Am Karfreitag, 29. März, ist die Bibliothek geschlossen. Ab Dienstag, 2. April, sind wir wieder für Sie da!

Bestandsumsiedelung
Ab 2. April 2024 wird ein Teil unserer Bibliotheksbestände in ein Außendepot übersiedelt. Diese Bestände stehen deshalb für rund zwei Monate leider nicht zur Verfügung und können in dieser Zeit auch nicht bestellt werden. Sie erkennen die nicht verfügbaren Bestände an der Kennzeichnung "Außendepot – wegen Übersiedlung derzeit nicht bestellbar" in unserem Katalog. Wir bitten um Ihr Verständnis!

Sie sind in:

Sie sind hier

"Gehet doch schnell die Ausstellung besuchen ...!"

Schriften, Briefe und Dokumente von Adolf Loos in der Wienbibliothek im Rathaus

Am 10. Dezember 2020 jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag von Adolf Loos (1870–1933), der zu den Wegbereitern der internationalen modernen Architektur zählt. Der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt sind seine literarischen Arbeiten, sein lebensreformerisches Wirken und sein eng geknüpftes nationales wie internationales Netzwerk: Die Wienbibliothek im Rathaus zeigt nun in den Loos-Räumen in der Bartensteingasse 9 zum bereits erschienenen Band ausgewählte Originalzeugnisse zu Leben und Werk des Architekten und Kulturpublizisten aus einer Dokumentesammlung, welche die Wienbibliothek im Rathaus 2008 aus dem Erbe des Loos-Forschers Franz Glück erwarb. Im Mittelpunkt steht dabei der schreibende Loos, der – noch bevor es den bauenden Loos gab – mit seinen unorthodoxen, provokant vorgetragenen Essays und Bonmots von sich reden machte.

„Mit dieser umfangreichen Sammlung, welche die Wienbibliothek als Teilnachlass Adolf Loos in ihre Bestände eingereiht hat, stellt die Wienbibliothek im Rathaus der internationalen Forschung einen bedeutenden Mosaikstein zur Wiener Moderne bereit“, betont Wienbibliothek-Direktorin Anita Eichinger. „Der Bestand zu Adolf Loos belegt einmal mehr, wie die ebenso in der Wienbibliothek aufbewahrten bedeutenden Nachlässe von Karl Kraus oder Felix Salten, dass eine derartige Quellensammlung nicht nur die vielfältigen Facetten einer außergewöhnlichen Persönlichkeit aufzeigt, in ihr spiegelt sich zugleich das Wesen einer ganzen Epoche wider.“

„Die Sammlungen der Wienbibliothek, in denen kaum ein wichtiger Name des Wiener Fin de Siècle fehlt, wurden durch diese Erwerbung enorm bereichert. Von welchem kulturellen Wert der schriftliche Teilnachlass von Adolf Loos in der Wienbibliothek im Rathaus ist, zeigt schon die Tatsache, dass dieser zusammen mit dem architektonischen Nachlass, der in der Albertina bewahrt wird, 2018 in das Verzeichnis des „Memory of Austria“ der UNESCO aufgenommen wurde“, stellt Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler erfreut fest.

ESSAYS, SCHRIFTEN UND MANUSKRIPTE

Adolf Loos war ein glänzender Stilist, der seine Beobachtungen und Ansichten zu Architektur, Lebensform und vielen anderen Dingen des Alltags zu unkonventionellen, oft an Sarkasmus und Zynismus grenzenden Essays verdichtete. Die Manuskripte und Typoskripte, die auch im Begleitband nachzulesen sind, sind typisch für die von Loos behandelten kulturkritischen Themen und Anschauungswelten. Sie sind oft nahe am gesprochenen Wort und dürften vielfach auch als Vortragsmanuskripte gedient haben. Von Loos bzw. später oft in gekürzter oder abweichender Form publiziert, werden sie hier erstmals als Originalmanuskripte in voller Länge präsentiert.

Ein Beispiel für Loos’ lebensreformerisches Wirken ist der bisher unveröffentlichte Essay „Nacktheit“ (1923), in dem er eine moralische Rechtfertigung der Freiheit von Bekleidung als natürliche Selbstverständlichkeit entwickelt und damit im Trend seiner Zeit liegt.

