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5. Dezember 2025
Anna Jungmayr

Einweihungsparty für den Festsaal im Rathaus

Der Rathaus-Festsaal ist vielen Wiener*innen bis heute als Ballsaal bekannt. Auch zur Feier seiner Fertigstellung 1890 wurde hier getanzt: Am ersten Ball der Stadt Wien präsentierte sich das Bürgertum in opulenter Pracht. Ein Blick zurück auf die prunkvolle Feierstunde im einst größten Ballsaal der Stadt.

Rathaus Festsaal

Zur Schlusssteinlegung des Rathausbaus 1883 durch den Kaiser war der Festsaal noch unfertig: Für die Zeremonie wurde ein Teppich auf dem Bretterboden ausgerollt – Parkett, Ausschmückung und Möblierung des Festsaals und seiner Nebenräume fehlten noch. Diese Arbeiten waren erst 1889 abgeschlossen. Der Gemeinderat beschloss daraufhin, den Festsaal ausschließlich für Gemeindezwecke und nicht für private Veranstaltungen zu nutzen. Zudem wurde die Abhaltung eines Balles angekündigt, dessen Reinertrag „den Armen der Stadt Wien“ zugutekommen sollte.

Repräsentation, Konversation und Tanz

3.000 festlich gekleidete Gäste – Männer in Frack oder Uniform, Frauen im Abendkleid – besuchten den ersten Ball der Stadt Wien am 12. Februar 1890. Vertreten waren Mitglieder des Bürgertums – 1890 eine kleine gesellschaftliche Gruppe – und des Adels: Personen aus Wirtschaft, Industrie, Finanzwesen, Kultur und Politik; außerdem das diplomatische Korps, geistliche Würdenträger und Angehörige des Militärs.

Über die Feststiegen betraten sie ab 21 Uhr den Ballsaal. An der Fensterseite befand sich die Estrade – ein Podium für die Ehrengäste –, in den Orchesternischen an den Enden des Saales waren zwei Musikkapellen positioniert, die abwechselnd spielten: jene des Hofball-Musikdirektors Eduard Strauss und die Deutschmeister-Kapelle unter Carl Michael Ziehrer. Frauen erhielten als Ballspende eine Tanzordnung und eine Miniatur des Rathausmannes. Um 21.30 Uhr intonierte die Strauss-Kapelle die Polonaise. Die 20 Tänzerinnen der Eröffnung trugen dafür rot-weiße Blumenbouquets – in den Farben der Stadt Wien.

Kurz nach 22 Uhr empfing Bürgermeister Johann Prix Mitglieder des kaiserlichen Hofs, die er zu den Klängen der Volkshymne durch ein Spalier auf die Estrade geleitete, wo sie Cercle hielten – also mit den Ehrengästen Konversation führten. Anschließend führten Prix und das Herrenkomitee sie auf die Galerie und die Nebensäle des Festsaals. Kurz nach Mitternacht verließen die höchsten Ehrengäste – und mit ihnen weitere Besucher*innen – den Ball, der sich nun endgültig von einer Konversations- in eine Tanzveranstaltung wandelte. Zuvor hatte der Platz auf der Tanzfläche nämlich für die vielen Gäste nicht ausgereicht.

Es gab auch weitere räumliche Herausforderungen: Die engen Stiegen zur Galerie wurden wegen der langen Schleppen zur Stolperfalle, das Buffet wurde als abgeschieden wahrgenommen, und die schwer erreichbare Küche machte eine durchgehende Versorgung mit warmen Speisen unmöglich – weshalb manche Gäste hungrig blieben. Dass in den Folgejahren zusätzliche Räume für den Ball genutzt wurden, zeigt die Bemühungen, diese Situation zu verbessern.

Titelseite Interessantes Blatt 20.2.1890

Damen der Aristokratie, Erzherzoge, der Nuntius und Ehrengäste auf der Estrade am ersten Ball der Stadt Wien Das interessante Blatt, 20.2.1890, S. 1.

Ein bürgerliches Fest?

