstellers. »Obgleich Kraus deklarierte, wenig Zeit und Aufmerksamkeit in die Aufrechterhaltung von sozialen Netzwerken, Familien- und Freundschaftsbeziehungen zu investieren, zeigen über 200 Briefe, Postkarten, Fotos und Erinnerungsstücke von und an seine Verwandtschaft, dass er mit seiner Familie zeitlebens in Verbindung stand und keinen Bruch vollzog – denn auch das wäre eine Option gewesen«, ergänzt Ausstellungskuratorin Katharina Prager in diesem Zusammenhang.

Und auch die kleine Wohnung von Karl Kraus in der Lothringerstraße 6 im 4. Wiener Gemeindebezirk, in der er ab 1912 bis zu seinem Tod 1936 lebte, war gefüllt mit Fotografien und Bildern von Personen, die ihm wichtig waren. Neben den Frauen seines Lebens, neben den Freundinnen und Freunden, finden sich – vor allem um den Kamin – auch Bilder der Eltern, der Geschwister und der Orte seiner Herkunft und Kindheit.

»Aphorismen wie ›Ich mische mich nicht gern in meine Privatangelegenheiten‹ brachten Karl Kraus’ öffentliche Haltung zum Umgang mit seinem Privatleben gewitzt auf den Punkt«, so Prager. »Wenn es galt, lästige Nachforschungen oder unerwünschte Darstellungen abzuwehren, zog er sich durchaus auf die umstrittene Trennung von Autor und Werk zurück und meinte, dass ›Fragen nach den Geburtsdaten […] nicht das Geringste mit den Werken eines Autors, zumal mit seinen Werken, zu schaffen haben. ‹ Diese Behauptung hielt ihn freilich nicht davon ab, selbst gern Biografien zu lesen oder von Freundinnen und Freunden initiierte biografische Projekte um seine Person zu unterstützen.«

DIE SCHWESTERN

Eine genderstereotype Erziehung entfremdete bürgerliche Geschwister unterschiedlichen Geschlechts einander früh. Besonders aber durch die enge Bindung an die jüngste ›Lieblingsschwester‹ Marie oder Mizzi, verheiratete Turnowsky (1875–1933) nahm Karl die schwierigere, unfreiere Lage der Schwestern wahr und rief etwa den Bruder Richard zum Verständnis für die »Complicität einer Mädchenseele« auf: Junge Frauen seien einem »Erziehungssystem unterworfen«, das »ohne auf individuelle Anlagen Rücksicht zu nehmen, ausschließlich zwischen ›ledigen‹ und bereits ›versorgten‹ Töchtern unterscheidet und in einer und derselben Comptoirstube Papier und Tochter an den Mann bringt.«

Marie war es, die mit ihren Briefen die gesamte Kraus-Familie zusammenhielt. Auf ihren beinahe sechzig Postkarten aus Bad Ischl, Bad Gastein oder auch Venedig, Monte Carlo und Athen unterschrieben oft mehrere Familienmitglieder. Desgleichen zeigen Karls Postkarten an sie eine sonst unbekannte Seite des unterzeichnenden »Muckerl« – so Karls Spitzname in der Familie.

Eine wichtige und bisher zu wenig beachtete Figur ist etwa seine älteste Schwester Emma, verheiratete Fridezko (1860–1942). Nach einem der ersten Auftritte ihres jüngeren Bruders neckte sie den Siebzehnjährigen in einem Brief aus Bad Ischl. Das Schriftstück zeigt einmal mehr, wie witzig und geistreich die Frauen der Familie waren, die Karl Kraus in seiner Jugend durchgehend umgaben:

Aloisia oder Louise, verheiratete Drey (1863–1942) wiederum heiratete erst mit 30 Jahren den praktischen Arzt Julius Drey, der zu Kinderheilkunde und Geburtshilfe einschlägig publizierte. Wie Mizzi blieb Louise kinderlos. Malvine, verheiratete Weingarten (1865–1955), die vierte Schwester, soll als Einzige aus Liebe geheiratet haben. Sie und ihr Mann, der Jurist Albert Weingarten, galten als modernes Paar, das sich öffentlich für die Frauenbewegung engagierte, die Karl Kraus gern mit misogynen Witzen heruntermachte. In der Presse scheint Malvine als Patronin des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins auf, während ihr Mann unentgeltlich Rechtsbeistand für Frauen anbot. Umso interessanter, dass gerade Malvine, die im US-amerikanischen Exil als Vorleserin der Werke ihres Bruders auftrat, von der Forschung eher ignoriert wurde.

