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Objekt des Monats Februar 2020: Der Faschingskrapfen hat wieder Saison

Illustration einer Krapfenpyramide, "Die süddeutsche Küche", 1907, A-320958

Der Brauch, am Höhepunkt des Faschings noch einmal Krapfen zu essen, bevor die 40-tägige Fastenzeit beginnt, lässt sich schon für den barocken Kaiserhof nachweisen. So berichtete das "Wienerische Diarium" während der Regierungszeit Karls VI. (1711–1740) regelmäßig über das jährlich auf der "Bellaria" (damals eine freie Fläche hinter der Burgbastei) stattfindende "Krapfenschießen". Wie viele höfische Bräuche wurde auch dieser vom Bürgertum übernommen und wird noch heute in manchen Sportschützenvereinen gepflegt.

Die Geschichte des Krapfens

Doch die Geschichte des Krapfens reicht noch viel weiter zurück, nämlich bis in die römische Antike. Rundes Gebäck (sogenannte Globoli) wurde in Fett gebacken und mit Mohn und Honig bestrichen. Als Festgebäck wurde es zu den Bacchanalien gegessen, einem ausgelassenen Frühlingsfest zu Ehren des römischen Weingottes, bei dem sich die Feiernden verkleideten und Alkohol in Strömen floss – Assoziationen mit allzu ausschweifendem Faschingstreiben drängen sich auf.

Mittelalterliche Kochbücher kannten sowohl süße als auch pikante Krapfen, doch wurden sie damals nicht aus Germteig gebacken. Formen, Teig und Füllungen variierten. Pikante Krapfen konnten durchaus Käse, Gemüse, Fisch oder Fleisch enthalten, süße Krapfen wurden mit Honig, Nüssen, Äpfeln oder anderen Früchten zubereitet. Schon im Spätmittelalter lassen sich "Schmalzkochereien" in Wien nachweisen, in denen Krapfen gebacken wurden. Verkauft wurde die Mehlspeise von sogenannten "Krapfenweibern". Eine dieser Krapfenhändlerinnen soll Cäcilia Krapf geheißen und um 1690 runde Gebäckstücke, die sogenannten "Cillykugeln", erfunden haben. Die Volksetymologie leitete aus ihrem Namen fälschlicherweise das Wort Krapfen ab. Tatsächlich kommt die Bezeichnung aus dem althochdeutschen "krapho" bzw. dem mittelhochdeutschen "krapfe", was so viel wie "Haken" heißt, was auf eine ursprünglich kipferlähnliche Form hinweist.

Einfache Krapfen spielten wie viele andere im Schmalz gebackene Speisen auf Getreidebasis in der bäuerlichen Alltagsküche eine wichtige Rolle. Krapfen, die je nach Regionalität und Anlass mit Dörrobst, gewürztem Wein oder Honig verfeinert wurden, hatten jahrhundertelang ihren fixen Platz im Brauchtum und als Festtagsspeise. An die einstige Varietät erinnern heute noch Klassiker der österreichischen Mehlspeisküche, die die Bezeichnung "Krapfen" im Namen tragen, wie beispielsweise Punschkrapferln, Prügelkrapfen und Brandteigkrapfen.

Die Tradition des Faschingskrapfen

Während die oben beschriebenen Mehlspeisen das ganze Jahr über gegessen wurden und werden, denkt man heute beim Wort Krapfen vor allem an Faschingskrapfen. Anhand von Kochbüchern in der Wienbibliothek lässt sich die Entstehungsgeschichte dieser traditionellen Mehlspeise sehr gut nachvollziehen.

In ihrem "Gantz neuem und nutzbahren Koch-Buch" präsentierte Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein 1701 anonym als "Hoch-Adeliche Persohn" unter vielen verschiedenen Krapfenrezepten auch eines, um "Gerben [Germ]-Krapfen zu machen". Der Teig aus angewärmtem Mehl, Eiern, lauwarmer Milch, Butter, Germ und warmem Wasser unterscheidet sich kaum von einem "modernen" Germteig, aus dem heute Faschingskrapfen hergestellt werden. Doch waren die Krapfen bei Elenora Maria Rosalia von Liechtenstein noch ungefüllt.

Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts brachten Zeitungen in den ersten beiden Monaten des Jahres unzählige Inserate für Faschingskrapfen, die von Krapfenbäckerinnen in verschiedenen Qualitäten und Größen angeboten und auch nach individuellen Kundenwünschen innerhalb weniger Stunden gebacken wurden. Die Preisspanne erstreckte sich von zwei Kreuzern für "ordinäre" bis zu zwölf Kreuzern für "extrafeine" Krapfen, was immerhin dem Preis für ein einfaches Mittagsmenü entsprach. Ebenso kann man den Inseraten entnehmen, dass manche Wirte und Cafetiers versuchten, Publikum anzulocken, indem sie in einige Krapfen, die bei Faschingsveranstaltungen serviert wurden, Dukaten und andere Münzen einbuken ("Dukatenkrapfen"). Aber auch bei Hofbällen waren Faschingskrapfen eine kulinarische Konstante. Im Fasching 1815 – während des Wiener Kongresses – sollen in Wien rund zehn Millionen Stück verspeist worden sein. Überhaupt stand der Faschingskrapfen im 19. Jahrhundert als Symbol für den Fasching und für Fröhlichkeit, wovon humoristische Schriften und Scherzgedichte sowie kleine Kompositionen aus den Beständen der Druckschriften- und der Musiksammlung der Wienbibliothek Zeugnis ablegen.

