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Nachlass Günther Hamann

Abbildung 1: Günther Hamann bei seiner Promotion.

Im Jahr 2015 übernahm die Wienbibliothek im Rathaus den Nachlass des Historikers und Universitätsprofessors Günther Hamann aus Familienbesitz. Hamann wurde am 12. Oktober 1924 als Sohn des Diplom-Ingenieurs Walther Hamann (1889–1961) und dessen Frau Friederike (geb. Stangl, 1898–1993) in Wien geboren. Der Vater diente im Ersten Weltkrieg als Offizier in der 29. Eisenbahn-Kompagnie, die Feldbahnen baute und Schwertransporte organisierte. Von 1934 bis 1947 war Walther Hamann Werksdirektor der Maschinenfabrik Heid A. G. Günther Hamann wurde nach erfolgreicher Matura im April 1942 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, den er in Manching bei Ingolstadt und Lagerlechfeld zubrachte, wo er eine militärische Ausbildung erhielt. Im Oktober 1942 kam er zu einer Panzergrenadiereinheit ins märkische Küstrin. Einer schweren Erkrankung wegen zeitweilig aus der Wehrmacht entlassen, konnte sich Hamann 1943 an der Universität Wien für Geschichte und Germanistik inskribieren und auch einige Kurse belegen, bevor er im Frühjahr 1944 erneut eingezogen wurde. Bei Kriegsende geriet er in US-Gefangenschaft, wo er – des Englischen mächtig – als Dolmetscher verpflichtet wurde. Zeitweise konnte er sich – mit Wissen des Linzer Bischofs Josef Fliesser (1896–1960) – als Geistlicher tarnen, in einigen überlieferten US-Passierscheinen firmiert er als "Reverend".

Im August 1945 kehrte Hamann dann nach Wien zurück und nahm sein Studium wieder auf. Bei dem von ihm bewunderten Heinrich von Srbik (1878–1951) konnte er nicht weiterstudieren, weil dieser aus politischen Gründen aus dem Hochschuldienst entlassen worden war. Hamann hielt trotzdem eine enge briefliche Verbindung zu dem nach Tirol in die französische Zone ausgewichenen Historiker. Zudem startete er eine Kampagne für dessen Rehabilitierung, die jedoch ohne größere Resonanz geblieben sein dürfte. Promoviert hat Hamann 1949 mit der Arbeit "Erasmus und das Christentum" (Abbildung 1).

Wissenschafts- und Entdeckungsgeschichte

Obwohl Hamann im Jahr 1950 auch die Staatsprüfung für den Archiv-, Bibliotheks- und Museumsdienst absolvierte, schlug er die Universitätslaufbahn ein. Nach der Promotion arbeitete er zunächst bis 1951 am Historischen Seminar, dann bis 1954 am Historischen Institut der Universität Wien. Von 1954 bis 1962 war er Assistent bei seinem Doktorvater Hugo Hantsch (1895–1972), bei dem er sich mit der Arbeit "Der Eintritt der südlichen Hemisphäre in die europäische Geschichte. Die Erschließung des Afrikaweges nach Asien vom Zeitalter Heinrichs des Seefahrers bis zu Vasco da Gama" (Wien 1968) auch habilitierte. 1964 wurde er außerplanmäßiger Professor, 1970 Vorstand am Historischen Institut, und im Jahr darauf erhielt er eine ordentliche Professur für die Geschichte der Neuzeit, die Hamann mit seinen Schwerpunkten Wissenschafts- und Entdeckungsgeschichte ausfüllte (Abbildung 2). Für seine wissenschaftliche Tätigkeit erhielt er zahlreiche Preise. Günther Hamann, der seit 1965 mit der Journalistin und Historikerin Brigitte Hamann (*1940) verheiratet war, starb am 13. Oktober 1994 in Wien.

Der Nachlass Hamanns besticht vor allem durch eine so ausgreifende wie inhaltsreiche Gelehrtenkorrespondenz, wie sie im digitalen Zeitalter kaum mehr zustande kommen dürfte. Die deutlich über 10.000 Briefe, die er von knapp 850 Schreiberinnen und Schreibern erhalten sowie an über 400 Adressaten gerichtet hat, spiegeln seine enorme internationale Vernetzung wider – schließlich war Hamann Mitglied in zahlreichen Akademien und Kommissionen, auch im Osten Europas. Besonders seine wissenschaftlichen Kontakte in die DDR sind bemerkenswert.

