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Objekt des Monats Februar 2013: Franz Schuhmeier zum 100. Todestag

Das Pressefoto dokumentiert Schuhmeiers Begräbniszug auf der Thaliastraße in den "Wiener Bildern" vom 23. Februar 1913. Wienbibliothek, Tagblattarchiv, TF-009434

"Kein König wurde je so bestattet wie unser Schuhmeier, den eine "christliche" Kugel gemordet hat. Wie das Proletariat ganz Österreichs um diesen seinen Sohn weint, der sein Stolz war und darum dem Haß seiner Feinde zum Opfer fiel, so hat ganz Wien seine Trauer kundgegeben um den Mann, der der populärste unter den Vertrauensmännern der klassenbewußten Arbeiterschaft und zugleich der beliebteste Wiener war." So beginnt der Bericht des "Sozialistischen Organs Freiheit" über "Schuhmeiers Leichenbegängnis" vom 21. Februar 1913 (C 205369).

Naturgemäß ist der Artikel der Parteizeitung überzogen, doch lässt sich auch auf unserem Objekt des Monats die große Anteilnahme der Wiener Bevölkerung ablesen. Das Pressefoto aus dem sogenannten Tagblattarchiv dokumentiert Schuhmeiers Begräbnis in den "Wiener Bildern" (F 31893) vom 23.Februar 1913.

Franz Schuhmeier, geboren 1864, war der Sohn einer Wäscherin und eines Bandmachergesellen aus Ottakring. Wie vielen Pionierinnen und Pioniere der Arbeiterbewegung blieb ihm der Zugang zur höheren Bildung zunächst verschlossen, da er bereits als Kind zum Unterhalt der Familie beitragen musste. Umso engagierter bemühte sich der von einem "fanatischen Bildungswillen beseelte Autodidakt" (W. Maderthaner) um den gesellschaftlichen Aufstieg durch Bildung. 1888 gründete er in Ottakring einen Arbeiterbildungsverein, den er als "Raucherclub" tarnen musste. Wiederholt wurde er wegen illegaler politischer Tätigkeit verhaftet. Aus diesem Grund konnte er auch nicht am Einigungsparteitag in Hainfeld teilnehmen.

Franz Schuhmeier war Mitarbeiter der "Arbeiterzeitung", Mitbegründer und später Herausgeber der "Volkstribüne". Gemeinsam mit dem späteren Bürgermeister Jakob Reumann war er 1900 einer der ersten sozialdemokratischen Gemeinderäte Wiens. Seine Rededuelle mit Bürgermeister Lueger waren legendär. Im darauffolgenden Jahr zog er in den Reichsrat, 1910 in den niederösterreichischen Landtag ein. Auch in diesen Funktionen zeigte sich Schuhmeiers rhetorisches Talent, egal ob es sich um soziale Fragen, Bildungsthemen oder den Kampf um das allgemeine und gleiche Wahlrecht handelte.

Innerparteilich fand der "Radau Opportunismus" des "Volkstribun aus Ottakring" mit "Mut zum Dialekt" nicht ungeteilte Akzeptanz. Der großbürgerlich sozialisierte Dr. Victor Adler fand Schuhmeiers Rhetorik außerhalb von "Wildwest" – gemeint waren die westlichen Arbeitervorstädte Wien – ganz unmöglich.

Bei seiner Rückkehr von einer Wahlveranstaltung in Stockerau am 11. Februar 1913 wurde Franz Schuhmeier in der Halle des Wiener Nordwestbahnhofs von Paul Kunschak erschossen. Er war der geistig verwirrte, arbeitslose Bruder des Chefs der christlichen Arbeiterbewegung Leopold Kunschak. Der Mörder wurde zunächst zum Tod verurteilt. "Damit nun nicht wieder ein solches Schauspiel der Barbarei vor sich gehe" (Arbeiterzeitung, 13.9.1913) richtete Schuhmeiers Witwe ein Gnadengesuch an den Justizminister, in dem sie betonte, dass sich die Sozialdemokratische Partei prinzipiell gegen die Todesstrafe engagierte. Die Hinrichtung des Mörders empfinde sie "als Verunehrung des Andenken an den Toten" und daher wäre von der Vollstreckung abzusehen. Das Todesurteil wurde zunächst in eine zwanzigjährige Haftstrafe umgewandelt. Im Zuge der allgemeinen politischen Amnestie kam Paul Kunschak nach dem Ersten Weltkrieg frei. Schuhmeiers Begräbnis am 16. Februar war eine bisher beispiellose Massenkundgebung, an der nach zeitgenössischen Presseberichten bis zu 500.000 Menschen teilgenommen haben sollen. Nach der Aufbahrung im Ottakriger Arbeiterheim ging der Trauerzug über die Thaliastraße hinaus zum Ottakringer Friedhof, wo der Politiker in einem Ehrengrab bestattet wurde. Unser Objekt des Monats zeigt den Abschnitt Hofferplatz 8/9.

Auch die Presse berichtete ausführlich über Schuhmeiers Tod und Begräbnis. Eine umfangreiche Sammlung an Pressestimmen dazu findet man im Tagblattarchiv (TP 049150). Bereits ein Jahr nach Schuhmeiers Tod wurde auf seinem Grab ein lebensgroßes Denkmal enthüllt. Nach dem ersten Weltkrieg wurde der bisherige "Habsburgerplatz" in Ottakring in "Schuhmeierplatz" umbenannt, auch ein nahe gelegener Gemeindebau (Pfenninggeldgasse 6-12) trägt Schuhmeiers Namen.

Quellen

Archiv der Objekte des Monats 2013