Im Biedermeier waren Faschingskrapfen mit Fruchtfüllungen bereits etabliert. Der Chemiker und fürstliche Koch Franz G. Zenker schlug 1831 in seiner Bearbeitung eines Kochbuches von Ignatz Gartler und Barbara Hikmann aus dem 18. Jahrhundert nicht näher spezifiziertes "Eingesottenes", also eingekochte Früchte, als Füllung vor. Die zu ihrer Zeit überaus populäre Kochbuchautorin Anna Dorn, eine Zeitgenossin Zenkers, füllte Krapfen mit Kirsch-, Johannisbeer-, Apfel- oder Zwetschkenmus.

1858 publizierte Katharina Prato das erste wirkliche Standardwerk zur österreichischen Küche, die "Süddeutsche Küche", das 1907 bereits in der 21. Auflage erschien. In dieser Neuauflage widmete Pratos Enkelin Viktorine von Leitmaier nicht weniger als vier Seiten der Zubereitung von verschiedenen Krapfenvariationen, die bevorzugte Füllung für Faschingskrapfen war bereits "Marillensalse" (Marillenmarmelade). Salse von Zwetschken oder Himbeeren wurde als Alternative vorgeschlagen. Wie in anderen historischen Rezepten wurde sowohl bei Zenker als auch bei Dorn und Prato die Fülle mitgebacken. Erst seit dem zwanzigsten Jahrhundert wird die Marmelade auch nachträglich in die fertig gebackenen Krapfen gespritzt.

Heute ist für echte Faschingskrapfen Marillenmarmelade Standard. Andere Füllungen wie Erdbeermarmelade, Nougat oder die in Wien so beliebte Vanillecreme müssen gemäß dem "Österreichischen Lebensmittelbuch" entsprechend ausgewiesen werden.

Quellen

Eleonora Maria Rosalia, Herzogin von Troppau und Jägerndorf: Ein gantz neues und nutzbahres Koch-Buch : In welchem Zu finden, wie man verschiedene herrliche und wohl-schmäckende Speisen von gesottenen, gebrattenen und gebachenen, als allerhand Pastetten, Dorten, Krapffen, etc. sehr künstlich und wohl zurichten ... Wien: Voigt 1701.

Ignatz Gartler / Barbara Hikmann: Allgemein bewährtes Wiener Kochbuch in zwanzig Abschnitten : welches Tausend einhundert und ein und dreyßig Kochregeln für Fleisch- und Fasttage, alle auf das deutlichste und gründlichste beschrieben, enthält. Nebst einem Anhange in fünf Abschnitten, worin man einen allgemeinen Unterricht, was man in der Küche, ... zu beachten habe, findet; mit bequemen Speisezetteln. Jetzt umgearb. u. verb. von F. G. Zenker. Wien: Gerold 1831.

Anna Dorn: Allgemein bewährtes Wiener Kochbuch oder vollständige Anleitung sowohl die vornehmsten Tafeln als auch die gewöhnliche Hauskost […] mit den mindesten Kosten zu bestreiten. Wien: Tendler 1849.

Berühmte Krapfen-Recepte und die Heirath durch Krapfen / Herausgegeben von Corbinianus Fasching. Wien: Johann Nepomuk Fridrich [1850].

Katharina Prato: Die Süddeutsche Küche. Hrsg. von Viktorine von Leitmaier. Graz: Styria 211907.

Literatur

Heinz Dieter Pohl: Die österreichische Küchensprache. Ein Lexikon der typisch österreichischen kulinarischen Besonderheiten. Wien: Praesens Verlag 2007.

Franz-Maier: Bruck: Vom Essen auf dem Lande. Das große Buch der österreichischen Bauernküche. Wien: Kremayr & Scheriau 1999.

Ewald Plachutta / Christoph Wagner: Die gute Küche. Das österreichische Jahrhundert-Kochbuch. Wien: Orac 1993.

Franz Maier-Bruck: Das Große Sacher-Kochbuch. Die österreichische Küche. München: Schuler 1975.

Weiterführende Links

 

Archiv der Objekte des Monats 2020:

Kapitel "Von allerhand Krapffen und Backwerck", "Gantz neuem und nutzbahren Koch-Buch", Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein, 1701, A-309052, Seite 45
Kapitel "Von allerhand Krapffen und Backwerck", "Gantz neuem und nutzbahren Koch-Buch", Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein, 1701, A-309052, Seiten 46 und 47
Kapitel "Von allerhand Krapffen und Backwerck", "Gantz neuem und nutzbahren Koch-Buch", Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein, 1701, A-309052, Seiten 48 und 49
Kapitel "Von allerhand Krapffen und Backwerck", "Gantz neuem und nutzbahren Koch-Buch", Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein, 1701, A-309052, Seiten 50 und 51
Kapitel "723. Krapfen", "Anna Dorn's großes Muster-Kochbuch ...", Anna Dorn, 1849, A-202607, Seite 261
Kapitel "723. Krapfen", "Anna Dorn's großes Muster-Kochbuch ...", Anna Dorn, 1849, A-202607, Seite 262
Kapitel "Fasching-Krapfen", "Die süddeutsche Küche", Katharina Prato, 1907, A-298626, Seite 494
Kapitel "Fasching-Krapfen", "Die süddeutsche Küche", Katharina Prato, 1907, A-298626, Seite 495
Kapitel "Fasching-Krapfen", "Die süddeutsche Küche", Katharina Prato, 1907, A-298626, Seite 496