Am Donnerstag, 25. April ist die Benützung unserer Bestände nur bis 16 Uhr möglich. Leseplätze sind bis 19 Uhr verfügbar.

Eingeschränkte Benützung von Druckwerken
Seit 2. April 2024 steht ein Teil unserer Bestände für zwei Monate nicht zur Verfügung. Die betroffenen Druckwerke tragen im Katalog die Info "Außendepot – wegen Übersiedlung derzeit nicht bestellbar". Wir bitten um Ihr Verständnis!

Sie sind in:

Sie sind hier

Objekt des Monats Mai 2017: Hereinspaziert, hereinspaziert! Manege frei für den Circus Roncalli!

Plakat Zirkus Roncalli, Entwurf Jörg Huber, um 1976

Das erste Plakat des Circus Roncalli, der 2016 sein 40-jähriges Bestehen feierte, ist das Objekt des Monats Mai. Anlass sind die runden Geburtstage der beiden Zirkusgründer. André Heller und Bernhard Paul feier(te)n heuer ihre 70. Geburtstage.

Bernhard Paul, geboren am 20. Mai 1947 in Lilienfeld, war von Kindertagen an fasziniert vom Zirkus. Der gelernte Grafiker, er besuchte die Höhere Graphische Bundes- Lehr- und Versuchsanstalt in Wien ("die Graphische") u.a. gemeinsam mit Manfred Deix und Gottfried Helnwein, arbeitete als Art Director des Nachrichtenmagazins profil, bevor er sich an die Realisierung seines Traums vom eigenen Zirkus machte.

André Heller, der am 22. März 1947 in Wien das Licht der Welt erblickte, wird man auch mit einer ausführlichen Aufzählung seiner Betätigungen nicht gerecht werden. Er tritt u.a. als Aktionskünstler, Autor, Dichter, Sänger, Schauspieler und Kulturmanager in Erscheinung. Auch Heller erinnert sich eindrücklich an die erste Begegnung mit einem Zirkus in seiner Kindheit. Als Fünfjähriger besuchte er, was er als "Delegation aus einer anderen Sphäre" beschreibt, an der alles bunt und anders war.

Im Jahr 1975 arbeitete Paul intensiv an seinem Konzept von einem eigenen Zirkus. Die Idee spukt ihm bereits seit Jahren im Kopf herum. Als sich das in Wien herumsprach und Heller davon erfährt, "setzt er sich in ein Taxi und kreuzt bei Paul auf". Die beiden hatten sich gemeinsam dem Kampf gegen den Verfall der Zirkuskunst und –welt verschrieben. Dazu zählte etwa, dass "Kein Plastik, keine visuelle Derbheit" Platz haben sollten. Die Plakatgestaltung hatte also nicht nur aufgrund der Grafikaffinität der beiden einen hohen Stellenwert, sondern sie war auch ein weiteres Symbol für die selbstgesteckten Ziele eines Zirkus‘ neuen und alten Formats und sie sollte gegen die "graue Trostlosigkeit und Uniformierung heutiger Circusplakate" wirken.

Das erste Plakat des Circus Roncalli wurde von Jörg Huber entworfen. Huber und Paul kannten sich vermutlich seit ihren Schulzeiten an der Graphischen, an der auch Huber gelernt hatte.
Der Plakatentwurf Hubers, der die Anfänge des Gemeinschaftsprojekts bewarb, nimmt den Auftrag, gegen Uniformität und Trostlosigkeit zu wirken, an. Er folgt einem klaren, symmetrischen Aufbau, nimmt Anleihen an historischen Plakaten und ist dennoch um eine gleichsam zeitlose, ewig gültige Darstellung des Ereignisses "Zirkus" bemüht. Die beiden Gründer sind porträtiert und in Medaillons abgebildet. In der Manege tummelt sich das Zirkusvolk. Die drei zu Füßen von drei Clowns liegenden Löwen und alle anderen paarweise auftretenden Artisten verstärken den Eindruck der Symmetrie, die an einigen Stellen aufgelockert ist. Etwa indem ein Zauberer Äpfel aus seinem Zylinder zaubert und ihm gegenüber ein Jongleur Reifen in der Luft hält oder die beiden Seiltänzerinnen verschiedene Hautfarben haben. Die Farbigkeit im Gesamten und die Frisuren von André Heller und Bernhard Paul im Speziellen verweisen dabei klar auf den Entstehungszeitraum der 1970er Jahre.

Die Weltpremiere des Circus Roncalli fand am 18. Mai 1976 in Bonn statt. Doch die Zusammenarbeit von Heller und Paul währte nur kurze Zeit, die beiden hatten andere Auffassungen, zerstritten sich und das Zerwürfnis der beiden führte zu einer adaptierten Fassung des Plakats, in der "der Kopf von André Heller durch den des Kamels Amanda ersetzt" wurde.
Auch von diesem spannenden Zeitdokument besitzt die Wienbibliothek fünf Exemplare, die zwischen 1993 und 1998 in Wien und Düsseldorf Vorstellungen bewarben. Spannend auch deshalb weil dadurch die für einen Plakatentwurf lange Verwendungsdauer dokumentiert ist. In Wien schlägt der Zirkus Roncalli traditionell seine Zelte am Wiener Rathausplatz auf.

In unserer Sammlung finden sich insgesamt 18 Plakate zum Circus Roncalli, unter denen ein weiteres erwähnenswert, da aus der Frühzeit, und vermutlich das zweite Plakat des Circus ist. Dieses wurde von Walter Schmögner gestaltet, der ebenfalls Schüler der Graphischen gewesen war. Schmögner beteiligte sich dann auch gleich an der Bemalung der Zirkuswagen, so wie Jörg Huber und Jan Veenenbos (später Karikaturist der Tageszeitung "Der Standard")

Anfang der 1990er Jahre kam es zur Versöhnung zwischen Paul und Heller.

Quellen

Archiv der Objekte des Monats 2017

Zirkus Roncalli Plakat, Wien Rathausplatz, 1990er Jahre
Plakat Zirkus Roncalli, Entwurf Walter Schmögner