Vorbild für Ablauf und Zeremoniell am Ball der Stadt Wien waren höfische Repräsentationsbälle. Mit dieser Aneignung demonstrierte das selbstbewusste Bürgertum seine gewachsene Bedeutung: Wurde es zuvor vom Kaiser in die höfischen Redoutensäle zum Tanz geladen, verfügte es nun über eigene Repräsentationsräume, in die es umgekehrt den Hof einlud. Andererseits bestätigte der Ball gesellschaftliche Hierarchien – etwa durch die Dekoration der Turmnische mit einer Kaiserbüste oder in Form von Kritik an Etikette-Fehlern des noch ungeübten Herrenkomitees im Umgang mit Würdenträgern. Deutlich inszeniert wurde die gesellschaftliche Rangordnung beim Einzug der Mitglieder des kaiserlichen Hofes, der von Jubel begleitet war. Zwischen 1891 und 1902 erschien Kaiser Franz Joseph I. meist persönlich – der Ball bot ihm eine Gelegenheit zur bürgernahen Selbstinszenierung. Arbeiter*innen waren nicht Teil der Ballgesellschaft und durften in der Monarchie auch keine Bälle im Rathaus veranstalten.

Inszenierte Geschlechterordnung

Einige Tage vor dem ersten Ball der Stadt Wien hatte Bürgermeister Prix bereits Hofchargen, Generäle, Minister, Parlamentsabgeordnete, Beamte und Vertreter aus Kunst und Wissenschaft im Festsaal empfangen – allesamt Männer. Die Presse vom 13. Februar 1890 schwärmte davon, dass sich zum Ball nun auch „das weibliche Element, die liebreizenden Frauen und Mädchen“[2] im Festsaal einfanden.
Die Anwesenheit von Frauen im Rathaus ist allemal auffällig, denn dieses war sonst weitgehend ein Ort exklusiver Männerzirkel: Bis 1918 bleiben Frauen von bürgerlicher Selbstrepräsentation ausgeschlossen und auch abseits politischer Ämter arbeiteten kaum Frauen im Rathaus. Die einzige Ausnahme bildete das ausschließlich aus Frauen bestehende Reinigungspersonal.
Aktive Funktionen blieben auch am Ball weitgehend Männern vorbehalten: Über den Ablauf des Balles berieten das Ballpräsidium und das Herren-Komitee. Tanzmeister, Musiker und Dirigenten waren allesamt Männer, ebenso die meisten Ehrengäste – weshalb die Estrade auch als „Herren-Insel“ bezeichnet wurde. Die Damen der Aristokratie hielten daneben einen eigenen Cercle. Frauen wurde weitgehend eine passive Rolle zugewiesen – sie wurden auf die Verkörperung weiblich konnotierter Tugenden wie Anmut und Schönheit reduziert.

Fortführung, Ende und materielles Erbe

Bis zum Ende der Monarchie blieb der Ball der Stadt Wien eines der größten gesellschaftliche Ereignisse des Wiener Faschings. Wegen des Kriegsgeschehens wurde er ab 1915 jedoch nicht weiter veranstaltet. Nach der Republikgründung 1918 galt er angesichts der sozialen Not als unvereinbar mit den Werten des Roten Wien. Erst im Austrofaschismus erfolgte 1935 eine Wiederbelebung. Zuletzt fand der Ball der Stadt Wien 1939, in der NS-Zeit, statt. Nach 1945 wurde er nicht reaktiviert.

In den Sammlungen der Wienbibliothek im Rathaus finden sich zahlreiche Spuren der einstigen Großveranstaltung. Plakate, Ballspenden, Notendrucke und historische Verwaltungsliteratur verdeutlichen nicht nur die Bedeutung des Balles der Stadt Wien im Kontext der Stadtverwaltung, sondern geben auch Einblicke in gesellschaftspolitische Entwicklungen jener Zeit.

Rathaus-Ball-Tänze

Titelseite des Notendrucks der Rathausball-Tänze, ca. 1890 WBR, Mc-51319

Weiterführende Literatur

Anna Jungmayr: Höfischer Glanz im Festsaal des Bürgertums. Der Ball der Stadt Wien. In: Anita Eichinger / Franz J. Gangelmayer / Gerhard Murauer / Andreas Nierhaus (Hg.), Rathaus Wien, Wien/Salzburg 2025, S. 279–289

Weiterführende Links

Ausstellung „Monument der Stadt. Rathaus Wien“
Wien Geschichte Wiki: Ball der Stadt Wien