Am Donnerstag, 25. April ist die Benützung unserer Bestände nur bis 16 Uhr möglich. Leseplätze sind bis 19 Uhr verfügbar.

Eingeschränkte Benützung von Druckwerken
Seit 2. April 2024 steht ein Teil unserer Bestände für zwei Monate nicht zur Verfügung. Die betroffenen Druckwerke tragen im Katalog die Info "Außendepot – wegen Übersiedlung derzeit nicht bestellbar". Wir bitten um Ihr Verständnis!

Sie sind in:

Sie sind hier

Objekt des Monats März 2012: Der "Judenspiegel" der AKM - Dokument der Verfolgung

Erste Seite des "Judenspiegels" der AKM, erstellt 1938/39. Signatur: A 91314 DS, WB

Die AKM, die "Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger", wurde 1897 gegründet und ist eine der ältesten Verwertungsgesellschaften Europas. Sie vertritt gemeinsam mit der 1934 entstandenen AustroMechana, zuständig für mechanische Rechte (damals vor allem Schallplatten), auch heute noch die Urheberrechte ihrer Mitglieder.

Als Österreich sich 1938 widerstandslos an NS-Deutschland anschloss, hatte diese Selbstaufgabe den Ausschluss der jüdischen Mitglieder beider Organisationen zur Folge. Diese wurden im gedruckten Mitgliederverzeichnis der AKM von 1937 fein säuberlich mit einem rotem Buntstift ausgestrichen. Von 1.266 Mitgliedern der Gesellschaft waren 531 Personen, das sind rund 42%, betroffen (die Zahlen treffen annähernd auch für die AustroMechana zu, da sie eng mit der AKM verbunden war).

Zu den Ausgeschlossenen gehörten auch Hermann Leopoldi und sein Bruder Ferdinand, über deren Schicksale in der Zeit des Nationalsozialismus die Ausstellung "Die drei Wien des Hermann Leopoldi" (ab 20. März) in der Wienbibliothek berichten wird.

Hermann Leopoldi gelang nach seiner Anhaltung in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald die Flucht in die Vereinigten Staaten, während Ferdinand Leopoldi 1944 in Wien an den Folgen der in Gestapo-Haft erlittenen Folter starb.

Gemeinsam mit Fritz Löhner-Beda, einem der Vizepräsidenten der AKM bis 1938, schrieb Leopoldi im KZ Buchenwald den berühmten "Buchenwälder Marsch“ (auch als Buchenwald-Lied bekannt). Löhner-Beda, der übrigens auch Librettist Franz Lehárs war, wodurch eine Anknüpfung an das vorige Objekt des Monats (ein Foto des ebenfalls ermordeten jüdischen Schauspielers Louis Treumann als Danilo in Lehárs Operette "Die lustige Witwe") hergestellt ist, wurde 1942 in Auschwitz ermordet.

Noch im Sommer 1938 trat die deutsche STAGMA, die "Staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte" die Rechtsnachfolge der AKM an. Obwohl die jüdischen Künstler verfemt und vertrieben waren, wurden sie zumindest zum Teil noch gespielt und es fielen Tantiemen an. Die der STAGMA unterstellte AMMRE (Anstalt für mechanisch-musikalische Rechte, das Äquivalent der AustroMechana), jetzt höchstwahrscheinlich auch zuständig für die ehemaligen Austro-Mechana Mitglieder, nahm beispielsweise 1941/42 für 344 vertriebene Komponisten beträchtliche Gebühren ein. Dazu zählten auch die AKM-Mitglieder Franz Waxmann (RM 26.329,76.-), Walter Jurmann (RM 18.444,44.-), Emmerich Kalman (RM 14.842,94.-) und Bronislav Kaper (RM 13.631,05.-).

Der Großteil dieser Tantiemen fiel im Ausland an, da "jüdische" Musik im Dritten Reich verboten war und nur von Juden gehört werden durfte. Nicht selten wurden Werke von jüdischen Komponisten und Textdichtern anonymisiert, wenn deren weitere Aufführung dem NS-Regime wünschenswert war, wie beispielsweise die von Fritz Löhner-Beda stammenden Libretti der Operetten Franz Lehárs.

Die anfallenden Gelder fielen auf Grund der "11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz" vom 25. November 1941 an den Staat. Die Verordnung bestimmte, dass ein Jude mit Wohnsitz außerhalb der Reichsgrenzen nicht Staatsangehöriger sein und sein Vermögen deshalb vom Reich "beschlagnahmt" werden könne. Sie wurde insbesondere auch auf jene Menschen angewendet, die in die Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden. Da diese meist außerhalb des Reichsgebietes lagen, hatten die Deportierten ihren Wohnsitz nun – wie die Exilanten – im "Ausland".

Die Geschichte von AKM und AustroMechana im Wandel von "Arisierung" und Neugründung wird zur Zeit von den Kuratoren der Ausstellung "Die drei Wien des Hermann Leopoldi", Georg Traska und Christoph Lind, erforscht.

Archiv der Objekte des Monats 2012

Auch Hermann Leopoldi wurde im "Judenspiegel" ausgestrichen.
Hermann Leopoldi (1928). Wienbibliothek im Rathaus