DIE BRÜDER

Bereits Schulkollegen fiel es auf, dass der kränkliche, zarte Karl anders war als seine robusten Brüder Joseph, genannt Peppa (1871–nach 1938) und Rudolf (1872–1943), die wie »Praterathleten« daherkamen und später die traditionellen familiären Rollen von Großindustriellen einnahmen.

Ähnlich wie Emma die Rolle der Mutter übernehmen sollte, wurde Richard Kraus (1861–1909), der »berufsmäßig älteste Bruder«, als Nachfolger des Vaters aufgebaut. Den Jüngsten und den Ältesten verband eine Art Geistesverwandtschaft, die den charmanten und weltgewandten Richard zu Karls Vertrautem und geschätztem Berater – etwa in Konflikten mit dem Vater oder auch bei der Gründung der Fackel – machte. Dies belegen zahlreiche Briefe. Als Richard 1909 mit nicht ganz 48 Jahren starb, übernahm es Alfred Kraus (1867–1938) – Doktor der Chemie – die Familie und ihr Vermögen zusammenzuhalten.

DIE NICHTEN UND NEFFEN

Karl Kraus hatte sieben Nichten und drei Neffen, denen er teils sehr nahestand. Insgesamt belegen Fotos, Erzählungen, Briefe wie auch Karls Texte, dass er sich mit Kindern gut verstand und sich für sie einsetzte.

So gehört ein herzlicher Brief an die 17-jährige Lili, verheiratete Mandl (1890–1956), zu den rund fünfzig Briefen und Karten von Karl an seine Familie, die erhalten geblieben sind. Bei ihrer jüngeren Schwester Ernestine »Nellie«, verheiratete Lechner (1895 bis nach 1942) wohnte Kraus, wenn er in Prag zu tun hatte.

Ähnlich nahe stand Karl als Onkel nur seinem Neffen Stefan Fridezko (1885–1918), dem Sohn seiner ältesten Schwester Emma. Auch Stefan bewunderte den »großen Oheim« und vor allem dessen Antikriegshaltung ab 1914 – Stefan fiel im Juni 1918 im Ersten Weltkrieg, gegen den sein Onkel anschrieb.

Stefans ältere Schwester Margarethe oder Gretl, verheiratete Strauss (1884–unbekannt) hatte offenbar eine ambivalentere Beziehung zu Onkel Karl, dem sie als 7-Jährige frech auf den Familienbrief schrieb: »Guter Onkel! Bitte komme nicht nach Ischl. Gretchen«. Später war auch sie eine eifrige Fackel-Leserin.

Karls Nichten entwarfen sich noch mehr als seine Schwestern als moderne Frauen, die die Öffentlichkeit anders mitgestalteten als die Generation vor ihnen. Renate, verheiratete Austerlitz (1902–1944), Josephs einzige Tochter, lebte geschieden. Marianne, verheiratete Winterberg (1901–1947), die Tochter von Alfred, hatte im Frühsommer 1926 in Prag eine Affäre mit Margarethe Csonka – letztere hatte Sigmund Freud als Jugendliche Anlass zu seiner Schrift »Über die Psychogenese eines Falles weiblicher Homosexualität« (1920) gegeben.

Nach dem Tod von Karl Kraus’ Schwester Marie wurde Malvines Tochter Ernestine »Erny«, verheiratete Pollinger (1894–1964) zur Chronistin der Familie. Sie berichtete, dass Karl bei Zusammenkünften immer alles über die Familie und besonders »alte Familiengeschichten« hören wollte. Erny brachte sich aus dem New Yorker Exil der beginnenden Kraus-Forschung der Nachkriegszeit in Erinnerung, doch die wollte nicht viel von ihr wissen, da ja der Satiriker selbst postuliert hatte, dass sein Leben »keine Familienangelegenheit« sei.

AUSLÖSCHUNG DES FAMILIENGEDÄCHTNISSES

In allen Dokumenten der Familie wird deutlich, dass sie sich der Berühmtheit und Bekanntheit ihres Bruders und Onkels bewusst war, diesen bewunderte und unterstützte. Das Familiengedächtnis der Familie Kraus wurde allerdings durch den Holocaust fast gänzlich ausgelöscht. Vier der 1938 noch lebenden Schwestern und Brüder von Karl Kraus – Emma, Louise, Joseph und Rudolf – wurden als alte Menschen mit ihren Familien in Treblinka, Auschwitz und an anderen Orten ermordet. Malvine konnte als Einzige der Kraus-Geschwister ins amerikanische Exil entkommen. In Konzentrationslagern getötet wurden auch seine Nichten Nellie Lechner, Renate Austerlitz und sein Neffe Richard Kraus (1903–1942).

