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Objekt des Monats November 2009: Frühneuzeitliche Spielkarten

Spielkarten aus der Renaissance- bzw. Barockzeit.

In einem Bucheinband des 17. Jahrhunderts wurden bei Restaurierungsarbeiten Spielkarten der Renaissance- bzw. Barockzeit gefunden. Der fragmentarisch erhaltene Satz besteht aus sechs vollständigen (Bild) sowie drei zur Hälfte zerschnittenen Karten, zusätzlich fanden sich jeweils die zur Verstärkung aufgeklebten, ornamental verzierten Rückseiten der Karten. Die Karten tragen die Spuren ihrer Jahrhunderte langen Verwendung als Makulaturmaterial: sie sind gewellt, die Reste des Buchbinderkleisters sind deutlich sichtbar. Bei einigen Karten sind zusätzlich etwa 1 cm lange Einschnitte erkennbar, die von der Befestigung der Bänder herrühren, mit denen der Bucheinband, in dem sie enthalten waren, verschlossen werden konnte.

Die ersten Belege für Kartenspiele in Europa stammen aus dem 14. Jahrhundert, vermutlich gelangten sie aus dem orientalischen Raum zu uns. Anfangs aufwändig gemalt, wurden Spielkarten nach der Erfindung des Buchdrucks schon sehr bald auch gedruckt – ein Hinweis für den Massenbedarf an Spielkarten im spätmittelalterlichen Europa. Die äußere Form der Karten hat sich dabei von den Anfängen bis heute interessanterweise kaum verändert: ein vollständiges Kartenset besteht in der Regel aus 52 Karten in vier Farben – im deutschen Sprachraum waren dies schon im Mittelalter Herz, Eichel, Schelle und Grün –, wobei zu den je zehn Zahlenkarten die Hofkarten mit dem Unter, Ober und dem König kommen. Das aus Italien stammende Tarockspiel verfügt zusätzlich über die Königin sowie 22 als Tarocke bezeichneten Bildkarten und kommt somit auf eine Gesamtzahl von bis zu 78 Spielkarten.

Vielfältiger als die Spielkartentypen sind die Regeln der Spiele, die über die Jahrhunderte hinweg mit den Karten gespielt wurden. Die Palette reicht von bloßen Hasardspielen über Stich- und Augenspiele, die dem in Österreich beliebten Schnapsen ähnlich sind, bis hin zu Kartenspielen mit taktischen Komponenten wie dem Tarock, in dem dem eigentlichen Spiel das Ansagen ("Rufen") vorangeht. Die erhaltenen Spielnamen sind dabei nicht immer konkreten Spielen zuzuordnen; die sprachliche Verwirrung wird noch dadurch verstärkt, dass zahlreiche Kartenspiele aufgrund von Exzessen beziehungsweise dem grundsätzlichen Misstrauen der kirchlichen Autoritäten gegenüber Glücksspielen immer wieder verboten wurden, um dann schlicht unter neuem Namen weitergespielt zu werden. Dass die Spiele oft auch eine sozialrevolutionäre Komponente hatten, zeigt das Beispiel des so genannten Karnöffel: in dem besonders unter den Landsknechten des 15. und 16. Jahrhunderts beliebten Spiel, bei dem es oft recht wild zuging – der österreichische Ausdruck "karniefeln" (ärgern, quälen) leitet sich von dem Spiel ab –, war der Trumpf-Unter die stärkste Karte, die selbst den König ausstach.

Für die Datierung unserer Karten gibt es leider keine eindeutigen Anhaltspunkte. Das Erscheinungsjahr des Buches, ein Kinderkatechismus aus Rottenburg am Neckar aus dem Jahr 1685, kann nur ungefähr als Terminus ante quem herangezogen werden, da Bücher ja oft erst lange nach dem Druck gebunden wurden. Andererseits konnten die Karten bereits geraume Zeit im Umlauf gewesen sein, bevor man sie einem "Recycling" zuführte. Stilistisch gesehen haben die recht grob in Holz geschnittenen, in roter, gelber und brauner Farbe handkolorierten Karten eine auffällige Parallele in Volks-Spielkarten aus Zwickau aus dem Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg (Sachsen), die ins 17. Jahrhundert datiert werden (abgebildet in: Die schönsten deutschen Spielkarten, 1964, Nr. 37/38), aber auch die Kartensets des späten 16. Jahrhunderts zeigen starke Ähnlichkeiten zu unseren Karten. Für eine frühe Datierung sprechen vielleicht auch die astrologischen Motive auf den Karten, die sich bereits im ausgehenden Mittelalter großer Beliebtheit erfreuten: neben einem Krebs ist auch ein Ziegen- bzw. Steinbock erhalten geblieben, der aus einem Holzfass trinkt. Nicht in dieses Schema passt freilich die Katze auf dem Fragment der Herz Sieben: vielleicht ist sie Ausdruck jenes ausgelassenen Humors der Kartenspieler, der bekanntlich auch die "Sau" (As) zur stärksten Karte im Spiel machte.

Literatur

  • Endrei, Walter: Spiele und Unterhaltung im alten Europa. Hanau 1988
  • Leyden, Rudolf von: Karnöffel. Wien 1978
  • Graphische Sammlung Albertina: Spielkarten. Ihre Kunst und Geschichte in Mitteleuropa. Wien 1974
  • Rosenfeld, Hellmut (Hrsg.): Die schönsten deutschen Spielkarten. Leipzig 1964 (Insel-Bücherei Nr. 755)

Archiv der Objekte des Monats 2009