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Vorlass Peter Rosei

Zeichnungen von Peter Roseis Hand. Aus einer Mappe zur "Regentagstheorie" (1.7.2.2.).

Im Juli 2010 erwarb die Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus den Vorlass des Schriftstellers und Romanciers Peter Rosei (ZPH 1498), der am 17. Juni 2011 seinen 65. Geburtstag feierte. Der promovierte Jurist hatte 1972 mit dem Erzählungsband "Landstriche" im Salzburger Residenz-Verlag debütiert, bald darauf erschien ebenfalls bei Residenz der Roman "Bei schwebendem Verfahren" (1973) und mit "Wege" kam 1974 ein weiterer Band mit Erzählungen hinzu. Rosei zählte in den 1970er Jahren mit Autorinnen und Autoren wie Alois Brandstätter, Barbara Frischmuth, Bernhard Hüttenegger, Franz Innerhofer oder auch Gernot Wolfgruber zu einer Art "Residenz-Kultur", gewissermaßen als ein österreichisches Gegenstück zu der vom Literaturwissenschaftler George Steiner beschworenen "Suhrkamp-Kultur" in Deutschland. Bis Ende der 1980er Jahre kamen Roseis Werke bei Residenz heraus, so etwa die Bände "Entwurf für eine Welt ohne Menschen. Entwurf zu einer Reise ohne Ziel" (1975), "Der Fluß der Gedanken durch den Kopf" (1976), "Wer war Edgar Allan?" (1977), "Von Hier nach Dort (1978), Das schnelle Glück" (1980), "Die Milchstraße" (1981), "Versuch, die Natur zu kritisieren" (1979), "Komödie" (1984), "Mann & Frau" (1984), "15.000 Seelen" (1985), "Die Wolken" (1986) und "Der Aufstand" (1987). Auch die jeweils 59 Gedichte umfassenden Lyrikbände "Das Lächeln des Jungen" und "Regentagstheorie" (beide 1979) waren beim Salzburger Verlag beheimatet.

Ab 1990 erschienen die großen Prosaprojekte aus Roseis Feder bei Klett-Cotta in Stuttgart. Vom traditionsreichen Verlagshaus betreut wurden "Rebus" (1990), "Der Mann, der sterben wollte, samt einer Geschichte von früher" (1991), "Fliegende Pfeile" (1993), "Persona" (1995) und schließlich "Wien Metropolis" (2005). Auch der Roman "Schande" (1997) eines gewissen Edgar A. Susmann – angeblich 1921 in Boston geboren – erschien im renommierten Stuttgarter Verlag, freilich handelt es sich dabei – wie man aus dem im Vorlass überlieferten Material erfährt – um ein Werk von Peter Rosei, der in Briefen des zuständigen Lektors dann auch spaßeshalber mit "Lieber Herr Susmann" angesprochen wurde. Daneben publizierte Rosei in österreichischen Verlagen. Seine Grazer Poetikvorlesung "Beiträge zu einer Poesie der Zukunft" (1995), der Gedichtband "Viel früher" (1998) und das "Album von der traurigen und glücksstrahlenden Reise" (2002) blieben dem Literaturverlag Droschl vorbehalten. Bei Deuticke in Wien kam "Liebe & Tod" (2000) heraus, Sammelbände wie "Naturverstrickt" (1998), "Dramatisches" (2002), "Die sog. Unsterblichkeit" (2006) und "Österreichs Größe, Österreichs Ruhm" (2008) schließlich bei Sonderzahl. Der letztgenannte Band bildet eine Art Schlußstein des nun an der Wienbibliothek befindlichen literarischen Archivs von Peter Rosei – alles Material zu Titeln, die nach 2008 erschienen sind, etwa zu den Romanen "Das große Töten" (2009) und "Geld!" (2011), befindet sich weiterhin im Besitz des Autors.

Der 35 Archivboxen umfassende Bestand gliedert sich in zwei Teile: das Manuskriptarchiv und den Briefvorlass. Das Manuskriptarchiv erhält seine Bedeutung aus der Tatsache, dass Rosei seit seinem Debüt ein umfangreiches Werk – laut KLG "eines der umfangreichsten Werke der neueren österreichischen Literatur" – von Romanen, Erzählungen, Reiseprosa, Essays, poetologischen Texten und Vorträgen, von Theaterstücken, Hörspielen, Gedichten und einzelnen Übersetzungen (aus dem Italienischen und Holländischen) geschaffen hat, das für die österreichische und darüber hinaus für die Literatur deutscher Sprache in diesen vier Jahrzehnten durchaus repräsentative Geltung beanspruchen kann.

