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Kunstarchiv Werner J. Schweiger. Autographensammlung und Nachlässe

Werner J. Schweiger in seinem Arbeitszimmer, 1979. Foto: Roland Werba.

Die Handschriftensammlung erwarb im Jahr 2013 das Kunstarchiv des österreichischen Kunsthistorikers und Publizisten Werner J. Schweiger. Die umfangreiche Autographensammlung und die enthaltenen Nachlässe sind nun im Onlinekatalog erfasst und stehen zur Benutzung bereit. Die Sammlung von Büchern, Zeitschriften und seltenen Broschüren aus dem Nachlass Schweigers befindet sich in der Druckschriftensammlung der Wienbibliothek.

Werner J. Schweiger wurde am 7. Januar 1949 im niederösterreichischen Lilienfeld geboren. Nach Wien kam er als Sängerknabe, die berufliche Ausbildung widmete er der Gastronomie. Ein Studium absolvierte Schweiger nicht, seine Interessen und Kenntnisse in den Fächern Kunstgeschichte und Literatur erlangte er als Autodidakt. Schwerpunkte waren auf der einen Seite der Wiener Jugendstil, besonders die Wiener Werkstätte, der Maler Oskar Kokoschka, Gebrauchsgraphik und alle Fragen zu Kunstsammlern und Kunsthändlern. Auf dem literarischen Feld war es ihm vor allem um Peter Altenberg und Robert Müller zu tun. Der Wissenschaftler Schweiger wäre allerdings ohne den Sammler in Personalunion nicht denkbar gewesen, denn es war typisch für ihn, seine Forschung mit originalen Dokumenten und Materialien aus seinem Besitz zu betreiben. Dabei hat ihm die inhaltliche Beschäftigung gegenüber den Händlern einen nicht zu unterschätzenden Informationsvorsprung verschafft, war er doch auf etlichen Gebieten Pionier und seiner Zeit weit voraus. "Am Beginn meiner Sammeltätigkeit", heißt es bezeichnenderweise in Schweigers Nachwort zu "Das große Peter Altenberg Buch" (Wien, Hamburg 1977), "als Bücher noch einen Bruchteil dessen kosteten, was man heute für sie auslegen muß, entdeckte ich Peter Altenberg für mich". Auf diese Weise konnte er mit vergleichsweise geringen Mitteln eine beachtliche Sammlung aufbauen. So war Schweiger über Jahrzehnte guter Kunde der Wiener Antiquariate und kaufte durchaus bemerkenswerte Autographen auch im internationalen Auktionshandel.

745 Inventarnummern und 19 Boxen

Das Kunstarchiv Werner J. Schweiger gliedert sich in die im Online-Katalog nachgewiesenen Teile, als da wären: die Autographensammlung mit 420 Inventarnummern (ZPH 1609), den Splitternachlass Max Osborn mit 67 Inventarnummern (ZPH 1607), die Sammlung Rudolf Zückler (langjähriger Mitarbeiter der Traditionsfirma für Künstlerbedarf Ebeseder) mit 75 Inventarnummern (ZPH 1652) und die Korrespondenz der Trakl-Freunde Erhard Buschbeck und Anton Moritz mit 183 Inventarnummern (ZPH 1608). In einer Bestandssystematik wird schließlich der 18 Archivboxen und eine Foliobox umfassende persönliche Nachlass Schweigers erschlossen (ZPH 1605).

Die Filetstücke der Autographensammlung sind die 59 Nummern Altenbergiana, darunter 13 eigenhändige Manuskripte, meist auf dem Briefpapier des Graben-Hotels, mit insgesamt 33 Blatt. Zu den 38 Korrespondenzstücken zählen sieben inhaltsreiche Briefe an seinen Berliner Verleger Samuel Fischer. Zur Sammlung zählen außerdem drei Briefe Hermann Bahrs an Balduin Groller, ein Notenautograph Josef Bayers für Kaiser Franz Joseph, fünf Schreiben von Marcus Behmer an den Wiener Verlag, ein dreiseitiger Brief Wilhelm Bernatziks an Carl Moll bezüglich eines Ankaufs, ein vierseitiger Brief samt Kuvert von Julius Bittner an Broncia Koller, ein kleines Konvolut von Korrespondenzen und Lebensdokumenten des Architekten Alfred Castellitz, ein eh. Brief des Pioniers der österreichischen Fotografie Josef Maria Eder an Hans Januschke, ein Konvolut von Korrespondenzen aus der Feder von Albert Paris Gütersloh, ein eh. Brief von Stefan Grossmann an Felix Holländer, in dem der Bühnenbildner Caspar Neher sowie Werner Krauss in seiner Rolle als Wallenstein thematisiert werden, ein Konvolut von 9 Korrespondenzstücken Egid Fileks, zwei Karten Philipp Häuslers an Max Welz, ein Selbstporträt von Ernst Juch, eine Speisekarte mit Autographen (u. a. von Karl Lueger) anlässlich des 1. Allgemeinen Österreichischen Buchdruckereibesitzertags am 28. Juni 1904, kleinere Korrespondenzkonvolute von Pauline Fürstin von Metternich und Carl Moll, eine schöne eh. Karte Emil Orliks an Josef Hoffmann (26.12.1909), ein Briefkonvolut von Eduard Pötzl sowie von Franz Schreker an Anton Wildgans, 5 Korrespondenzstücke Felix Saltens an Richard Specht, ein eh. Brief Alfred Rollers an Ludwig Michalek samt Kuvert (28.01.1897, 4 SS.), ein "Zum Andenken an Hermann Broch" verfasstes Typoskript (1 Bl.) von Ernst Waldinger mit dessen eh. U. und Korrekturen sowie 2 Karten Alfons Waldes. Aus der Sicht des Karl-Kraus-Archivs sollten eigens Erwähnung finden ein eh. Brief Ludwig von Fickers an Richard Lanyi vom 15. Dezember 1926 (1. Bl.), in dem es um den Nachlass des 1917 gefallenen Kraus-Freundes und Lyrikers Franz Janowitz geht. Heute gilt der Bestand als verschollen. Auch ein Schreiben Sigismund von Radeckis an den Kraus-Anwalt Oskar Samek vom 23. August 1931 (2 SS.) verdient besondere Aufmerksamkeit.