Verbundenheit mit Wien

Bei den Korrespondenzen finden sich viele wichtigen Namen aus der Wiener Historikerzunft, wie Heinrich Appelt (1910–1998), Heinrich Benedikt (1886–1981), Fritz Fellner (1922–2012), Heinrich Fichtenau (1912–2000), Ludwig Jedlicka (1916–1977), Robert A. Kann (1906–1981), Heinrich Lutz (1922–1986) oder Adam Wandruszka (1914–1997), aber auch etliche Granden der deutschen Geschichtswissenschaft sind vertreten, wie Hans Mommsen (*1930), Gerhard Ritter (1888–1967), Hans Rothfels (1891–1976) oder Theodor Schieder (1908–1984), der sich am 11. Juni 1961 bei Hamann für eine "aufopfernde Führung durch Wien" bedankte: "Sie haben mir Ihre wunderbare Vaterstadt in so reizender Weise erschlossen, dass ich einen bleibenden Eindruck bekommen habe. Wer so wie Sie die Geschichte als lebendig gestaltende Kraft versteht, ist wirklich ein Historiker!" Ein solches Lob sprach sich auch bis zu Fritz Fischer (1908–1991) herum, der seit dem 1961 erschienenen Buch "Griff nach der Weltmacht" ein – wenn auch umstrittener – Star der Szene war. Fischer versuchte Hamann Mitte der 1960er Jahre an die Universität Hamburg zu lotsen, scheiterte aber an dessen Wiener Verwurzeltheit. Ähnlich sollte es später auch Gerald Stourzh (*1929) ergehen, der Hamann einen Weggang nach Berlin an die Freie Universität schmackhaft machen wollte. Ebensowenig konnte Karl Otmar von Aretin (1923–2014) ihn in den 1970er Jahren nach Darmstadt an die Technische Universität locken. Besondere Freundschaften spiegeln sich in den langen Korrespondenzen mit dem Schriftsteller Fritz Hochwälder (1911–1986) und dem Schweizer Historiker und Publizisten Jean Rudolf von Salis (1901–1996). Die Vernetzung Hamanns reichte auch bis in oberste politische Kreise, so gibt es teils ausführliche Briefwechsel mit drei früheren österreichischen Bundeskanzlern, als da wären: Josef Klaus (1910–2001), Bruno Kreisky (1911–1990) und Fred Sinowatz (1929–2008).

Fotografische Dokumentation der Universitätslaufbahn

Zum Bestand gehören Lebensdokumente und Sammlungen, die Hamanns Tätigkeit an der Universität Wien bestens dokumentieren, aber auch Persönliches, wie seine Taschenkalender mit tagebuchartigen Aufzeichnungen. Auch der Fotobestand birgt manchen Schatz, so ein Porträt von Sven Hedin mit dessen eigenhändiger Widmung. Hamanns Karriere an der Universität wird umfassend fotografisch überliefert. Etliche Aufnahmen sind auf Exkursionen entstanden, für deren unerbittliche Durchführung Hamann berühmt war (Abbildung 3). So heißt es in einem Lied scherzhaft: "Doktor Hamann wie ein Schneider ständig an der Spitze rennt, / schleppt die Müden immer weiter, bis man jeden Winkel kennt". Vor dem Hintergrund der heurigen 650-Jahr-Feier der Universität Wien sind die im Bestand enthaltenen Fotografien anlässlich der ideologisch umkämpften 600-Jahr-Feier aus dem Jahr 1965 von besonderem Interesse.

Benützungsbedingungen

Der Nachlass von Günther Hamann unterliegt einer Benützungsbeschränkung. Die Benützung des Materials darf nur nach vorheriger Rücksprache mit den Rechteinhabern und nach Vorlage eines schriftlichen Plazets erfolgen. Die Kontaktdaten sind bei der Wienbibliothek im Rathaus zu erfragen.

Archiv der Neuerwerbungen 2015

Abbildung 2: Günther Hamann nach seiner Ernennung zum ordentlichen Professor für die Geschichte der Neuzeit.
Abbildung 3: Günther Hamann schreitet auf einer seiner Exkursionen energisch voran.
 

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