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Nachlass Hugo Wiener ab jetzt öffentlich zugänglich

Hugo Wiener, Israel-Tour 1964. WBR, HS, NL Hugo Wiener, ZPH 1654

Im Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus kann jetzt auch der Nachlass Hugo Wiener (ZPH 1654) eingesehen werden, nachdem Cissy Kraners Papiere schon seit einiger Zeit zur Verfügung stehen. Das umfassende Lebenswerk des 1993 verstorbenen Autors, Komponisten und Librettisten (Abbildung 1) wurde 2014 aus Privatbesitz übernommen.

Der Bestand, der von der Handschriftensammlung verwaltet wird, umfasst neben hunderten Korrespondenzen und Lebensdokumenten vor allem Werke des vielseitigen und vielfach ausgezeichneten Künstlers, darunter Bühnen- und Kabaretttexte im Umfang von nicht weniger als elf Archivboxen. Dazu kommen Texte für Hörfunk, Film und Fernsehen, die acht Archivboxen füllen sowie rund 400 Chansons. Werkbearbeitungen für Bühne, Film und Fernsehen sind in zusätzlichen acht Archivboxen überliefert. Die Plakate aus dem Bestand wurden an die Plakatsammlung abgegeben, die Noten wiederum sind im Katalog der Musiksammlung nachgewiesen.

Hugo Wiener wurde am 16. Februar 1904 als Sohn von Wilhelm Wiener (geb. 1859) und dessen Gattin Berta (geb. 1867) in Wien geboren, aus der Ehe gingen noch zwei Töchter hervor (Abbildung 2). Der Vater war Pianist und spielte auf Privatsoiréen bei Johann Strauß. Wieners Schwester Olga, deren Lebensdaten unbekannt sind, war Schülerin von Ralph Benatzky (1884–1957) und Josma Selim-Benatzky (1884–1929), sie verstarb im Alter von achtzehn Jahren an der Spanischen Grippe. Die Schwester Gisela (geb. 1893) und die Mutter sowie der Schwager Adolf Bauer (geb. 1864) sollten die Naziherrschaft nicht überleben, sie wurden am 23. November 1941 vom Wiener Aspangbahnhof ins litauische Kaunas deportiert, wo sie binnen einer Woche erschossen wurden. Der Vater verstarb noch in Wien an einer Verletzung auf offener Straße. Hugo Wiener überlebte als einziges Familienmitglied im südamerikanischen Exil und konnte den Verlust zeitlebens nicht überwinden. Im Nachlass sind nicht nur Papiere enthalten, die die verzweifelte Suche nach den Verwandten dokumentieren, sondern auch Briefe aus dem Elternhaus aus den Jahren 1938 bis 1941, die nicht weniger als 470 Blatt umfassen.

Wieners Karriere nahm nach dem Besuch der Realschule am Henriettenplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus und einem privaten Musikstudium ihren Lauf, seit er als Statist und Korrepetitor an das Wiener Raimundtheater gelangte. Die Antwort auf die Frage nach dem schönsten Bühnenerlebnis, die auf einem Fragebogen im Nachlass überliefert ist, lautet entsprechend: "Als ich mich als Autor einer Operette auf der Bühne des Raimundtheaters verbeugen durfte. Warum? Weil ich als 15jähriger Student auf derselben Bühne als Statist begonnen und bei dieser Gelegenheit meine Liebe zum Theater entdeckt habe." Am Apollotheater arbeitete er als Korrepetitor mit Größen wie Louis Treumann (1872–1944) und Mizzi Günther (1879–1961) und schloss Bekanntschaft mit Robert Stolz (1880–1975), mit dem er noch mehrere Operettenhits landen sollte. Die beiden waren darüber hinaus bis zum Tod von Robert Stolz freundschaftlich verbunden. 1918 versuchte sich Wiener als Schauspieler in einem Amateurtheater in Breitensee, arbeitete aber schon bald darauf als Pianist für Fritz Imhoff (1891–1961), der mit "Bunten Abenden" durch Kaffeehäuser tingelte. Das Kabarett "Hölle" und das Ronacher waren weitere Stationen, bevor Wiener für die "Fledermaus" tätig wurde, ein Lokal, das ab 1913 als Kabarett "Femina" geführt wurde und in dem Karl Farkas (1893–1971) als Hausautor wirkte. In den 1920er Jahren war es Wilhelm Gyimes (1894–1977), der das Haus führte und Wiener zur Mitarbeit aufforderte. Noch im August 1954 schwebte Gyimes die Idee einer Neugründung der Femina unter der "Direction: Gyimes–Farkas–Wiener" vor, wie in einem Brief an den Freund aus New York nachzulesen ist: "Glaube mir Hugo, ich bin voll mit Kraft und Ambition und gute Ideen, und wir zusammen wuerden es schaffen. Erinnere Dich, als wir die Femina übernommen haben. Andere haben dort ihr[en] Weg gemacht. Die Bühnen sind voll heute mit Femina Talente[n]. Wir können es wieder schaffen."