Dank des nunmehr für die Benutzung freien Bestands kann man dem Autor bei seiner Arbeit über die Schulter schauen. Die Überlieferungslage ist exzellent, von vielen Texten lassen sich die Arbeitsschritte Roseis von ersten Notizen und Recherchen bis hin zu den Fahnenkorrekturen nachvollziehen. Hoch ist auch der jeweilige Anteil von Handschriftlichkeit. So liegen die frühen Erzählungen als Manuskript vor: In kleiner Schrift, mit Füllfeder und wenigen Korrekturen nutzte Rosei hier in jungen Jahren Schulhefte. Bei diesen frühen Werkmanuskripten aus den Jahren um 1970 finden sich auch entstehungsgeschichtliche und produktionsbegleitende Notizen wie "Fertig gestellt am 27. Nov. 69 um 17 Uhr 40, an einem Tag, wo der erste Wintersturm durch die Stadt brüllte." Aber auch Typoskripte (und später Computerausdrucke) tragen oft intensive Spuren des schriftstellerischen Arbeitsprozesses, ja bisweilen sind sie gleichsam übersät mit handschriftlichen Korrekturen und Änderungen, durchsetzt mit Notizen und Beilagen. So gewinnen die Papiere durch die handschriftliche Überarbeitung vielfach Manuskriptcharakter. Philologen werden an den Entwürfen, Vorstufen und Fassungen ihre Freude haben, weil sich dank der eigenhändigen Änderungen, Revisionen und Korrekturen der Entstehungsprozess eines Werks häufig bestens dokumentieren lässt. Hier wird so manche Trouvaille zu Tage gefördert werden.

Der Briefvorlass umfasste 20 Stehordner mit rund 5000 Blatt. Der Bestand dokumentiert vor allem die beruflichen Verbindungen im und zum literarischen Betrieb, die Rosei während der vier Jahrzehnte schriftstellerischer Tätigkeit als preisgekrönter Autor geknüpft hat. Zentral ist die Verlagskorrespondenz, die Korrespondenz mit Zeitungen und Zeitschriften sowie jene mit Rundfunk und Fernsehen, die Briefe und Mitteilungen von Berufsverbänden, literarischen Gesellschaften, Literaturhäusern und Buchhandlungen. Die Verlagskorrespondenz macht in bemerkenswerter Dichte die Position anschaulich, die Rosei als Autor im deutschsprachigen Raum einnimmt. Schließlich beinhaltet der Briefvorlass nicht nur mehr als 150 Briefe des Residenz-Verlags (etwa von Jochen Jung, Wolfgang Schaffler, Gertrud Frank), sondern insbesondere Briefe von so angesehenen deutschen Verlagshäusern wie Suhrkamp und S. Fischer. Suhrkamp beispielsweise ist mit mehr als fünfzig Briefen verschiedener Verfasser wie Siegfried und Joachim Unseld, Gottfried Honnefelder, Helene Ritzerfeld oder Rainer Weiss vertreten. Interessant sind auch die dreißig Schreiben des Frankfurter Autorenverlags, vornehmlich von dessen Begründer Karlheinz Braun, dem früheren Suhrkamp-Lektor. Über siebzig Briefe stammen vom Weinheimer Verlag Beltz & Gelberg. Natürlich ist auch die langjährige literarische Heimat von Peter Rosei, der Stuttgarter Klett-Verlag, mit zahlreichen Briefen des früheren Leiters und Besitzers Michael Klett vertreten. Bei Korrespondenzen mit Zeitungen und Zeitschriften sowie Rundfunk und Fernsehen stechen diverse Schreiben über Zeitungsnachdrucke, Briefe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der "Furche" (György Sebestyen) und der "Zeit" (Ulrich Greiner, F. J. Raddatz) hervor. Bei den Zeitschriften sind vor allem zu nennen "Literatur und Kritik" (Karl-Markus Gauß), "Manuskripte" (Alfred Kolleritsch), "Protokolle" (Otto Breicha) und die "Rampe" (Gertrud Fussenegger). Bei den modernen Medien stehen der Bayerische Rundfunk (Hansrüdiger Schwab) und natürlich der ORF im Mittelpunkt.

Privatbriefe nehmen innerhalb des Briefbestands weniger Raum ein. Ein Höhepunkt ist hier zweifelsohne ein Konvolut an Spaßpostkarten, die der gute Freund H. C. Artmann von seinen Reisezielen regelmäßig an Roseis Adresse schickte. Zu den intensiveren Briefpartnern zählten neben Ilse Leitenberger und Peter K. Wehrli die Autorenkollegen Helmut Eisendle, Michael Krüger, Peter Marginter und Hansjörg Schertenleib. Mit mehreren Briefen vertreten sind zudem: Jürg Amann, Gerhard Amanshauser, Heimrad Bäcker, Gerald Bisinger, Alois Brandstetter, Hans Bender, Adolf Endler, Bodo Hell, Peter Henisch, Franz Hiesel, Gert Hofmann, Michael Köhlmeier, Friederike Mayröcker, Thomas Meinecke, Heinz Piontek, Raoul Schrott, Hans Weigel und Markus Werner.

Archiv der Neuerwerbungen 2010

Notizen auf einer Zeitungsseite. Aus den Materialien zu "Liebe und Tod" (1.1.29.18).
Roseis Rezension des "Quadratromans" von Friedrich Achleitner (1.3.43).