In den Vermögensanmeldungen aus dem April 1938 an die Vermögensverkehrsstelle – welche die Grundlage für die massenhafte Enteignung der jüdischen Bevölkerung schuf – wird das Leben, Wirken und Vermögen der Familie Kraus nochmals blitzlichtartig und verdichtet vor seiner Auslöschung präsent. Aufgrund nationalsozialistischer Verfolgungs- und Vernichtungsmaßnahmen sind Informationen zum Schicksal der Familienmitglieder von Karl Kraus nur bruchstückhaft erhalten und bis heute nicht lückenlos aufgeklärt.

KARL KRAUS UND DIE WIENBIBLIOTHEK IM RATHAUS

Dem Juristen und Bibliothekar Paul Schick (1904–1975) gelang es nach seiner eigenen Rückkehr aus dem amerikanischen Exil große Teile des verstreuten Kraus-Nachlasses an die heutige Wienbibliothek im Rathaus zu holen. Er schrieb auch eine der ersten Kraus-Monografien und sicherte wichtige Daten zu Herkunft und Familie.

Während seine Kraus-Biografie bis heute als Grundlage der Kraus-Forschung geschätzt wird, blieb seine Frau als wichtige Kraus-Expertin weitgehend unbekannt: Sophie Schick (1914–1995) kannte zwar die Materialien des Kraus-Archivs wie kaum jemand anderer und die Kraus-Forschung kannte sie als Persönlichkeit, doch ihre Deutung des Lebens und Werks von Karl Kraus blieb bis heute unpubliziert. Ihr verdanken wir die präziseste Aufarbeitung von Kraus’ Kindheit und Jugend – dieses Kapitel aus ihrer fragmentarischen Kraus-Biografie wird bis heute in allen Kraus-Biografien weitgehend abgeschrieben.

Die erste Ausgabe der neuen Publikationsreihe wiener hefte der Wienbibliothek im Rathaus stellt daher nicht nur Karl Kraus in den Mittelpunkt, indem der Bedeutung von Herkunft, Familie, Sprache und Erinnerung nachgegangen wird. Erstmals veröffentlicht wird auch ein Ausschnitt aus der Fragment gebliebenen Kraus-Biografie von Sophie Schick, die maßgeblichen Anteil am Aufbau des Karl Kraus-Archivs der Wienbibliothek im Rathaus hatte.

»Familiensachen. Karl Kraus und seine Archivarin Sophie Schick«
wiener hefte – 1

Hrsg. von der Wienbibliothek im Rathaus
Mit Texten von: Katharina Prager, Sophie Schick, Martina Bilke
Kostenlos erhältlich ab 26. April 2024 in der Wienbibliothek im Rathaus zu den Öffnungszeiten

wiener hefte
Die wiener hefte werden sich Jubiläen zuwenden, Ausstellungen ergänzen oder besonders interessante Materialien und Objekte aus den Sammlungen in Diskussion bringen. »Mit den wiener heften wollen wir Einblicke in die vielfältigen Bestände unserer Bibliothek geben. Wir erkunden materialreich und essayistisch unsere Sammlungen, ihre Themen und Geschichten. So können Geschichte/n der Stadt neu erkundet und andere Perspektiven eingenommen werden«, betont Anita Eichinger, Direktorin Wienbibliothek im Rathaus.

VERANSTALTUNGSHINWEISE

AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG
mit Katharina Prager und Claus Philipp
Donnerstag, 25. April 2024, 18.30 Uhr, Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus

WIENER VORLESUNG zu Karl Kraus
mit einer Lesung von Karl Markovics
Vortrag von Katharina Prager, Gespräch mit Gerald Krieghofer
Montag, 29. April 2024, 19.00 Uhr, Gartenbaukino
Alle Veranstaltungen der Wiener Vorlesungen hier

KRAUS LECTURES bei den WIENER FESTWOCHEN 2024

»MEINE ZEIT WIRD NICHT KOMMEN«
Eine Hommage zum 150. Geburtstag von Karl Kraus in fünf »Vorlesungen«
Alle Infos
hier

Kraus Lectures 1: Die Unüberwindlichen
Cornelius Obonya, Florian Scheuba
SO, 26. Mai 2024, 11.00 Uhr, Odeon

Kraus Lectures 2: Reklamefahrten zur Hölle – Die 700. Vorlesung remixed
Petra Slottova, Samouil Stoyanov
SO, 2. Juni 2024, 11.00 Uhr, Odeon

Kraus Lectures 3: Blaubart – eine Offenbachiade
Boris Eder, Sir Henry
SO, 9. Juni, 11.00 Uhr, Odeon