Die Flucht aus Wien im Jahr 1938 gelang Hugo Wiener mit einer Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern, die einer Einladung nach Bogotá folgten. Wiener konnte erst mit Hilfe von Fritz Imhoff ausreisen. Auf der Überfahrt lernte er die junge Diseuse Cissy Kraner (1918–2012) kennen, die er 1943 schließlich heiratete. Die Hochzeit fand in Caracas statt, wo die beiden mit großem Erfolg eine Bar betrieben und bis zur Rückkehr nach Wien im Jahr 1949 lebten (Abbildung 3). Aus der Zeit des Exils sind im Nachlass nicht nur Lebensdokumente, Plakate und Zeitungsausschnitte erhalten, sondern auch Revuen in deutscher, spanischer und englischer Version.

Wiener und Kraner schrieben als Künstlerpaar Kabarettgeschichte: Wiener schrieb Chansons, die in der Interpretation von Kraner zu rekordverdächtigen Schlagern wurden, darunter die berühmten "Novak"-Lieder. Zwischen 1949 und 1953 arbeitete er für die Revuebühne Casanova, ab 1950 mit Cissy Kraner auch für das Kabarett Simpl, bis es 1965 endgültig zum Zerwürfnis mit Farkas kam. Danach gingen Kraner und Wiener in Österreich sowie in Deutschland, in der Schweiz und in Israel auf Tournée, bevor sie die Arbeit im Simpl wieder aufnahmen. Zwischen 1971 und 1974 hatte Wiener mit Peter Hey (1914–1994) und Maxi Böhm (1916–1982) noch einmal die Leitung des Hauses inne, er zeichnete in dieser Zeit alleinverantwortlich für sämtliche Revuen.

Im Laufe seines produktiven Arbeitslebens, das der Nachlass auf das Allerbeste dokumentiert, verfasste Wiener allein für das Kabarett weit über 100 Programme, auch für Kollegen und Freunde wie Heinz Conrads (1913–1986), Fritz Muliar (1919–2009) und Ernst Waldbrunn (1907–1997). Seine Fangemeinde schätzte ihn als Bühnen-, Musik- und Drehbuchautor wie als Bühnenpartner von Cissy Kraner und konnte die Veröffentlichung seiner Autobiographie – 1991 im Amalthea Verlag – kaum erwarten. Wiener selbst blieb seinem Publikum bis kurz vor seinem Tod treu, er absolvierte noch im Herbst 1992 Gastspiele.

Archiv der Neuerwerbungen 2016

Hugo Wiener mit Familie, um 1930. WBR, HS, NL Hugo Wiener, ZPH 1654.
Hugo Wiener und Cissy Kraner, Passbilder im österreichischen Reisepass von Hugo Wiener, ausgestellt 1947 in Rio de Janeiro. WBR, HS, NL Hugo Wiener, ZPH 1654.