Zu den Spitzenstücken ohne Wienbezug gehört zweifelsfrei eine eh. Briefkarte (2 SS.) von George Grosz an eine gewissen Herrn Kirchhoff vom 18. Oktober 1925. Vermutlich handelt es sich um Heinrich Kirchhoff, einen in Wiesbaden lebenden Kunstmäzen und Sammler, dessen Werke der Moderne nach Hitlers Machtübernahme aus der dortigen Kunsthalle als „Entartete Kunst“ entfernt wurden. Nach Kirchhoffs Tod wurde dessen Sammlung in alle Winde zerstreut. Von ihm ist die Sentenz überliefert: „Ich weiß genau, was Kunst und was Scheißdreck ist.“

Auch der Splitternachlass Max Osborn ist voller Trouvaillen. Osborn (1870–1946) stammte aus einer jüdischen Bankiersfamilie in Köln und studierte in Heidelberg, Münster und Berlin Kunstgeschichte. Nach seinem Studium war er zunächst Kunstredakteur bei der "BZ am Mittag" und wurde bei seiner nächsten beruflichen Station, der berühmten "Vossischen Zeitung", einer der wichtigsten deutschen Kunstkritiker (und Präsident der "Vereinigung der deutschen Kunstkritiker"), der mit seinen Artikeln großen Einfluss ausübte, ja mit seinen Monographien sogar in der Lage war, Künstlern zum Durchbruch zu verhelfen, wie etwa Max Oppenheim oder Emil Orlik. Osborn war darüber hinaus Mitglied der Ankaufskommission der National-Galerie und der Kunstkommission der Stadt Berlin. In den überlieferten Schreiben spiegeln sich nicht nur die vielfältigen Tätigkeiten und Kontakte dieses Netzwerkers wider, sondern auch Ankaufs- und Museumsfragen. Weiter werden einzelne Künstler und Ausstellungen diskutiert, auch der Einfluss des aufkommenden Nationalsozialismus auf die Kunstwelt spielt eine Rolle. So findet sich beispielsweise ein Brief von Paul Schultze-Naumburg zu Parteiaktionen in Weimar im Jahr 1930. Schultze-Naumburg war vom NS-Politiker Wilhelm Frick zum Direktor der dortigen Kunsthochschule ernannt worden, um gegen das Bauhaus im nahen Dessau zu wirken. Auch zur Schließung der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau am 1. April 1932 (unter dem Direktor Hans Poelzig neben dem Bauhaus die wohl wichtigste Hochschule in Deutschland ihrer Art) findet sich ein hochkarätiger Brief des Malers Carlo Mense, der dort lehrte. Neben Künstlern und Kunsthistorikern sind auch Sammler und Museumsinitiatoren mit Briefen vertreten, wie Eduard von der Heydt, Hugo von Tschudi, Max Wallraf oder Wilhelm von Bode.

Prominente Korrespondenzpartner

Der wissenschaftliche Nachlass Werner J. Schweigers schließlich ist vor allem dank der rund 3000 an den Bestandsbildner gerichteten Briefe äußerst spannend. Der inhaltliche Fokus liegt – wie bei den Sammlungen Schweigers – auf Peter Altenberg und Robert Müller, aber auch auf anderen Interessen, wie dem Kaffeehaus im engeren und dem Exil im weiteren Sinne. Schweiger hat es geschafft, mit vielen Zeitzeugen noch persönlich in Verbindung zu treten, was deren Schreiben bisweilen zu einzigartigen Quellen macht. Zu den Briefpartnern zählen u. a. prominente Zeitgenossen wie Ingeborg Bachmann, Gottfried Bermann Fischer, Hans Flesch, Mimi Grossberg, Walter Kappacher, Gina Kaus, Peter de Mendelssohn, Theodor Sapper, Burkhard Spinnen, Friedrich Torberg, Peter Weibel, Hans Weigel und Roger Willemsen.

Werner J. Schweiger verstarb am 11. März 2011 in Wien.

Archiv der Neuerwerbungen 2015

Sammlung Werner J. Schweiger, Automatenporträt im Zettelkasten, 1980. Foto: Gudrun Vogler.