Ein Text, der die funktionalen Ansprüche des Architekten verdeutlicht, ist dem österreichischen Beitrag zur Pariser Kunstgewerbeausstellung 1925 gewidmet: Er beginnt mit dem für die Ausstellung titelgebenden Satz „Gehet doch schnell die Ausstellung besuchen...!“ und steigert sich zum Urteil, dass der unter der Ägide der Wiener Werkstätte geleistete Beitrag Zeichen eines „armen, sympathischen und naiven Österreichs“ sei, das „viele Mittelmäßigkeiten ohne Wert“ böte. Dies erweitert Loos’ Kritik an Josef Hoffmanns Ästhetisierung aller Lebensbereiche um eine bissige Facette.

Die bedeutendste, weil überraschendste Entdeckung unter den Schriften von Loos war der bisher völlig unbekannte Essay „Ein Kapitel aus der Geschichte der Malerei im XX. Jahrhundert. Klimt“, in dem sich Loos als stiller Verehrer Gustav Klimts zeigt und dessen Fakultätsbilder als Durchbruch in der europäischen Monumentalmalerei zelebriert.

LEBENSDOKUMENTE UND KONVERSATIONEN

Verschiedene Lebensdokumente, Zeichnungen und Skizzen aus unterschiedlichen Lebens- und Schaffensperioden ergänzen die Künstlerbiografie: So beziehen sich einige Objekte auf die voranschreitende Ertaubung von Loos, der ab 1932 gehörlos war. Ab den späten 1920er Jahren verwendete er daher sogenannte Sprech- oder Konversationszettel, damit ihm Mitteilungen zumindest in schriftlicher Form gemacht werden konnten. Zu sehen sind zwei Konversationshefte mit einem karikaturistischen Selbstporträt.

Bisher unpublizierte Skizzen und Zeichnungen von und zu Loos zeigen berührende Porträts des von Krankheit gezeichneten, gealterten Mannes, wie auch das Foto-Sujet der Ausstellung von Emil Theis, das um 1930 in Dessau entstand.

Nur wenige Dokumente haben sich im Nachlassteil der Wienbibliothek zum mittlerweile über viele Jahre bekannten „Pädophilieprozess“ gegen Adolf Loos erhalten, der sich des sexuellen Missbrauchs von drei minderjährigen Mädchen verantworten musste, aber mit einer bedingten Strafe davonkam. Im Begleitband hat sich Andreas Brunner ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt. 

NETZWERKE UND BEZIEHUNGEN

Ausgewählte Objekte sowie Beiträge des Begleitbandes zeigen das private wie das berufliche Netzwerk des Architekten und Kulturpublizisten.

So geben Beispiele aus den umfangreichen Korrespondenzen Einblicke in die zahlreichen Frauenbeziehungen, aus denen auch die Ehen mit Lina Obertimpfler (1882–1950), Elsie Altmann (1899–1984) und Claire Beck (1904–1942) hervorgegangen sind. Eine Entdeckung stellt dabei das bisher nicht bekannte Briefkonvolut mit rund 70 Briefen von Loos’ langjähriger Lebenspartnerin Bessie Bruce (1886–1921) dar. Mit ihr unternahm dieser in der Zeit ihrer Beziehung zwischen 1905 und 1914 auch zahlreiche Reisen. Die Ausstellung zeigt anhand von Ansichtskarten und Hotelrechnungen der beiden Loos als leidenschaftlichen Reisenden.
Die in der Sammlung enthaltenen Visiten- und Postkarten zeugen ebenso vom rastlosen Netzwerker wie das Album mit Glückwunschtelegrammen von 1930 anlässlich des 60. Geburtstages von Adolf Loos, der sich stets um internationale Kontakte bemühte.

So war die in Berlin lebende Lyrikerin Else Lasker-Schüler eine Bewunderin des Architekten, den sie auf einer Postkarte liebevoll mit „Lieber und guter und milder Königsgurilla“ ansprach. Erhaltene Adressbücher sowie Kalender bzw. Notizhefte ergänzen das Wissen um den außerordentlichen Bekanntenkreis.

Zu diesem Netzwerk, das anhand der Dokumentesammlung belegt wird, gehören Künstler wie Oskar Kokoschka, Alban Berg, Arnold Schönberg, Constantin Brâncuşi oder Literaten wie Karl Kraus und Peter Altenberg ebenso wie der Architekt Gabriel Guevrekian.

