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Teilnachlass Hans Tietze / Erika Tietze-Conrat

Hans Tietze, Schwarzweißfotografie. Teilnachlass Hans Tietze / Erika Tietze-Conrat, ZPH 1539, Archivbox 2, 3.4.6

Nach der Sammlung von 111 Briefen und Karten, die das Wiener Kunsthistoriker-Ehepaar Hans Tietze (1880–1954) und Erika Tietze-Conrat (1883–1958) an den befreundeten Maler Joseph Floch und dessen Frau Mimi gerichtet hat, konnte die Wienbibliothek im Rathaus 2012 auch einen Teilnachlass Hans Tietze / Erika Tietze-Conrat aus Familienbesitz erwerben (ZPH 1539). Der vier Archivboxen füllende Bestand ist nach zweijähriger Sperre nunmehr für die Benutzung freigegeben.

Erika Tietze-Conrat war die erste Frau, die an der Universität Wien in Kunstgeschichte promovierte (1905), wie ihr Mann hatte sie bei den Protagonisten der Wiener Schule der Kunstgeschichte Alois Riegl und Franz Wickhoff studiert. Hans Tietze konnte später als Ministerialbeamter die österreichische Museumslandschaft reorganisieren und wurde 1919 zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt, Erika Tietze-Conrat betätigte sich als freie Kunsthistorikerin. Für das Ehepaar charakteristisch war eine intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit, die in dem 1944 in New York erschienenen Werk "The Drawings of the Venetian Painters in the 15th and 16th Centuries" gipfelte.

Der Schwerpunkt des Teilnachlasses liegt auf der Zeit des US-amerikanischen Exils. Hans Tietze und Erika Tietze-Conrat, beide zum evangelischen Glauben konvertierte Juden, befanden sich anlässlich eines Forschungsaufenthalts gerade in Italien, als Österreich im März 1938 dem Deutschen Reich einverleibt wurde. In einem Brief an ihre ältere Schwester Felicia Fränkel schildert Erika die Fluchtbewegungen ihrer drei Kinder und hält für sich und ihren Mann fest: "Wir gehen nicht mehr zurück." Im März 1939 überquerte das Ehepaar schließlich auf der SS Manhattan den Atlantik und ließ sich in New York City nieder, wo beide in den 1950er Jahren als US-amerikanische Staatsbürger starben.

Die im Teilnachlass enthaltene Korrespondenz bewegt sich in erster Linie im familiären Kreis; die Briefe an die Tochter Walburga oder an die Nichte Elisabeth zeugen von dem Bedürfnis der Exilanten nach Informationen aus der alten Heimat. Etwa 30 Korrespondenzstücke stammen von namhaften Persönlichkeiten vorwiegend aus dem Bereich der bildenden Künste, darunter Otto Dix, Albin Egger-Lienz, Anton Faistauer und Oskar Kokoschka. Ein wahres Kunstwerk stellt ein aufwendig illustrierter Brief der Graphikerin Lilly Steiner dar.

Überraschenderweise befinden sich im Bestand bis auf vereinzelte Kurzessays keine originalen Werkmanuskripte von kunsthistorischen Schriften. Das letzte umfangreiche Werk Erika Tietze-Conrats, die unveröffentlichte Studie "Patterns of Suicide in Literature and Arts", ist nur in einer Typoskript-Kopie überliefert. Der Teilnachlass ermöglicht vor allem einen Einblick in Tietze-Conrats bisher kaum bekanntes literarisches Schaffen: In zum Teil handschriftlich überarbeiteten Typoskripten liegen acht Theaterstücke, 15 Erzählungen und ein Roman mit dem Titel "Aloners" vor. Tietze-Conrat vollzog schnell den Sprachwechsel zum Englischen, es gelang ihr jedoch nicht, auf dem literarischen Markt der USA zu reüssieren. Innerhalb der Werke Tietze-Conrats ist besonders ihr (auto-)biographischer Bericht "Hans Tietze. March 1st, 1880–April 11, 1954" hervorzuheben. Darin schildert sie den gesellschaftlichen Abstieg, den das Exil mit sich brachte und der vor allem von ihrem Mann, dem ehemaligen österreichischen Hofrat und Universitätsprofessor, schmerzlich empfunden wurde. Eine der insgesamt 370 Fotografien, die der Teilnachlass bietet, zeigt das Ehepaar zu Weihnachten 1944 an einem Tisch sitzend, auf dem eine Fotografie eines wertvollen Gemäldes liegt. Es handelt sich um Oskar Kokoschkas berühmtes Doppelporträt „Hans Tietze und Erica Tietze-Conrat“ von 1909, das die Tietzes aus ihrem Besitz in die USA hinüberretten konnten und noch im Jahr 1939 an das New Yorker Museum of Modern Art verkaufen mussten, um mit dem Erlös ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Bereits im Sommer 1938 erreichte Christoph Tietze (1908–1984), der älteste Sohn des Kunsthistoriker-Paares, die USA. In Wien zum Doktor der Medizin promoviert, diente er von 1944 bis 1946 als Medical Officer in der US Army und baute sich danach eine Karriere als Experte für Schwangerschafts- und Geburtsmedizin auf. Dieser Lebenslauf einer geglückten Emigration lässt sich anhand eines Splitternachlasses verfolgen, der im Teilnachlass Hans Tietze / Erika Tietze-Conrat enthalten ist.

Archiv der Neuerwerbungen 2014

Hans Tietze und Erika Tietze-Conrat, Weihnachten 1944, Schwarzweißfotografie. Teilnachlass Hans Tietze / Erika Tietze-Conrat, ZPH 1539, Archivbox 2, 3.4.28
Erika Tietze-Conrat an Felicia Fränkel, Brief vom 24. März 1938. Teilnachlass Hans Tietze / Erika Tietze-Conrat, ZPH 1539, Archivbox 2, 2.2.1.8
 

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