Kraus Lectures 4: Karl Kraus contra ...
Clemens J. Setz, Robert Stadlober, Barbara Zeman und Onkel Gusta
SO, 16. Juni, 11.00 Uhr, Odeon

Kraus Lectures 5: Rage is a good feeling. Die letzten Tage der wilden Kerle
Thea Ehre, Nick Romeo Reimann, Olivia Axel Scheucher
SO, 23. Juni 2024, 11.00 Uhr, Haus der Republik

Eine Kooperation von Wienbibliothek im Rathaus und Wiener Festwochen

Der 150. GEBURTSTAG VON KARL KRAUS IN DER WIENBIBLIOTHEK IM RATHAUS

Vor 150 Jahren wurde der Wiener Satiriker, Dramatiker und Lyriker Karl Kraus (1874–1936) geboren. Einige seiner prägnanten Sätze werden täglich in vielen Sprachen der Welt zitiert, sein Drama »Die letzten Tage der Menschheit« wurde ein internationaler Klassiker. Für einige ist er eine fixe Größe der europäischen Kultur, für andere eher eine Art ferner Mythos. In diesem Spannungsfeld ist Karl Kraus als zentrale und facettenreiche Persönlichkeit der Wiener Moderne immer wieder neu zu erzählen.

Die Wienbibliothek im Rathaus, in die sein Nachlass fast gänzlich aus dem Exil zurückkam, setzt sich in diesem Jubiläumsjahr vielfach mit diesem kritischen Geist, der sich gegen den Zeitgeist aufbaute, auseinander. Die Ausstellung »Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben – Die Familie des Satirikers Karl Kraus« nimmt ab 26. April die faszinierende jüdische Herkunftsfamilie des Satirikers in den Fokus, deren vielfältige Geschichte durch den Holocaust fast ausgelöscht wurde.

Eine Wiener Vorlesung mit Katharina Prager, der Herausgeberin des Kraus-Handbuchs, und Gerald Krieghofer, dem bekannten Wiener Kraus-Experten, stellt Leben und Wirken des Schriftstellers zur Debatte. Karl Markovics liest im Rahmen dieser Veranstaltung ausgewählte Texte von Karl Kraus, dessen aufklärerischer Witz immer noch begeistert.

Nicht zuletzt schreibt ein Karl Kraus-Portal im Wien Geschichte Wiki sein Leben und sein Netzwerk in die Geschichte Wiens ein und bringt neue Erkenntnisse und Entdeckungen der Kraus-Forschung einer breiten Öffentlichkeit nahe. Die Autor*innen des Portals sind Kraus-Forschende aller Länder und Generationen, die ihr Wissen einbringen, um Kraus erneut erlebbar und verständlich zu machen.

KARL KRAUS-ARCHIV der Wienbibliothek hier
Digitalisierte Bestände zu Karl Kraus in der WIENBIBLIOTEK DIGITAL hier
KARL KRAUS-PORTAL im Wien Geschichte Wiki hier

LITERATURHINWEIS

Katharina Prager, Simon Ganahl (Hg.)
Karl Kraus-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung
Berlin, J.B. Metzler, 2022, 545 Seiten
ISBN: 978-3-476-05803-4 (Hardcover)
ISBN: 978-3-476-05804-1 (eBook)

Links

Presseinformation: FOYER-AUSSTELLUNG »Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben – Die Familie des Satirikers Karl Kraus« (PDF)

Pressekontakt und Bildmaterial-Anfragen:

vielseitig ||| Mag.a Valerie Besl
t: +43 1 522 4459 10, m: +43 664 8339266, valerie.besl@vielseitig.co.at

Wir bitten Sie, im Rahmen Ihrer Berichterstattung auf die Wienbibliothek im Rathaus hinzuweisen.

Karl Kraus im Alter von etwa fünf Jahren © Wienbibliothek im Rathaus
Eine von Karl Kraus angelegte Sammlung von Andenken an die Mutter in einem Umschlag mit der Aufschrift »Familiensache, gehört meiner lieben Schwester Marie nach meinem Tode« © Wienbibliothek im Rathaus
Brief von Jacob Kraus an Karl Kraus, 1. Oktober 1893, anlässlich einer Lesung seines Sohnes in München © Wienbibliothek im Rathaus
Kinderbild von Marie Kraus, verheiratete Turnowsky, und Karl Kraus um 1885 © Wienbibliothek im Rathaus
Postkarte von Louise Drey an Karl Kraus, undatiert © Wienbibliothek im Rathaus
Vermutlich ein Kinderbild von Richard und Emma Kraus, um 1870 © Wienbibliothek im Rathaus