LOOS-RÄUME DER WIENBIBLIOTHEK IM RATHAUS

Die berufliche Korrespondenz mit Bauherr*innen zeigt oft persönliche, freundschaftliche, gelegentlich auch konfliktreiche Beziehungen des Architekten Loos. Die meisten Auftraggeber*innen fanden sich jedoch mit der Unzuverlässigkeit und schwierigen Persönlichkeit des Architekten ab, verziehen ihm bereitwillig und blieben ihm ein Leben lang treu. Bauherren wie der Wiener Industrielle Paul Khuner, für den Loos 1907 eine Wohnung am Möllwaldplatz eingerichtet hatte, halfen ihm auch mehrmals bei Geldsorgen aus. 1927 schickte Khuner, der mit seiner Wohnung noch immer hochzufrieden war, 10.000 Francs an Loos. Noch im selben Jahr beauftragte er ihn mit der Errichtung seines Landhauses am Kreuzberg am Semmering.

Herzstück der Ausstellungspräsentation ist ein 1907 von Adolf Loos gestaltetes und im Original erhaltenes Speisezimmer, das er für den damaligen Mieter dieser nun als Ausstellungsraum genutzten Wohnung, Friedrich Boskovits, entwarf. Hier sowie im Foyer wird als temporäre Erweiterung der Dauerausstellung die ursprünglich in der Wohnung untergebrachte Kunstsammlung rekonstruiert. Darüber hinaus kehrt ein von Loos 1907 entworfener Servierwagen für das Speisezimmer zurück und ergänzt dieses Architekturjuwel der Wiener Moderne, das die Wienbibliothek im Rathaus für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.

AUSSTELLUNG: „Gehet doch schnell die Ausstellung besuchen...!“
Schriften, Briefe und Dokumente von Adolf Loos in der Wienbibliothek im Rathaus

Die Ausstellung ist von 10. Dezember 2020 bis 9. April 2021 zu besuchen. ** Verlängert bis 20. Mai 2021 **
Covid-19 bedingte Schließungen werden bekanntgegeben unter www.wienbibliothek.at

Wienbibliothek im Rathaus / Loos-Räume
1010 Wien, Bartensteingasse 9/5, T: +43 (0)1 4000 84915
Montag bis Freitag, 9.00 bis 13.00 Uhr – Eintritt frei!
Geschlossen: Samstag, Sonntag, Feiertage, 24. und 31.12.2020

Kuratiert von:
Gerhard Murauer in Zusammenarbeit mit Sylvia Mattl-Wurm, Wienbibliothek im Rathaus
Ausstellungsgrafik und Gestaltung: Markus Reuter
Ausstellungssujet und Folder: Sabine Müller, Gruenberg4

BEGLEITBAND

Adolf Loos. Schriften, Briefe, Dokumente
aus der Wienbibliothek im Rathaus
Hrsg. von Markus Kristan, Sylvia Mattl-Wurm und Gerhard Murauer
Metroverlag 2018

340 Seiten mit zahlr. Abbildungen
EUR 27,90

VIDEO ZUR AUSSTELLUNG

Ein begleitendes Video zur Ausstellung zeigt die einzigartigen Räumlichkeiten, vor deren Kulisse der Burgschauspieler Robert Reinagl Auszüge aus dem Text „Nacktheit“ liest sowie über seinen Bezug zu Loos erzählt. Die Tänzerin Laura Fischer tanzt zu den Klängen eines Charleston durch die historischen Räume in der Bartensteingasse.

Das Video zur Ausstellung sowie Bildmaterial finden Sie hier.

BEGLEITPROGRAMM

STADTEXKURSIONEN

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg rief Loos eine eigene Bauschule ins Leben, in welcher er Architekten nach absolvierter technischer Ausbildung praktisches Architekturverständnis vermitteln wollte. Teil dieses Bildungsprogrammes waren von Adolf Loos geführte und kommentierte Stadtspaziergänge zu von Loos geliebten oder heftig attackierten Bauwerken.

Die Wienbibliothek im Rathaus wird in Kooperation mit Ralf Bock und dem Verein Architekturerbe Österreich die Route auf Grundlage einer historischen Mitschrift, die 1914 von einem Exkursionsteilnehmer angefertigt worden ist und die sich im schriftlichen Loos-Nachlass der Wienbibliothek erhalten hat, nachverfolgen.

Die Rundgänge werden im März und im April 2021 veranstaltet: Der genaue Verlauf der Route sowie die Termine werden noch bekanntgegeben.

Weiter Programmpunkte werden ergänzt, mehr Informationen laufend hier aktualisiert.

Links

Bildmaterial finden Sie hier.

Presseinformation zur Ausstellung "Gehet doch schnell die Ausstellung besuchen ...!" (PDF)

Pressekontakt und Bildmaterial-Anfragen:

vielseitig ||| Mag.a Valerie Besl
t: +43 1 522 4459 10, m: +43 664 8339266, valerie.besl@vielseitig.co.at